Выбрать главу

»Wie lange muß er sitzen?« fragte Crompton.

»Nur ein paar Stunden.«

»Kann ich mit ihm sprechen?«

»Nein.«

»Kann ich ihn sprechen, wenn er herauskommt?«

»Sicher«, erwiderte Tyler, »aber ich bezweifle, ob er Ihnen Antwort gibt.«

»Warum?«

Der Sheriff grinste schief. »Stack sitzt deswegen nur ein paar Stunden im Gefängnis, weil wir ihn heute nachmittag herausholen und aufhängen. Nach dieser Arbeit können Sie sich mit ihm unterhalten, solange Sie wollen. Aber wie gesagt, ich bezweifle, ob Sie da Antwort bekommen.«

Crompton war zu erschöpft, um die Wucht dieses Schlages voll zu spüren. »Was hat Stack getan?« fragte er.

»Er hat einen Mord auf dem Gewissen.«

»An einem Eingeborenen?«

»Nein, zum Teufel«, sagte Tyler angewidert. »Wer schert sich um die Eingeborenen? Stack hat einen Mann namens Barton Finch umgebracht. Seinen eigenen Partner. Finch ist zwar noch nicht tot, aber er liegt im Sterben. Doc meint, daß er den Tag nicht überlebt, und damit ist es Mord. Stack ist auf rechtmäßige Weise von einer aus den Einwohnern gebildeten Jury für schuldig befunden worden, Barton Finch getötet, Billy Redburn ein Bein, Rli Talbot zwei Rippen gebrochen, Moriartys Kneipe demoliert und ganz allgemein den Landfrieden gestört zu haben. Der Richter - das bin ich - sprach das Urteiclass="underline" Tod durch Erhängen, so schnell wie möglich. Also heute nachmittag, wenn die Leute von der Arbeit am neuen Damm zurückkommen.« »Wann hat die Verhandlung stattgefunden?« fragte Crompton.

»Heute früh.«

»Und wann war der Mord?«

»Ungefähr drei Stunden vor der Verhandlung.«

»Schnelle Arbeit«, meinte Crompton.

»Hier in Blood Delta wird keine Zeit verschwendet«, erklärte Tyler stolz.

»Das sieht man«, sagte Crompton. »Ihr hängt sogar einen Mann, bevor sein Opfer tot ist.«

»Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, daß er im Sterben liegt«, erwiderte Tyler. Seine Augen verengten sich. »Ich würde Ihnen raten, ein bißchen vorsichtiger zu sein. Wenn Sie die Rechtsprechung in Blood Delta angreifen, kann das allerhand Ärger geben. Wir brauchen keine komplizierten Juristenmätzchen, um >gut< von >böse< zu unterscheiden.«

Loomis flüsterte Crompton zu: »Halt den Mund und laß uns verschwinden.«

Crompton beachtete ihn nicht. »Mr. Tyler, Dan Stack ist mein Halbbruder«, sagte er.

»Pech für Sie«, brummte Tyler.

»Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn ich ihn kurz sehen könnte. Nur für fünf Minuten. Damit ich ihm einen letzten Gruß seiner Mutter überbringen kann.«

»Ausgeschlossen«, sagte der Sheriff.

Crompton kramte in seiner Tasche und holte ein Bündel schmutziger Geldscheine hervor. »Nur zwei Minuten.«

»Na ja. Vielleicht läßt sich doch - verdammt!«

Crompton folgte Tylers Blick. Eine Gruppe von Männern kam die staubige Straße herauf.

»Hier sind die Jungs«, sagte Tyler. »Jetzt geht es nicht mehr, selbst wenn ich wollte. Aber Sie können wohl beim Hängen zusehen.«

Crompton trat zurück, um Platz zu machen. Die Gruppe bestand aus mindestens fünfzig Männern, und dahinter tauchten immer wieder Nachzügler auf. Überwiegend waren es hagere, ledrige, verbissene Männer. Die meisten trugen Gewehre oder Revolver bei sich. Sie berieten sich kurz mit dem Sheriff.

»Mach keine Dummheiten«, warnte Loomis.

»Ich kann ja überhaupt nichts tun«, sagte Crompton.

Sheriff Tyler öffnete das Scheunentor. Ein paar Männer gingen hinein und zerrten den Gefangenen heraus. Crompton konnte nicht erkennen, wie er aussah, da sich sofort die ganze Menge um ihn drängte.

Man brachte den Mann aus der Stadt hinaus zu einem Baum, an dessen kräftigstem Ast ein Strick baumelte.

»Hinauf mit ihm!« schrie die Menge.

»Jungs!« hörte man die gedämpfte Stimme Stacks. »Laßt mich reden!«

»Macht endlich Schluß!« rief ein Mann. »Hinauf mit ihm!«

»Meine letzten Worte!« kreischte Stack.

Der Sheriff rief plötzlich: »Laßt ihn reden, Jungs. Es steht ihm zu. Los, Stack, aber ganz kurz nur.«

Sie hatten Dan Stack auf einen Karren gestellt; die Schlinge lag bereits um seinen Hals, das lose Strickende wurde von einem Dutzend Hände gehalten. Endlich konnte Crompton ihn sehen. Fasziniert starrte er sein langgesuchtes drittes Ich an.

Dan Stack war ein großer, muskulöser Mann. Sein grobes, zerfurchtes Gesicht zeigte die Spuren von Leidenschaft und Haß, Furcht und plötzlicher Gewalt, geheimer Trauer und geheimen Lastern. Er hatte breite, geblähte Nasenflügel, einen dicklippigen Mund, gesunde, blitzende Zähne und schmale, hinterhältig wirkende Augen. Struppiges, schwarzes Haar hing in seine gerötete Stirn, und seine flammenden Wangen bedeckten dunkle Bartstoppeln. Sein Gesicht verriet das cholerische Temperament der Luft, hervorgerufen durch zuviel heiße, gelbe Galle, die einen Mann schnell in Wut brachte und ihm die Beherrschung raubte.

Stack starrte zum glühend-weißen Himmel empor. Langsam senkte er den Kopf, und die bronzene Manschette an seinem rechten Stumpf schimmerte rötlich.

»Jungs, ich habe in meinem Leben viel Böses getan.«

»Das erzählst du ausgerechnet uns?« rief jemand.

»Ich war ein Lügner und Betrüger«, schrie Stack. »Ich habe das Mädchen geschlagen, das ich lieb hatte. Ich wollte wehtun. Ich habe meine eigenen Eltern bestohlen. Ich habe die unglücklichen Eingeborenen dieses Planeten getötet. Jungs, ich habe kein gutes Leben geführt!«

Die Menge belachte seine weinerliche Rede.

»Aber ihr sollt wissen«, brüllte Stack, »ihr sollt wissen, daß ich mit meiner sündigen Natur gekämpft und versucht habe, sie niederzuringen. Ich habe mit dem Teufel in meiner Seele gerauft und alles in den Kampf geworfen, was ich an Kraft hatte. Ich trat bei den Vigilanten ein, und zwei Jahre lang war ich so anständig, wie man es nur sein kann. Dann packte mich wieder der Wahnsinn, und ich begann zu töten.«

»Bist du jetzt fertig?« fragte der Sheriff.

»Aber ihr sollt das eine wissen«, kreischte Stack mit weit aufgerissenen Augen. »Ich gebe die Schlechtigkeiten zu, die ich verbrochen habe, ich gebe sie voll und ganz zu. Aber Jungs, ich habe Barton Finch nicht umgebracht!«

»Gut«, sagte der Sheriff. »Wenn du jetzt fertig bist, können wir wohl weitermachen.«

»Hört mich an!« brüllte Stack. »Finch war mein Freund, mein einziger Freund auf der ganzen Welt! Ich versuchte ihm zu helfen, ich habe ihn ein bißchen geschüttelt, damit er zu sich kommen sollte. Und als es nicht klappte, verlor ich den Kopf und zerschlug Moriartys Kneipe und ein paar von den Jungs die Knochen. Aber vor Gott schwöre ich, daß ich Finch kein Haar gekrümmt habe!«

»Bist du fertig?« fragte der Sheriff.

Stack öffnete den Mund, machte ihn wieder zu und nickte.

»Dann los, Leute«, befahl der Sheriff. »Fangen wir an!«

Ein paar Männer schoben den Karren an, auf dem Stack stand. Und Stack, dem hoffnungslose Verzweiflung im Gesicht geschrieben stand, erblickte Crompton.

Und erkannte ihn.

Loomis redete hastig auf Crompton ein. »Paß auf, sei vorsichtig, unternimm nichts, glaube ihm nicht, schau dir doch sein Leben an, erinnere dich an seine Taten, er wird uns ruinieren, in Stücke zerreißen. Er dominiert, er ist gewaltsam, er ist ein Mörder, er ist schlecht.«

Crompton erinnerte sich im Bruchteil einer Sekunde an Dr. Berrengers Ansicht über seine Aussichten auf eine erfolgreiche Reintegrierung.

>Irrsinn - oder Schlimmeres...<

»Völlig verdorben«, sagte Loomis, »schlecht, wertlos, ganz und gar hoffnungslos!«

Aber Stack war ein Teil von ihm! Auch Stack sehnte sich nach der Selbstüberwindung, hatte um Selbstbeherrschung gekämpft, war unterlegen und hatte es wieder versucht. Für Stack mußte es noch Hoffnung geben, wie es sie für Loomis und ihn gab.