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Er hatte auf diese beiden Fallen gezählt. Jetzt war nur noch eine übrig. Eine sehr gute zwar, aber ihre Verwendung brachte ein gewisses Risiko mit sich.

Perceveral zwang sich trotz des zunehmenden Schwindelgefühls zur Konzentration. Die letzte Falle verlangte präzise Berechnung. Er kam an einem mit weißer Farbe markierten Stein vorbei und schaltete seine Lampe ab. Er begann seine Schritte zu zählen, wurde langsamer, bis sich der Roboter unmittelbar hinter ihm befand, die stählernen Finger nur noch Zentimeter von seinem Hals entfernt waren.

Achtzehn - neunzehn - zwanzig!

Nach dem zwanzigsten Schritt warf sich Perceveral kopfüber in das Dunkel. Sekundenlang schien er zu schweben. Dann tauchte er ins Wasser, kam wieder hoch und wartete.

Der Roboter war so knapp hinter ihm gewesen, daß er nicht mehr rechtzeitig anhalten konnte. Eine gewaltige Fontäne spritzte hoch, als er in den Untergrundsee stürzte; ein paar Augenblicke platschte es heftig, dann sprudelten Luftbläschen, als der massive Roboter langsam in die Tiefe sank.

Als Perceveral das hörte, schwamm er zum gegenüberliegenden Ufer. Er schaffte es und zog sich aus dem eiskalten Wasser. Minutenlang lag er zitternd auf den schmierigen Felsblöcken. Dann schleppte er sich auf Händen und Füßen zu einem Versteck, wo er Brennholz, Streichhölzer, Whisky, Decken und trockene Kleidung hinterlegt hatte.

Während der nächsten Stunden trocknete sich Perceveral ab, zog sich um und entzündete ein kleines Feuer. Er aß und trank und beobachtete die unbewegte Oberfläche des Sees. Tage zuvor hatte er ihn mit einer dreißig Meter langen Schnur ausgelotet und war nirgends auf Grund gestoßen. Vielleicht war der See unergründlich. Wahrscheinlich nährte er jedoch einen reißenden unterirdischen Fluß, der den Roboter Wochen und Monate lang mit sich schleppen würde. Vielleicht.

Er hörte ein schwaches Geräusch im Wasser und leuchtete mit seiner Stablampe hinüber. Der Schädel des Roboters tauchte auf, gefolgt von Schultern und Rumpf.

Der See war also keineswegs unergründlich. Der Roboter mußte am Grund entlanggelaufen und den steilen Abhang hinaufgestiegen sein.

Der Roboter kletterte über die schmierigen Felsblöcke am Ufer. Perceveral raffte sich müde auf und begann zu laufen.

Die letzte Falle hatte versagt, und nun setzte seine Neurose zum Todesstoß an. Perceveral rannte auf eine Tunnelmündung zu. Er wollte das Ende draußen im Sonnenlicht auf sich nehmen.

Im mühsamen Trab lief Perceveral vor dem Roboter ins Freie, einen steilen Berghang hinauf. Sein Atem brannte in der Kehle, die Magenmuskeln hatten sich verkrampft. Er lief mit halbgeschlossenen Augen, schwindelig vor Erschöpfung.

Seine Fallen hatten versagt. Warum war ihm nicht früher klar geworden, daß sie versagen mußten? Der Roboter war ein Teil seines Ichs, seine eigene Neurose, die ihn vernichten wollte. Und wie kann jemand den raffiniertesten Teil seines Selbst täuschen? Die rechte Hand weiß immer, was die linke tut.

Er hatte das Problem von der falschen Seite her angepackt, dachte Perceveral, als er sich den Hang hinaufquälte. Der Weg zur Freiheit führt nicht über den Betrug. Er.

Der Roboter griff nach seiner Ferse und erinnerte Perceveral damit an den Unterschied zwischen theoretischer Erkenntnis und praktischem Wissen. Er riß sich los und bewarf den Roboter mit Steinen. Die Maschine wehrte die Geschosse ab und stieg weiter nach oben.

Perceveral stieg schräg am Felshang hinauf. Der Weg zur Freiheit führt nicht über den Betrug, sagte er sich. Daraus konnte sich nur der Mißerfolg ergeben. Den Ausweg zeigt nur der Wandel! Den Ausweg bringt nur die Überwindung, nicht des Roboters, sondern dessen, was er darstellte.

Ihn selbst!

Er fühlte sich seltsam leicht, seine Gedanken strömten ungehindert. Wenn er das Gefühl der Verwandtschaft mit dem Roboter überwinden konnte - dann war auch der Roboter nicht mehr seine Neurose! Er stellte dann einfach irgendeine Neurose dar, ohne Gewalt über Perceveral zu haben.

Er brauchte nichts anderes zu tun, als seine Neurose loszuwerden - wenigstens für zehn Minuten - und der Roboter konnte ihm nichts anhaben!

Seine Erschöpfung war wie weggeblasen, unbändige, berauschende Zuversicht erfüllte ihn. Kühn sprintete er durch ein Gewirr von Felsblöcken und Geröll, ein Gelände, das geradezu nach einem verrenkten Knöchel, einem gebrochenen Unterschenkel verlangte. Ein Jahr zuvor, ja noch vor einem Monat wäre er unweigerlich schwer gestürzt. Aber der gewandte Perceveral überwand mit den Schritten eines jungen Gottes den felsigen Grund ohne Mißgeschick. Der einarmige, einäugige Roboter nahm verbissen den Unfall auf sich. Er stolperte und stürzte der Länge nach auf die scharfkantigen Felsblöcke. Als er sich wieder aufraffte und die Jagd fortsetzte, hinkte er.

Zur Gänze berauscht, aber sehr aufmerksam, gelangte Perceveral zu einer Felswand und sprang hoch, auf ein Fleckchen für seinen Griff zielend, das nicht mehr als ein winziger, grauer Schatten war. Eine bange Sekunde lang hing er buchstäblich in der Luft. Als seine Finger abzurutschen begannen, fanden seine Füße eine Stütze. Ohne jedes Zögern zog er sich an der granitenen Wand hoch.

Der Roboter folgte ihm mit trockenen, knarrenden Gelenken. Er verbog sich beim Aufstieg einen Finger.

Perceveral sprang von Felsblock zu Felsblock. Der Roboter stürmte hinter ihm drein, rutschend und stolpernd, aber langsam an Boden gewinnend. Perceveral scherte sich nicht darum. Der Gedanke überfiel ihn, daß die ganzen Jahre seines Hangs zu Unfällen auf diesen einen Augenblick ausgerichtet waren. Das Blatt hatte sich gewendet. Er war endlich, wozu ihn die Natur hatte machen wollen - ein vor Unfällen gefeiter Mann!

Der Roboter kroch an der weißen Felswand hinter ihm nach. Perceveral, der trunken war vor Selbstbewußtsein, stemmte sich gegen Felsblöcke und stieß einen Schrei aus, um eine Lawine zu erzeugen.

Das Geröll kam ins Rutschen, und über sich hörte er ein dumpfes Grollen. Er schlug einen Haken, wich dem ausgestreckten Arm des Roboters aus und - hatte sich jeden Rückzug verbaut.

Er stand in einer kleinen, schmalen Höhle, der Roboter ragte vor ihm empor, den Eingang blockierend, und holte mit seiner stählernen Faust aus.

Perceveral brach beim Anblick des armen, ungeschickten Roboters in Gelächter aus. Dann schoß die Faust des Roboters mit voller Wucht nach vorn.

Perceveral duckte sich, aber es wäre gar nicht nötig gewesen. Der ungeschickte Roboter verfehlte mindestens um einen Zentimeter. Genau jene Art von Fehler, wie Perceveral sie bei diesem lächerlichen, tölpelhaften Roboter erwartet hatte.

Die Wucht des Schlages riß den Roboter herum. Er ruderte mit den Armen, versuchte am Rand der steilen Wand sein Gleichgewicht zu halten. Jeder normale Mensch oder Roboter hätte es halten können. Aber nicht dieser zu Unfällen neigende Dummkopf. Er fiel auf sein Gesicht, zerschmetterte seine zweite Sehzelle und begann hinabzurollen.

Perceveral beugte sich vor und versetzte ihm noch einen Stoß, um das Tempo zu beschleunigen, dann zog er sich wieder in die kleine Nische zurück. Die Geröllawine vollendete das Werk für ihn, trieb einen immer kleiner werdenden schwarzen Punkt den Berg hinunter und begrub ihn schließlich unter tonnenschwerem Gestein.

Perceveral lachte in sich hinein, während er dies alles beobachtete. Dann begann er sich zu fragen, was er eigentlich getan hatte.

Und da fing er zu zittern an.

Monate später stand Perceveral vor der Ausstiegrampe des Kolonisieriungsschiffs >Cuchulain< und sah zu, wie die Kolonisten in den Wintersonnenschein Thetas hinaustraten. Es gab alle möglichen Typen und Gestalten.

Sie waren nach Theta gekommen, um die Chance zu einem neuen Leben zu erhalten. Jeder einzelne von ihnen war zumindest sich selbst wichtig, und jeder verdiente eine Überlebenschance, ungeachtet seiner Begabung.

Und er, Anton Perceveral, hatte die Minimalbedingungen für diese Menschen erforscht; er hatte selbst den Unfähigsten ein gewisses Maß an Hoffnung und Aussichten gegeben.