Выбрать главу

Er nahm ein Notizbuch aus der Tasche und schlug es auf.

»In unserer letzten Sitzung einigten wir uns auf die Wahrscheinlichkeitslinie 3B3CC, die im Jahre 1832 begann. Der Faktor, auf den wir dabei abstellten, war das Leben Albert Levinskys. In der geschichtlichen Hauptlinie starb Levinsky 1935 an den Folgen eines Autounfalls. Durch den Übergang auf die Wahrscheinlichkeitslinie 3B3CC entging Levinsky diesem Unfall und erreichte ein Alter von 62 Jahren. Seine Arbeit konnte er vollenden. Das Ergebnis in unserer Zeit ist die Erschließung der Antarktis.«

»Wie steht es mit den Nebenwirkungen?« fragte Janna Chandragore.

»Sie werden in dem Bericht eingehend behandelt, den Sie später noch erhalten. Im Prinzip kann man jedoch sagen, daß 3B3CC der geschichtlichen Hauptlinie nahezu parallel verläuft. Alle wichtigen Ereignisse bleiben. Es gab natürlich einige Vorgänge, die von der Voraussage nicht erfaßt wurden. Unter anderen handelt es sich dabei um die Explosion einer Ölquelle in Patagonien, eine Grippeepidemie in Kansas und eine Zunahme der Industriegase über Mexiko City.«

»Sind alle Betroffenen entschädigt worden?« wollte Lan Il wissen.

»Gewiß. Die Kolonisierung der Antarktis ist bereits begonnen worden.«

Der Chefprogrammierer entfaltete das dem Wahrscheinlichkeitsrechner entnommene Papierband.

»Wir stehen jetzt vor einem Dilemma. Wie vorausgesagt, führt der Verlauf der historischen Hauptlinie zu unerfreulichen Komplikationen. Aber nirgends zeigt sich eine gute Alternativlinie, auf die wir umschalten könnten!«

Stimmengemurmel erhob sich.

»Lassen Sie mich Ihnen die Lage erklären«, sagte James. Er trat an eine Wand und entrollte eine große Karte. »Der Krisenpunkt wird am 12. April 1969 erreicht, und unser Problem betrifft einen Mann namens Ben Baxter. Die Umstände sind folgende.«

Die Ereignisse lenken Kraft ihrer eigenen Natur den Blick auch auf die Alternativmöglichkeiten, von denen jede ihre eigene historische Entwicklung produziert. In anderen Raum-Zeit-Welten hat Spanien die Seeschlacht von Lepanto, haben die Normannen bei Hastings, die Engländer bei Waterloo verloren.

Angenommen, Spanien wäre bei Lepanto unterlegen.

Spanien wurde tatsächlich schwer geschlagen. Die unbesiegbare türkische Seemacht fegte die Europäer vom Mittelmeer. Zehn Jahre danach eroberte eine türkische Flotte Neapel und bahnte damit der Eroberung Österreichs durch die Mauren den Weg.

Diese Spekulationen wurden nach der Entwicklung der Temporalselektion und -versetzung zu überprüfbaren Tatsachen. Im Jahre 2103 konnten Oswald Meyner und seine Mitarbeiter die theoretische Umschaltung von der historischen Hauptlinie - wie man das der Bequemlichkeit halber nannte - auf Alternativlinien zeigen. Die Grenzen waren jedoch klar erkennbar.

So erwies es sich als Unmöglichkeit, auf eine Vergangenheit umzuschalten, in der Wilhelm der Eroberer die Schlacht von Hastings verlor. Die von diesem Ereignis ausgehende Welt wäre zu verschieden, ja völlig fremd gewesen. Man konnte also nur auf eng benachbarte und verwandte Linien umsteigen.

Im Jahre 2212 wurde die theoretische Möglichkeit zu einer praktischen Notwendigkeit. Zu dieser Zeit voraussagte der Sykes-Raborndatenrechner in Havard die völlige Sterilisierung der Erdatmosphäre durch das Anwachsen radioaktiver Ausfallprodukte. Der Prozeß sei irreversibel und unaufhaltbar. Man könne ihn nur in der Vergangenheit zum Stillstand bringen, wo die Vergiftung begonnen hatte.

Die erste Umschaltung wurde mit dem neuentwickelten Adams-Holt-Maartens-Selektor vorgenommen. Der Weltplanungsrat wählte eine Linie, die den frühen Tod Wassili Outschenkos - und damit die Auslöschung seiner irrigen Theorien über die durch radioaktive Strahlung verursachten Schädigungen - enthielt. Ein Großteil der kommenden Verseuchungen konnte dadurch unterbunden werden, wenngleich auf Kosten von 73 Menschen -Nachkommen Outschenkos, für die sich Tauscheltern nicht finden ließen.

Danach gab es keine Umkehr. Die Umschaltung auf andere historische Linien erwies sich für die Welt als ebenso notwendig wie die Vorbeugungsmaßnahmen gegen Seuchen.

Aber die Methode hatte ihre Nachteile. Einmal mußte die Zeit kommen, da keine verfügbare Linie sich verwenden ließ, da alle Möglichkeiten der Zukunft ungünstig erschienen.

Als das geschah, war der Planungsrat entschlossen, direkt einzugreifen.

»Und das sind die Konsequenzen für uns«, schloß Edwin James. »Darauf läuft es hinaus, wenn wir die historische Hauptlinie nicht unterbinden.«

»Sie sehen also in diesem Falle ernste Schwierigkeiten für die Erde voraus«, meinte Lan Il.

»Bedauerlicherweise ja.«

Der Programmierer füllte ein Glas mit Wasser und blätterte in seinem Notizbuch.

»Der Angelpunkt ist Ben Baxter. Er stirbt am 12. April 1969. Er muß aber mindestens noch zehn Jahre leben, damit seine Arbeit die gewünschte Wirkung auf die historische Entwicklung nehmen kann. In dieser Zeit wird Ben Baxter von der amerikanischen Regierung den Yellowstone-Nationalpark kaufen, ihn weiterhin als Reservat betreiben, aber Aufforstung betreiben, um Holz verkaufen zu können. Diese Unternehmung wird äußerst erfolgreich sein. Er wird weitere riesige Wälder in Nord- und Südamerika erwerben. Die Erben Baxters werden die nächsten zwei Jahrhunderte Holzkönige sein und auf der ganzen Welt große Ländereien besitzen. Dank ihren Bemühungen wird es ohne Unterbrechung bis in unsere Zeit hinein gewaltige Wälder geben. Wenn Baxter jedoch stirbt -« James machte eine müde Geste. »Nach Baxters Tod werden die Wälder abgeholzt, bevor die Staaten der Welt die Konsequenzen überhaupt erkannt haben. Dann kommt die große Trockenfäule von 2003, der die restlichen Waldbestände zum Opfer fallen. Und schließlich die Gegenwart, in der der natürliche Kohlendioxyd-Sauerstoff-Kreislauf durch die Vernichtung der Bäume gestört ist, in der keine Verbrennungsmaschinen mehr betrieben werden dürfen, in der man Sauerstoffgeräte benötigt, um überleben zu können.«

»Wir haben die Wälder wieder aufgeforstet«, sagte Aaui.

»Es dauerte Hunderte von Jahren, bis sie eine wirkungsvolle Größe erreicht haben, selbst bei unseren Methoden. In der Zwischenzeit kann das Gleichgewicht noch stärker gestört werden. Das ist die Bedeutung Ben Baxters für uns. Von ihm hängt es ab, welche Luft wir atmen!«

»Gut«, meinte Dr. Sveg. »Die Hauptlinie, in der Baxter stirbt, ist zweifellos unbrauchbar. Aber es gibt ja Alternativen -«

»Viele sogar«, erklärte James. »Wie üblich sind die meisten davon nicht verwendbar. Wenn man die Hauptlinie mitzählt, stehen drei Möglichkeiten zur Wahl. Unglücklicherweise führt aber jede von ihnen am 12. April 1969 zum Tode Ben Baxters.« Der Programmierer wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn. »Um genauer zu sein, Ben Baxter stirbt am Nachmittag des 12. April 1959. Sein Tod ist das Resultat einer geschäftlichen Zusammenkunft mit einem Mann namens Ned Brynne.«

Roger Beatty, das neue Mitglied, räusperte sich nervös. »Dieses Ereignis tritt in allen drei Wahrscheinlichkeitswelten ein?«

»Ja. In jeder davon ist Brynne die Ursache für Baxters Tod.«

Dr. Sveg erhob sich schwerfällig. »Früher hat der Rat es vermieden, unmittelbar in vorhandene Wahrscheinlichkeitsentwicklungen einzugreifen. Aber diese Situation verlangt nach direktem Vorgehen.«

Die Ratsmitglieder nickten.

»Kommen wir zur Sache«, meinte Aaui. »Kann man diesen Ned Brynne zum Wohl der Erde ausschalten?«

»Nein«, erwiderte James. »Brynne spielt selbst eine wesentliche Rolle in unserer Zukunft. Er besitzt eine Option auf beinahe zweihundert Quadratkilometer Wald. Er benötigt Baxters Unterstützung, um ihn kaufen zu können. Wenn man Brynne von dieser Begegnung mit Baxter jedoch abhalten könnte -«

»Wie?« fragte Beatty.

»Die Wahl steht bei Ihnen«, meinte James. »Drohungen, Überredung, Bestechung, Entführung - bis auf einen Mord ist alles zulässig. Wir haben drei Welten, in denen wir arbeiten können. Wenn uns nur in einer davon gelingt, Brynne zurückzuhalten, ist unser Problem gelöst.«