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»Nun, das mit dem Generalinspekteur«, sagte einer. »Ein bißchen schwierig jetzt. Sehen Sie -«

Unnötig zu sagen, daß ich den G.I. nicht zu Gesicht bekam. Man brachte mich zu einem großen, massigen, freundlichen alten Hauptfeldwebel. Das war einer von den verständigen Burschen, die sich mit dir unterhalten und alles in Ordnung bringen. Aber ich tat diesmal nicht mit.

»Na, na, Gefreiter«, sagte der freundliche, alte Spieß. »Was höre ich da? Sie regen sich darüber auf, daß man Sie wieder lebendig gemacht hat?«

»Sie haben richtig gehört«, erwiderte ich. »Selbst ein einfacher Soldat hat seine Rechte. So hat man es mir beigebracht.«

»Das stimmt auch«, sagte der freundliche alte Spieß.

»Ich habe meine Pflicht getan«, fuhr ich fort. »Siebzehn Jahre in der Armee, acht Jahre Frontdienst. Dreimal gefallen, dreimal ins Leben zurückgerufen. In den Anweisungen steht, daß man nach dem dritten Mal den Tod verlangen kann. Das habe ich getan, und es steht auf meiner Hundemarke. Aber man hat mich nicht tot sein lassen. Diese verdammten Ärzte haben mich wieder lebendig gemacht, und das ist nicht fair. Ich will tot bleiben.«

»Es ist doch viel besser, am Leben zu sein«, meinte der Spieß. »Solange man lebt, hat man immer noch die Chance, daß man vom Frontdienst abgezogen wird. Wegen der Mannschaftsknappheit geht das nicht schnell genug. Aber die Chance ist da.«

»Ich weiß«, sagte ich. »Aber ich glaube, daß ich trotzdem lieber tot sein will.«

»Ich kann Ihnen versprechen, daß Sie in sechs Monaten oder so -«

»Ich will tot sein«, sagte ich fest. »Nach dem dritten Mal steht mir das auf Grund der Kriegsvorschriften zu.«

»Selbstverständlich«, erwiderte der alte Spieß lächelnd. »Aber im Krieg passieren eben Fehler. Vor allem in einem Krieg wie diesem.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich kann mich noch an den Anfang erinnern. Es sah wirklich zuerst nach einem Druckknopfkrieg aus. Aber die Roten hatten ebenso wie wir ein Arsenal von AntiraketenRaketen, und damit konnte keiner aus dem Atompatt heraus. Die Erfindung des Atomentschärfers brachte die Entscheidung. Von da wurde der Krieg zu einer reinen Infanterieangelegenheit.«

»Ich weiß, ich weiß.«

»Aber unsere Feinde waren zahlenmäßig überlegen«, fuhr der freundliche alte Spieß fort. »Sie sind es immer noch. Millionen und Abermillionen Russen und Chinesen! Wir brauchten mehr Frontsoldaten. Wir mußten zumindest unsere Stellungen halten. Deswegen begannen die Ärzte, unsere Toten wieder lebendig zu machen.«

»Das weiß ich doch alles selbst. Hören Sie, ich möchte auch, daß wir gewinnen. Ich wünsche es sehnlichst. Ich bin ein guter Soldat gewesen. Aber ich bin dreimal gefallen, und -«

»Das Dumme ist nur«, erklärte der Spieß, »daß die Roten ihre Leute auch ins Leben zurückrufen. Die Auseinandersetzung um die verfügbaren Streitkräfte tritt gerade jetzt in ein entscheidendes Stadium. In den nächsten Monaten wird sich herausstellen, wer die Oberhand behält. Warum lassen wir die ganze Sache nicht auf sich beruhen? Wenn Sie beim nächstenmal fallen, sorge ich dafür, daß man Sie in Ruhe läßt. Betrachten wir die Geschichte als erledigt.«

»Ich will den Generalinspekteur sprechen«, sagte ich.

»Na schön, Gefreiter«, knurrte der freundliche alte Spieß in unfreundlichem Ton. »Melden Sie sich auf Zimmer 303.«

Ich ging nach 303, eine Art Vorraum, und wartete. Mir schlug ein wenig das Gewissen, weil ich soviel Stunk machte. Schließlich war ja immerhin Krieg. Aber ich war auch wütend. Ein Soldat hatte seine Rechte, selbst im Krieg. Diese verdammten Brahmanen.

Merkwürdig, wie sie zu ihrem Namen gekommen sind. Sie sind bloß Ärzte, keine Hindus oder wirkliche Brahmanen, oder so etwas Ähnliches. Sie haben den Namen durch einen Zeitungsartikel angehängt bekommen, der vor ein paar Jahren erschien, als das alles noch neu war. Der Mann, der diesen Artikel geschrieben hatte, berichtete davon, daß die Ärzte jetzt Tote wieder zum Leben erwecken und kampffähig machen konnten. Damals war das eben eine Sensation. Der Journalist zitierte ein Gedicht von Emerson. Es beginnt so ->Wenn der rote Mörder zu töten meint oder der Tote sich ermordet glaubt bleibt ihnen das Geheimnis verborgen.

Ich verharre, zieh vorbei, ich wende mich.<

So standen die Dinge. Wenn man einen Mann tötete, wußte man nicht, ob er bei den Toten blieb oder am nächsten Tag auf einen schoß. Und man wußte nicht, ob man bei den Toten bleiben würde, wenn man fiel. Emersons Gedicht hieß >Brahma<, also nannte man unsere Ärzte Brahmanen.

Am Anfang war es nicht so schlimm, wenn man wieder zum Leben erweckt wurde. Selbst mit den Schmerzen freute man sich, am Leben zu sein. Aber man kam soweit, daß man es müde wurde, umgebracht und wieder ins Leben zurückgerufen werden zu müssen, zu fallen und immer wieder aufzuerstehen. Man begann sich zu fragen, wie viele Tode man seinem Land schuldete, und ob es nicht angenehm und friedlich sein müßte, einmal eine Weile tot zu sein. Man sehnte sich nach dem langen Schlaf.

Die Verantwortlichen begriffen das. Wenn man zu oft zum Leben erweckt wurde, wirkte sich das schlecht auf die Kampfmoral aus. Drei Wiederbelebungsversuche wurden daher als Höchstgrenze festgesetzt. Nach dem dritten Mal konnte man Ablösung oder endgültig den Tod verlangen. Die Vorgesetzten sahen es lieber, wenn man den Tod wählte; ein Mann, der dreimal tot gewesen ist, übt einen schlechten Einfluß auf die Stimmung der Zivilbevölkerung aus. Die meisten Frontsoldaten zogen es nach dem dritten Mal vor, bei den Toten zu bleiben. Aber man hatte mich betrogen. Ich war ein viertes Mal zum Leben erweckt worden. Ich stehe an Patriotismus keinem nach, aber das ließ ich mir nicht bieten.

Endlich ließ man mich zum Adjutanten des G.I. vor. Er war Oberst, hager, grauhaarig, streng. Man hatte ihm bereits über meinen Fall Meldung erstattet, und er verschwendete keine Zeit mit mir. Das Gespräch war kurz.

»Gefreiter«, sagte er, »es tut mir leid, aber inzwischen sind neue Anweisungen ergangen. Die Roten haben ihre Wiederbelebungsversuchsrate erhöht, und wir müssen gleichziehen. Der Befehl lautet jetzt auf sechs Wiedererweckungen vor einem endgültigen Ausscheiden.«

»Als ich getötet wurde, lag dieser Befehl noch gar nicht vor.«

»Er gilt rückwirkend«, erwiderte er. »Sie haben noch zwei Tode vor sich. Auf Wiedersehen und viel Glück, Gefreiter.«

Und das war's. Ich hätte eigentlich wissen müssen, daß man bei den hohen Tieren nichts erreicht. Sie wissen nicht, was gespielt wird. Sie werden selten mehr als einmal getötet, also können sie sich nicht vorstellen, wie sich einer nach dem vierten Mal fühlt. Ich kehrte in meinen Schützengraben zurück.

Ich ging langsam vorbei am vergifteten Stacheldraht und dachte angestrengt nach. Ich kam an einem Objekt vorbei, das mit Zeltplanen bedeckt war. Die Aufschrift lautete: >Geheimwaf-fe<. Unser Gebiet ist voll von Geheimwaffen. Jede Woche trifft eine neue ein, und vielleicht gewinnt eine davon mal den Krieg.

Aber im Augenblick war mir das gleichgültig. Ich dachte an die nächste Strophe von Emersons Gedicht. Sie lautet:

>Fern und Vergessen ist mir nah;

Schatten und Licht der Sonne eins;

Mir erscheinen versunkne Götter;

Ruhm und Schande trenn ich nicht.<

Der alte Emerson hat das sehr gut erfaßt, denn genauso geht es einem nach dem vierten Tod. Nichts spielt mehr eine Rolle, und alles scheint so ziemlich ein und dasselbe zu sein. Ich will damit nur sagen, daß sich der Standpunkt eines Menschen ändert, wenn er viermal gestorben ist.

Endlich erreichte ich den guten alten Graben 2645B - 4 und begrüßte die Kameraden. Ich erfuhr, daß wir im Morgengrauen wieder angreifen würden. Ich dachte immer noch nach.

Ich bin kein Drückeberger, aber ich sagte mir, daß viermal nun wirklich genug sei. Ich beschloß bei diesem Angriff sicherzustellen, daß ich bei den Toten bleiben durfte. Diesmal würde es keinen Irrtum mehr geben.