Die meisten Leute gleiten mit der Geschicklichkeit jagender Panther durch den Dschungel menschlichen Daseins. Für die Perceverals ist dieser Dschungel jedoch mit Fallen, Schlingen, Gruben, mit plötzlichen Abstürzen und unüberschreitbaren Strömen, mit tödlichen Gewächsen und lebensbedrohenden Bestien durchsetzt. Kein Weg ist sicher. Alle Straßen führen ins Unglück.
Der junge Perceveral schlug sich durchs College, trotz seines bemerkenswerten Talents, sich auf Wendeltreppen das Bein zu brechen, am Randstein den Knöchel zu verstauchen, seine Ellenbogen in Drehtüren einzuklemmen, seine Brille an Schaufenstern zu zertrümmern, und was zu diesen traurigen, lächerlichen, schmerzhaften Vorfällen noch gehört. Mannhaft widerstand er den Tröstungen, die das Hypochondertum bietet, und strengte sich weiterhin an.
Nach dem Universitätsexamen nahm sich Perceveral zusammen und versuchte, dem frühen, klaren Hoffnungsthema zum Durchbruch zu verhelfen, das seine Eltern angeschlagen hatten. Mit Trommelwirbel und Saitenklang begab sich Perceveral auf die Insel Manhattan, seines Schicksals Schmied zu sein. Er arbeitete hart daran, seine unglückliche Veranlagung zu überwinden und trotz aller Mißlichkeiten fröhlich und optimistisch zu bleiben.
Aber seine Veranlagung setzte sich durch. Der edle Saitenklang erstarb in schrillen Dissonanzen, und die Symphonie seines Lebens entartete zur komischen Oper. Perceveral verlor Stellung um Stellung in einem Chaos geborstener Lautschreiber, verschmierter Verträge, vergessener Karteikarten und verlegter Tabellen; in einem sich steigernden Crescendo gebrochener Rippen im Stoßverkehr der U-Bahn, verrenkter Knöchel, zerschmetterter Brillen und einem Sammelsurium von Krankheiten, in dem Hepatitis Typ J, Venusinfluenza, Wachkrankheit und Kicherfieber besondere Erwähnung verdienen.
Perceveral widerstand immer noch den Lockungen der Hypochondrie. Er träumte vom Weltraum, von den eisenharten Abenteurern, die daran waren, die Grenze des Menschen immer weiter hinauszuschieben, von neuen Niederlassungen auf fernen Planeten, von riesigen Gebieten unbesiedelten Landes, wo ein Mann, fernab des hektischen Kunststoffdschungels der Erde, sich wiederzufinden vermochte.
Er bewarb sich beim Amt für planetarische Forschung und Erschließung und wurde abgewiesen. Widerstrebend schob er den Traum beiseite und versuchte sich in zahlreichen Berufen. Er unterzog sich der Psychoanalyse, Hypnosuggestion, hypnotischer Hypersuggestion und Gegensuggestionsbeseitigung - ohne Erfolg.
Jeder Mensch hat seine Grenzen, jede Symphonie ihr Ende. Perceveral gab jede Hoffnung im Alter von vierunddreißig Jahren auf, als er nach drei Tagen eine Stellung verlor, hinter der er zwei Monate hergewesen war. Soweit es ihn anging, lieferte das den abschließenden, verstimmten Beckenschlag einer Komposition, die eigentlich niemals hätte aufgeführt werden dürfen.
Grimmig nahm er seine magere Lohntüte in Empfang, ließ sich von seinem gewesenen Arbeitgeber voller Vorsicht noch einmal die Hand drücken und fuhr mit dem Aufzug ins Vestibül hinunter. Schon zogen undeutliche Gedanken an Selbstmord in Form von Lastwagenrädern, Gasleitungen, Hochhäusern und schnell dahinfließenden Strömen an seinem inneren Auge vorbei.
Der Lift erreichte die große Marmorvorhalle mit ihren uniformierten Bereitschaftspolizisten und den dichtgedrängten Menschen, die darauf warteten, in die Straßen der Innenstadt hinausgelassen zu werden. Perceveral stellte sich in die Reihe und beobachtete müßig den Bevölkerungsdichtemesser, bis der Zeiger unter die Paniklinie sank, und er hinaus durfte. Draußen gesellte er sich zu einer riesigen Menge, die westwärts in Richtung seiner Wohngegend drängte.
Selbstmordgedanken zogen weiterhin durch sein Gehirn, langsamer jetzt, klarere Umrisse annehmend. Bis er seine Wohnung erreichte, überdachte er Methoden und Wege. Dort löste er sich aus der Menge und schlüpfte durch einen Einlaß hinein.
Er kämpfte gegen einen Strom von Kindern in den Korridoren und gelangte schließlich zu seinem von der Stadt zur Verfügung gestellten Einzelraum. Er trat ein, schloß die Tür, sperrte sie ab und nahm eine Rasierklinge aus dem Necessaire. Dann legte er sich auf sein Bett, stemmte die Füße an die gegenüberliegende Wand und betrachtete die bläulichen Adern seines Handgelenks.
Konnte er es tun? Konnte er es sauber und schnell vollbringen, ohne Fehler, ohne Bedauern? Oder würde er auch hier pfuschen, schreiend ins Krankenhaus eingeliefert werden, ein lächerlicher Anblick, zum Amüsement der Pfleger?
Während er nachdachte, wurde ein gelber Briefumschlag unter seiner Tür durchgeschoben. Es war ein Telegramm, exakt in der Stunde der Entscheidung mit einer melodramatischen Plötzlichkeit angeliefert, die Perceveral recht verdächtig vorkam. Trotzdem legte er die Rasierklinge weg und hob den Umschlag auf.
Er kam vom Amt für planetarische Forschung und Erschließung, von jener großen Organisation, die über jeden Schritt der Menschen im Weltraum entschied. Mit zitternden Fingern öffnete Perceveral den Umschlag und las:
>Mr. Anton Perceveral
Wohnungsprojekt 1993
Bezirk 43825, Manhattan 212, New York.
Lieber Mr. Perceveral,
vor drei Jahren haben Sie sich bei uns um irgendeine Stellung außerhalb der Erde beworben. Bedauerlicherweise mußten wir Sie damals abschlägig verbesche-iden. Ihre Unterlagen blieben jedoch in unserer Kartei; sie sind vor kurzem auf den heutigen Stand gebracht worden. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, daß eine Stellung für Sie vorhanden ist, die ich Ihren besonderen Talenten und Qualifikationen für angemessen halte. Ich glaube, daß der Posten Ihren Ansprüchen gerecht werden wird, zumal ein Jahresgehalt von 20 000 Dollar nebst Zusatzprämien damit verbunden ist und unübertroffene Aufstiegsmöglichkeiten bestehen. Hätten Sie die Freundlichkeit, mich aufzusuchen, damit wir alles Nähere besprechen können?
Mit vorz üglicher Hochachtung
William Haskell stellv. Personaldirektor
WH/ibm3dc<
Perceveral faltete das Telegramm sorgfältig zusammen und steckte es wieder in den Umschlag. Das erste Gefühl überschwenglicher Freude verschwand, wurde ersetzt durch quälende Besorgnis.
Welche Talente und Qualifikationen besaß er für eine Aufgabe, die im Jahr mit Zwanzigtausend plus zusätzlichen Prämien bezahlt wurde? Verwechselte man ihn mit einem anderen Anton Perceveral?
Das war höchst unwahrscheinlich. Dem Amt unterliefen solche Fehler einfach nicht. Angenommen also, man kannte ihn und seine unselige Vergangenheit - was konnte man dann von ihm wollen? Was vermochte er zu vollbringen, das nicht beinahe jeder Mann, jede Frau, ja jedes Kind besser zu machen imstande war?
Perceveral steckte das Telegramm in die Tasche und legte die Rasierklinge wieder in das Necessaire zurück. Ein Selbstmord war jetzt wohl ein bißchen voreilig. Zuerst wollte er erfahren, was Haskell vorhatte.
Perceveral wurde in der Zentrale des Amts für planetarische Forschung und Erschließung sofort in William Haskells Privatbüro geführt. Der stellvertretende Personaldirektor war ein massiger, weißhaariger Mann, der eine Perceveral sehr verdächtig erscheinende Herzlichkeit ausstrahlte.
»Nehmen Sie Platz, Mr. Perceveral«, sagte Haskell. »Zigarette? Etwas zu trinken? Freut mich sehr, daß Sie gekommen sind.«
»Wissen Sie ganz genau, daß Sie den richtigen Mann verständigt haben?« fragte Perceveral.
Haskell schlug die auf dem Schreibtisch liegende Akte auf. »Wollen mal sehen. Anton Perceveral, vierunddreißig Jahre alt, Eltern: Gregory James Perceveral und Anita, geborene Swaans aus Laketown, New Jersey. Stimmt das?«
»Allerdings«, erwiderte Perceveral. »Und Sie haben eine Stellung für mich?«
»Gewiß.«
»Mit Zwanzigtausend plus Prämien pro Jahr?«