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Erst allmählich erfaßte er das Unglück in seiner vollen Tragweite: Die Verbindung mit seinen Händen, den Robotwägelchen, war abgerissen – er war nicht mehr imstande, etwas Demoliertes zu reparieren!

Sollte er die Rotation so lange beibehalten, bis sich seine Gegner ergaben? Aber wie sollte er erfahren, daß sie sich ergaben?

Eine Weile dachte er nach. Seine Außenaugen meldeten ihm, daß das Schiff die Wolke verließ. Da kam ihm eine Idee. Vielleicht besaß er die Fähigkeit...?

Die von außen beobachteten visuellen Eindrücke gingen über den Automaten an die Bildschirme weiter, von denen je zwei statt der Fenster in den wichtigsten Räumen untergebracht waren. Er brauchte sie doch nicht einfach nur weiterzugeben! Er konnte sie genauso gut verändern!

Er besann sich eine Weile. Sein Theaterspiel mußte für die Leute im Schiff etwas Furchtbares sein. Vielleicht Feuer? Glühende Gaswolken? Oder Treibeis im Weltraum? Er entschied sich für Feuer. Hitze und Feuer sind das Zerstörerischste, das es für alles Lebendige gibt. Er ließ seine Phantasie spielen: feurige Wirbel, Funkenregen, Flammen. Und ganz langsam regelte er die Innentemperatur höher, ganz allmählich...

Dazwischen sandte er wieder eine Nachricht aus: ›Mein letztes Angebot: Repariert die Antenne. Dann entfernt euch aus dem Schiff.‹ Er wiederholte mehrmals: ›Mein letztes Angebot...‹

Und dann ließ er eine glühende Milchstraße spiralen, ließ ionisierte Gase rotieren, feurige Schlacken durch den Raum gleiten, immer größer werden, immer näher kommen... Und dabei regelte er die Innentemperatur hoch, ganz langsam, ganz sachte...

Rührte sich denn nichts?

Einen Augenblick lang schreckte er zusammen: Waren sie vielleicht tot?

Da kam ein Zeichen: ›ERSB LMQZ CXYA FUNU‹

Waren sie so benommen, daß sie zu keiner vernünftigen Antwort fähig waren? Oder sollte das ein Trick sein?

Es war gewagt. Aber er versuchte es. Er verzögerte die rasende Drehbewegung ein wenig...

Buchstaben trafen ein, sie fielen wie Tropfen: ›E IN V ER STAN DEN.‹

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als alles auf eine Karte zu setzen: Er milderte die Fliehkraft noch ein wenig.

Es ging überraschend schnell. Auf einmal sah er wieder... und hörte wieder.

Er befahclass="underline" ›Aussteigen.‹

Der Anführer rief irgend etwas.

Eric befahclass="underline" ›Unverzögert aussteigen. Wir nähern uns dem Zentrum des Wirbels mit jeder Minute um eine Million Kilometer.‹

Er sah, wie sie auf die Bildschirme starrten. Er ließ noch ein wenig mehr glühende Klumpen wirbeln.

Der Anführer gab Alarm.

Das Manöver funktionierte mit der unverständlichen Zielsicherheit eines Bienenstaates. Ein Rettungsboot nach dem andern schoß aus dem Mund des Torpedorohres. Acht Zylinder schwebten im Raum, im alten, unendlich vertrauten, sternenübersäten Raum. Sie wurden zu Punkten, die an den Ecken eines imaginären Würfels saßen. Zwei silberne Ringe trieben auf sie zu.

Eric drehte hinweg. Er schaltete auf eine Beschleunigung, die weit über dem normal zugelassenen Wert lag. Aber es gab keinen Organismus, dem sie schaden konnte: Niemand vermochte ihm zu folgen.

Erinnerungen und Hoffnungen gewannen wieder Oberhand in ihm; sie mischten sich zu einem wirbelnden Tanz. Seit seinem seltsamen Erwachen hatte er keine Zeit gefunden, sich zu wundern. Und nun war alles schon erprobt, war selbstverständlich. Fremdes war da – und auch Vertrautes, doch das Fremde trug einen Schimmer von Vertrautheit, und das Vertraute war ein wenig fremd. Alles war neuartig, aber keineswegs abstoßend. Er forschte in sich, ob er dem nachtrauerte, was für immer verloren war – der Körperlichkeit, der heimatlichen Erde, seiner Zeit. Der Körper ist nur ein Gehäuse, dachte er, die Erde nur eine Bühne. Aber sind sie die Wirklichkeit? fragte er. Was ist Wirklichkeit? Das Verlorene oder das neu Gewonnene? Wieder erschienen Bilder aus dem Kaleidoskop seines Gedächtnisses. Sie beherrschten ihn so sehr, daß er wieder erlebte, wieder litt... Er stand vor Entscheidungen, quälte sich in unlösbaren Konflikten... aber es war doch Traum! begehrte er auf, es ist seit Jahrmillionen vorbei! Wieder fragte er: Wo beginnt der Traum, wo die Wirklichkeit? Was heißt Zeit? Was heißt vorbei? Er horchte in das Weben hinein, das um ihn und in ihm war. Da waren nur Fragen, und keine Antworten.

Da war noch etwas neben ihm, etwas mit ihm Verbundenes und doch Eigenes, das ihn rief. Er öffnete sich diesem leisen Drängen und wurde endlich ruhig. Er hatte keine Wünsche mehr.

Der Raum ringsum war leer und kalt, aber ihn konnten weder die Abgründe des Raumes noch der Zeit schrecken. Schwerelos ließ er sich in der Unendlichkeit treiben. Einst werde ich wirklich erwachen, dachte er, einst werde ich wissen.

Phantastische Bibliothek

Suhrkamp Redaktion und Beratung: Franz Rottensteiner Umschlagbild: © H.W. Franke / H. Helbig

suhrkamp taschenbuch 1792

Erste Auflage 1990

© Copyright 1963 by Wilhelm Goldmann Verlag München

Alle Rechte vorbehalten durch Suhrkamp Verlag

ISBN-10: 3518382926

ISBN-13: 978-3518382929