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Loomis sagte: »Jetzt hör mir mal zu. Ich habe dich als dominierende Persönlichkeit anerkannt. Ich habe nicht versucht, die Kontrolle über den Körper an mich zu reißen. Ich war in guter Stimmung, und ich habe dich in guter Stimmung gehalten, während wir um die halbe Venus herumgestiefelt sind. Stimmt das etwa nicht?«

»Doch«, erwiderte Crompton, widerwillig den Patronengürtel beiseitelegend.

»Ich habe mein Bestes gegeben, aber was zuviel ist, ist zuviel. Ich bin auch für die Reintegrierung, aber nicht mit einem irrsinnigen Mörder. Erzähl mir nichts von monolithischen Persönlichkeiten. Stack ist ein Mörder, und ich will nichts mit ihm zu tun haben.«

»Er ist ein Teil von uns«, sagte Crompton.

»Na und? Hör dir doch einmal selber zu, Crompton! Du bist angeblich die Persönlichkeit, die den größten Kontakt zur Wirklichkeit hat. Aber du bis ja besessen, du willst uns auf diesem verdammten Fluß in den Tod jagen.«

»Wir werden es schaffen«, meinte Crompton ohne Überzeugung.

»So?« fragte Loomis. »Hast du dir die Geschichten angehört, die man über den Blood River erzählt? Und selbst wenn wir es schaffen, was finden wir im Delta? Einen wahnsinnigen Mörder! Er wird uns umlegen, Crompton!«

Crompton fand keine passende Erwiderung. Im Laufe der Suchaktion war sein Entsetzen über Stacks Wesen immer mehr gewachsen, gleichzeitig hatte sich aber auch seine Besessenheit gesteigert, Stack zu finden. Loomis war nie von dem unbezähmbaren Drang nach Reintegrierung erfüllt gewesen; er hatte sich wegen äußerer Schwierigkeiten eingefunden, nicht einer inneren Notwendigkeit halber. Aber Crompton hatte stets mit der Leidenschaft für echtes Menschsein, für Vervollkommnung und Transzendenz gelebt. Ohne Stack war eine Fusion unmöglich. Mit ihm gab es eine Chance, gleichgültig, wie gering sie sein mochte.

»Wir ziehen weiter«, entschied Crompton.

»Alistair, bitte! Wir beide kommen doch gut miteinander aus. Wir könnten auch ohne Stack das Leben genießen. Fliegen wir zum Mars oder zur Erde zurück.«

Crompton schüttelte den Kopf. Er konnte die tiefen, unkittbaren Risse zwischen sich und Loomis bereits spüren. Er vermochte die Zeit zu erfühlen, in der diese Trennungslinien alle Gebiete erreichen würden, und ohne Reintegrierung mußte jeder seinen eigenen Weg gehen - aber in einem Körper.

Und das war der Irrsinn.

»Du willst nicht umkehren?« fragte Loomis.

»Nein.«

»Dann übernehme ich die Kontrolle!«

Loomis' Ich bäumte sich in einem Überraschungsangriff auf und erlangte eine teilweise Kontrolle über die motorischen Funktionen des Körpers. Als Crompton fühlte, wie ihm die Kontrolle zu entgleiten drohte, stellte er sich Loomis, und der Kampf begann.

Es war ein lautloser Kampf, ausgefochten beim Licht einer rauchenden Kerosinlampe, das beim Herannahen der Morgendämmerung immer trüber wurde. Der Schauplatz des Kampfes war Cromptons Verstand. Als Preis winkte Cromptons Körper, der jetzt zitternd auf einem Feldbett lag. Schweiß strömte von seiner Stirn, die Augen starrten leer ins Licht, ein Nerv an der Schläfe zuckte unaufhörlich.

Crompton war die dominierende Persönlichkeit, aber der innere Zwiespalt und ununterdrückbare Schuldgefühle hatten sie geschwächt, Skrupel behinderten sie. Loomis, schwächer, aber entschlossen, gelang es, die motorischen Funktionen in seiner Gewalt zu behalten und die Produktion von Antidolen zu verhindern.

Stundenlang lagen die beiden Persönlichkeiten miteinander im Kampf, während der fiebernde Körper Cromptons sich auf dem Feldbett hin- und herwarf. In den frühen Morgenstunden begann Loomis Boden zu gewinnen. Crompton nahm sich zusammen, aber er hatte nicht mehr die Kraft zu einem entscheidenden Vorstoß. Der Crompton-Körper war durch die Auseinandersetzung bereits gefährlich überhitzt; wenn sie nicht bald ein Ende fand, würde keinem der beiden Ichs ein Leib zur Verfügung stehen.

Loomis, den keine Skrupel plagten, stieß weiter vor, übernahm lebenswichtige Synapsen und kontrollierte damit sämtliche Bewegungsfunktionen.

Bei Sonnenaufgang hatte Loomis den Sieg errungen.

Taumelnd erhob sich Loomis. Er fuhr über die Bartstoppeln an seinem Kinn, rieb die erstarrten Fingerkuppen aneinander und sah sich um. Das war jetzt sein Körper. Zum erstenmal seit der Verschmelzung auf dem Mars konnte er wieder direkt fühlen und sehen, statt sich alle Eindrücke gefiltert durch Cromptons Persönlichkeit darreichen lassen zu müssen. Es war schön, die dumpfe Luft zu atmen, die Kleidung auf der Haut zu spüren, hungrig zu sein, zu leben! Aus einer Welt grauer Schatten war er in ein Land leuchtender Farben getreten. Wunderbar! So mußte es bleiben.

Der arme Crompton.

»Mach dir keine Sorgen, alter Junge«, sagte Loomis. »Ich meine es doch nur gut mit dir, verstehst du.«

Von Crompton kam keine Antwort.

»Wir fliegen zurück zum Mars«, erklärte Loomis. »Nach Elderberg. Alles wird gut werden.«

Crompton wollte oder konnte nichts erwidern. Loomis war beunruhigt. »Bist du da, Crompton? Alles in Ordnung?«

Keine Antwort.

Loomis runzelte die Stirn und eilte zum Zelt des Kommandeurs.

»Ich habe es mir anders überlegt«, erklärte Loomis dem Colonel. »Stack ist nicht mehr zu helfen.«

»Ich halte das für eine vernünftige Entscheidung«, meinte der Kommandeur.

»Ich möchte sofort zum Mars zurück.«

Der Colonel nickte. »Alle Raumschiffe starten von Port Haarlem aus, wo Sie auch gelandet sind.«

»Wie komme ich zurück?«

»Na ja, das ist ein bißchen schwierig«, erwiderte der Kommandeur. »Ich könnte Ihnen ja einen eingeborenen Führer leihen. Sie müssen über das Thompsongebirge nach Ou-Barkar zurückmarschieren. Ich rate Ihnen, diesmal die Route über das Desset-Tal zu wählen, da die Kmikti-Horde durch den Regenwald zieht, und man bei diesen Kerlen auf alles gefaßt sein muß. Sie erreichen Ou-Barkar in der Regenzeit, so daß die Schlepper nicht bis Depotsville fahren. Vielleicht können Sie sich der Salzkarawane anschließen, die den kurzen Weg durch den Knife-Paß nimmt, wenn Sie rechtzeitig ankommen. Andernfalls kann man den Weg mit einem Kompaß leicht begehen, allerdings muß man die Abweichungszonen berücksichtigen. Bis Sie Depotsville erreicht haben, setzt der Regen erst richtig ein. Ein großartiger Anblick. Vielleicht erwischen Sie einen Hubschrauber nach St. Denis und von dort einen nach East Marsh, aber das möchte ich wegen >Zicre< bezweifeln. Gegen die Tornados sind diese Vögel machtlos. Allerdings könnten Sie mit dem Paddelboot nach East Marsh gelangen und von dort aus mit einem Frachter die Inland-Zee hinunter nach Port Haarlem gelangen. Es gibt meines Wissens ein paar sehr sichere Hurrikanhäfen an der Südküste, für den Fall, daß das Wetter eine rasche Flucht erfordert. Ich persönlich ziehe es vor, über Land zu ziehen oder zu fliegen. Die Entscheidung, welche Route Sie wählen wollen, liegt natürlich bei Ihnen.«

»Danke«, sagte Loomis mit schwacher Stimme.

»Verständigen Sie mich noch von Ihrer Entscheidung«, meinte der Kommandeur.

Loomis bedankte sich noch einmal und kehrte als gebrochener Mann in sein Zelt zurück. Er dachte über den Marsch zurück durchs Gebirge und die Sümpfe, durch primitive Niederlassungen, vorbei an wandernden Horden nach. Er stellte sich die Komplikationen durch Regen und den >Zicre< vor. Nie hatte seine Phantasie größere Arbeit geleistet, als sie ihm jetzt die Schrecken der Reise ausmalte.

Es war schwer genug gewesen, hierherzukommen; eine Rückkehr mußte um vieles schwieriger sein. Und diesmal gab es keinen Schutz für sein empfindliches Gemüt durch den geduldigen, ausdauernden Crompton. Er selbst mußte Wind, Regen, Hunger, Durst, Erschöpfung und Angst ertragen. Er selbst mußte das schlechte Essen und das brackige Wasser zu sich nehmen. Und er selbst mußte die Probleme der schwierigen Route bewältigen, die Crompton mühsam gelöst hatte, während Loomis nicht darauf achtete.