Er durfte den linken Knöchel nicht belasten. Der Schmerz in seiner linken Schulter tobte noch ärger. Der Ast mußte einen Knochen gesplittert haben, sagte er sich. Er benützte einen herumliegenden, dünneren Zweig als Krücke und hinkte weiter.
Mehrmals griffen die Hunde an. Er desintegrierte sie, und die Waffe lag immer schwerer in seiner Rechten. Die Aasgeier stießen herab, um die zerschnittenen Hundeleiber zu zerfetzen. Dixon spürte, wie es langsam dunkel um ihn wurde. Er kämpfte dagegen an. Er durfte jetzt nicht das Bewußtsein verlieren, solange ihn die Hunde umringten.
Das Raumschiff tauchte auf. Er begann schwerfällig zu laufen, stürzte aber sofort. Die Hunde sprangen ihn an.
Er schoß, trennte sie in der Mitte auseinander und traf dabei auch ein Stück seines Stiefels. Er raffte sich auf und quälte sich vorwärts.
Eine tolle Waffe. Gefährlich sogar für den Schützen. Er hätte jetzt gerne einen der Erfinder vor dem Korn gehabt.
Wie konnte man nur eine Pistole ohne Knall erfinden!
Er erreichte das Schiff. Die Hunde umringten ihn, als er sich mit der Luftschleuse abmühte. Dixon vernichtete die beiden am weitesten herangekommenen Tiere und taumelte ins Innere seines Raumschiffs. Wieder drohte sich das Dunkel um ihn zu schließen. Übelkeit stieg in ihm hoch.
Mit letzter Kraft warf er die Schleusentür zu und ließ sich in einen Sessel fallen. Endlich in Sicherheit!
Dann hörte er das leise Knurren.
Er hatte einen der Hunde mit sich eingeschlossen.
Sein Arm war zu schwach, die schwere Waffe hochzuheben, aber langsam schaffte er es. Der Hund, in der Düsternis nur undeutlich zu erkennen, sprang ihn an.
Einen furchtbaren Augenblick lang glaubte Dixon, nicht abdrücken zu können. Der Hund zielte nach seiner Kehle. In einer Reflexbewegung mußte seine Hand den Abzug betätigt haben.
Der Hund heulte kurz auf, wurde still.
Dixon verlor das Bewußtsein.
Als er wieder zu sich kam, lag er lange Zeit da und genoß das herrliche Gefühl des Lebendigseins. Er gedachte sich ein paar Minuten auszuruhen. Dann würde er hier verschwinden, die fremden Planeten verlassen, zurück nach Terra fliegen, eine Bar aufsuchen. Er würde sich sinnlos besaufen. Dann würde er den Erfinder suchen und ihm die Waffe quer durch die Gurgel hinuntertreiben.
Nur ein Wahnsinniger konnte eine Waffe ohne Knall erfinden.
Aber das für später. Jetzt war es ein reines Vergnügen, am Leben zu sein, in der Sonne zu liegen, sich zu freuen.
In der Sonne? In einem Raumschiff?
Er setzte sich auf. Zu seinen Füßen lagen der Schwanz und ein Hinterbein des Hundes. Dahinter verlief in interessanten Zickzacklinien ein breiter Riß durch die Wand des Raumschiffes. Er war etwa acht Zentimeter breit und eineinhalb Meter lang. Durch diese Öffnung drang das Sonnenlicht herein.
Draußen saßen vier Hunde und starrten herein.
Er hatte sein Raumschiff aufgerissen, als er den letzten Hund tötete.
Dann sah er andere Risse im Schiff. Woher stammten sie?
Ach ja, er hatte sich zu seinem Schiff durchkämpfen müssen.
Die letzten hundert Meter. Ein paar Feuerstöße mußten auch den Rumpf des Raumschiffes gestreift haben.
Er stand auf und untersuchte die Schäden. Saubere Arbeit, dachte er mit jener Ruhe, die manchmal Begleiterscheinung der Hysterie ist. Jawohl, Sir, sehr saubere Arbeit.
Hier die durchgeschnittenen Steuerkabel. Das war einmal das Funkgerät gewesen. Da drüben hatte er es fertiggebracht, mit einem einzigen Feuerstoß die Sauerstoff- und Wassertanks aufzuschneiden. Wirklich eine großartige Leistung. Und hier - ja, er hatte es wirklich geschafft. Ein ganz raffinierter Schuß hatte die Brennstoffleitungen auseinandergefetzt. Und dem Gesetz der Schwerkraft gehorchend, war der gesamte Brennstoff ausgelaufen, hatte sich in einem Teich um das Schiff gesammelt und war dann säuberlich im Boden versickert.
Nicht schlecht für den Anfang, dachte Dixon irr. Selbst mit einem Schweißapparat hätte man das nicht besser machen können.
Mit einem solchen hätte er es gar nicht geschafft. Der Rumpf eines Raumschiffes ist zu widerstandsfähig dafür. Aber nicht für die gute, alte, kleine, hundertprozentige, nie verfehlende Waffe.
Als sich Dixon ein Jahr später immer noch nicht gemeldet hatte, schickte man ein Raumschiff nach ihm aus. Man wollte ihm ein anständiges Begräbnis verschaffen, wenn sich Überreste finden ließen, und den Prototyp des Desintegrators zurückbringen, wenn er noch erreichbar war.
Das Suchschiff landete in der Nähe von Dixons Raumschiff, und die Besatzung betrachtete interessiert den aufgerissenen, zerfetzten Rumpf.
»Manche Leute können eben nicht mit Waffen umgehen«, sagte der Cheftechniker.
»Donnerwetter«, murmelte der Pilot.
Vom Wald tönte Hämmern herüber. Sie eilten hin und stellten fest, daß Dixon nicht tot war. Er war sehr deutlich am Leben und sang bei der Arbeit.
Er hatte eine Holzhütte errichtet und ringsherum einen Gemüsegarten angelegt. Den Garten schützte eine hohe Palisade. Dixon hämmerte gerade einen frischen, jungen Stamm in den Boden, als die Männer herankamen.
Unweigerlich rief einer der Männer: »Sie leben!« »Allerdings«, sagte Dixon. »Bis die Palisadenwand da erbaut war, stand es allerdings auf Spitz und Knopf. Gefährliche Tiere, diese Hunde. Aber ich hab ihnen Respekt beigebracht.«
Dixon grinste und berührte einen Bogen, der in Reichweite an den Palisadenpfählen lehnte. Er war aus federndem Holz geschnitzt; daneben stand ein Köcher, gefüllt mit spitzen Pf eilen.
»Sie haben gelernt, mich zu respektieren«, sagte Dixon, »nachdem sie ein paar von ihren Genossen mit einem Pfeil in der Flanke herumlaufen sahen.«
»Aber die >Waffe<.«, sagte der Pilot.
»Ach ja, die Waffe«, rief Dixon fröhlich. »Ohne sie wäre ich nicht mehr am Leben.«
Er machte sich wieder an die Arbeit. Mit dem flachen, massiven Kolben der Waffe schlug er den Baumstamm in den Boden.
DIE WANDELBARE ZUKUNFT
Edwin James, Chefprogrammierer der Erde, hatte sich auf einem kleinen dreibeinigen Stuhl vor dem Wahrscheinlichkeitsrechner niedergelassen. Er war ein kleiner, schmaler Mann von eindrucksvoller Häßlichkeit. Die riesige Steuertafel, dreißig Meter in die Höhe ragend, ließ ihn zwergenhaft erscheinen.
Das gleichmäßige Summen der Maschine, das Blinken der Lichter an der Tafel, verlieh ihm ein Gefühl der Sicherheit, das er als trügerisch erkannte, aber es beruhigte ihn doch. Er war eben eingedöst, als sich die Lichtzeichen änderten.
Er schreckte hoch und rieb sich die Augen. Aus einem Schlitz in der Tafel glitt langsam ein Papierstreifen. Der Chefprogrammierer riß ihn ab und studierte ihn. Er nickte bedrückt und verließ mit schnellen Schritten den Saal.
Fünfzehn Minuten später betrat er den Konferenzraum des Weltplanungsrates. Die fünf Vertreter der Vereinigten Distrikte der Erde saßen an dem langen Tisch und erwarteten ihn.
Aus den beiden amerikanischen Staaten hatte sich in diesem Jahr ein neues Mitglied hinzugesellt, Roger Beatty. Er war groß und schlaksig; sein braunes Haar wurde bereits schütter. Er schien von Eifer erfüllt, ernsthaft und verlegen zu sein. Er las in einem Handbuch und sog von Zeit zu Zeit an seinem Sauerstoffinhalator.
James kannte die anderen Mitglieder gut. Lan Il aus PanAsien, so klein, runzlig und unverwüstlich wie immer aussehend, unterhielt sich angeregt mit dem blonden, großen Dr. Sveg aus Europa. Miss Chandragore, schön und elegant, spielte Schach mit Aaui aus Ozeanien.
James betätigte einen Regler, der die Sauerstoffversorgung des Zimmers erhöhte, und die Ratsmitglieder stellten dankbar ihre Inhalatoren zur Seite.
»Tut mir leid, daß ich Sie habe warten lassen«, sagte James und nahm seinen Platz an der Schmalseite des Konferenztisches ein. »Die laufende Voraussage ist eben eingetroffen.«