Er schrieb nicht weiter, denn er sah, daß einer der Anführer den Streifen zerknüllte, ohne ihn zu lesen, und dann in sinnloser Wut auf die Metallwand der elektronischen Anlage trommelte. Dabei schrie er etwas.
Der Zustand eines der Sprache nicht mächtigen Zuhörers war auf die Dauer unangenehm. Eric nahm seine Suche nach dem Umsetzungsschema für die Lautsprache wieder auf – es war so, als ob er sich daran zu erinnern versuchte. Manchmal war ihm, als habe er es gefunden, doch dann entzog es sich ihm wieder.
Er hatte eine Sekunde lang nicht aufgepaßt. Der kleinere der beiden Befehlsgewaltigen riß etwas aus der Tasche seines Umhangs heraus und richtete es auf die elektronische Anlage. Eric hatte keine Zeit, den Schuß zu verhindern, der Robotwagen stand zu weit entfernt. Daß er nicht an eine Waffe gedacht hatte! Er wehrte sich anders: Er gab dem Gegenkreisel, der in der Achse des Ringhohlraumes rotierte, einen abrupten Beschleunigungsstoß. Das wirkte – ein Strahl glühender Luft blendete zwar auf, aber er stieß an den elektronischen Schaltungen vorbei und traf nun ein Stück der Steuerung.
Plötzlich schlingerte das Schiff wie ein Kinderreifen auf einer holprigen Straße – und dann fiel es aus den Reihen der übrigen Ringschiffe hinaus. Die Fliehkräfte wogten in Wellen darüber hinweg, als das Schiff von den Stabilisationsfeldern wie ein Ball hin und her geschleudert wurde, dann verlor es den Kader hinter sich und raste in den Raum hinaus, auf einen dunklen Nebel zu.
Die Erschütterungen riefen seltsame ungereimte Intensionen in Eric hervor – Licht, Schmerz, Übermut. Dann war das Ärgste vorbei, Funksprüche von den anderen Schiffen holten ihn ein, endlich war ihnen aufgefallen, daß auf seinem Schiff etwas nicht stimmte! Hoffentlich gebrauchten sie keine Waffen! Aber, beruhigte er sich, sie würden kaum auf ihr eigenes Schiff schießen!
Er antwortete: ›Steuerung beschädigt. Wir versuchen zu reparieren. Sonst alles in Ordnung.‹
Er bemerkte, daß ihm zwei Schiffe folgten, aber sie behielten gleichen Abstand bei. In der Bewegungsrichtung konstatierte er einen Dunkelnebel. Das war günstig – vielleicht war es später notwendig, sich zu verbergen. Er mußte die Möglichkeit erwägen.
In der Zentrale lagen die Männer betäubt am Boden und versuchten dann, sich aufzurichten. Schnell ließ er den Reparaturwagen an die aus der Hand des Schützen gefallene Waffe heranfahren und hob sie auf.
Ein Blick in die Umgebung: Die Dunkelwolke blähte sich merklich auf. Was mochte sich darin verbergen? Er durfte nicht einfach ohne Steuerung weiterrasen.
Die vier Betäubten waren zu sich gekommen und sprachen. Bald setzte sich der eine wieder an die Schreibmaschine und tippte: ›WIR BEDAUERN DIE UNÜBERLEGTE HANDLUNG ORCHS. WIR NEHMEN DEINE BEDINGUNGEN AN. BRING UNS ZU UNSERER FLOTTE ZURÜCK!‹
Eric setzte zur Antwort an, stockte, dachte nach – und schrieb: ›kxlkxl kxlkxl xxlxxkklxklx.‹
›NICHT VERSTANDEN‹, kam die Antwort.
Eric schrieb weiter: ›xklxkl xkxkll xxxkkk kxlkxl.‹
Wieder sprachen sie. Dann lief der eine Anführer auf die Tür zu – rasch öffnete Eric die Sperre. Die Tür sprang auf. Der Mann kam zurück und gestikulierte.
Der Wissenschaftler streckte die Hand nach der Metallverschalung aus. Einen solchen Eingriff konnte Eric nicht gestatten. Er rollte den Robotwagen heran und ließ den Entladungsbogen des Schneidbrenners zischen. Aus dem Nebenzimmer eilten einige zur Tür – und er schloß sie wieder. Der Wissenschaftler ging weiter, die Wand entlang, an die Stelle, die jener, den sie Orch nannten, aufgebrannt hatte. Sein Gehilfe brachte einige Werkzeuge herbei.
Nun hatte sie Eric dort, wo er es wünschte. Sie dachten, daß er etwas beschädigt, dadurch verwirrt und nicht voll einsatzfähig war. Sie nahmen ihm eine Arbeit ab, die ihm sehr schwergefallen wäre: die Reparatur der Steuerungsanlage. Sicher hofften sie, dann auf eigene Faust zurückkehren zu können.
Eric wartete. Die Minuten verrannen. Irgendwo in ihm pulsierte eine Uhr, die ihm die Zeit anzeigte. Schneller als vorgesehen tauchten sie in die Nebelwolke ein – vielleicht war das ein Zeichen dafür, daß sie kleiner war, als es zuerst geschienen hatte.
Nach einer halben Stunde richtete sich der Wissenschaftler auf und sagte etwas. Dann näherte er sich langsam dem Sitz mit den Instrumenten – sicher der Pilotensitz. Mit einer hastigen Bewegung drückte er den Schalthebel hinab: von ›Automatischer Steuerung‹ auf ›Handsteuerung‹. Schließlich schwenkte er einen waagrechten Griff – das Schiff drehte sich hundertachtzig Grad um eine seiner Speichen.
Das genügte Eric; die Steuerung funktionierte also wieder. Er ließ den Robotwagen heranrollen, auf den Wissenschaftler zu.
»Vries!« brüllte sein korpulenter Gehilfe.
Vries, der Wissenschaftler, stand wie versteinert. Eric drückte ihn mit einem Metallarm beiseite, erfaßte den Schalthebel mit der Zange und legt ihn wieder hinauf, auf ›Automatische Steuerung‹. Dann ließ er den Schneidbrenner aufzischen – der Hebel fiel zu Boden. Er brauchte keine Handsteuerung.
Eric war gut gelaunt. Sogar die vier menschenhaften Wesen waren ihm sympathisch. Auf den Lochstreifen schrieb er: ›Danke!‹
Plötzlich hatte Eric die Erinnerung an die Sprache gefunden. Die fremdartigen Laute kamen ihm noch immer ungewohnt vor, doch er verstand sie.
»Er hat uns betrogen«, flüsterte Vries tonlos.
»Die Situation ist außergewöhnlich«, sagte der Anführer, der den höheren Rang bekleidete. »Sie hat uns überrascht. Wir haben planlos...«
Eric hörte nicht mehr zu. Er unterbrach den Sprechenden, indem er den Papierstreifen durch die Lochstanze fließen ließ: ›Ich stelle meine Bedingungen: ›Ihr habt zwanzig Minuten Zeit, um das Schiff zu verlassen‹.
»Wir können doch nicht... hier... in der Wolke...!« stöhnte der zweite Anführer, der Mann, der früher geschossen hatte.
Eric schrieb: ›Ich verhandle nicht.‹
»Er versteht«, sagte Vries.
»Wir haben nicht mehr viel Zeit«, setzte der erste Anführer seine Rede fort. »Es ist nötig, logisch zu denken. Was wir als nächstes unternehmen, muß gelingen. Es muß gut überlegt sein. Nein«, er hob warnend die Hand, als der Gehilfe etwas sagen wollte, »nicht sprechen – er hört mit. Gut überlegen, und dann sofort handeln.«
Der Gehilfe schwieg. Alle möglichen Mienen wechselten in seinem Gesicht, aber Eric verstand sie nicht. Seine fröhliche Stimmung verflog. Er spürte das Arbeiten hinter dieser braunen Stirn, irgend etwas braute sich dahinter zusammen, irgendein Gedanke gewann dort Gestalt, irgend etwas entstand, das er nicht kannte, etwas Gefährliches. Er war nahe daran, den Abzugshahn der Pistole durchzuziehen – aber er tat es nicht. Sie sind intelligente Wesen, dachte er, jedes genausoviel wert wie ich. – Und dann dachte er: Ich werde mit diesen Geschöpfen schon fertig.
Da kam es. Der Mann sprang auf, warf sich an die Wand der Anlage – nicht dorthin, wo die empfindliche Schaltung verborgen war, sondern seitlich davon, wo einige Drähte gespannt waren. Er riß daran...
Eric hatte versucht, den Robotwagen eingreifen zu lassen, aber er hatte zu spät gemerkt, wogegen sich der Angriff gerichtet hatte: die Steuerantennen für die Robotwägelchen. Plötzlich war er taub und blind. Zwar nahm er die beiden Halbkugelbilder der Umgebung noch auf, aber er sah nicht mehr ins Innere des Schiffes hinein, und er hörte nichts mehr...
Er erkannte die ungeheure Gefahr, in der er schwebte, und handelte unverzüglich. Seine Gegner durften zu keiner Handlung kommen. Er beschleunigte die Rotation des Schiffes, so rasch und so stark er konnte – weit über jene Grenze, an der ihm eine innere Stimme halt! zurief. Organe, von denen er nichts geahnt hatte, gaben ihm Daten durch: Fliehkraft, Durchbiegung, Energieverbrauch, und er steigerte sie bis zur Elastizitätsgrenze des Leitwerks. Trotzdem fühlte er besorgt in sich hinein – ob er nicht das Absterben eines Teils seines Denkens bemerkte, das ihm verraten hätte, daß er verloren war...