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Der Kellner wurde blaß, schluckte, sagte: »Jawohl, Sir, entschuldigen Sie, Sir«, und suchte das Weite.

Jetzt brülle ich schon Bürger an, dachte Brynne. Ich muß mich beherrschen!

»Ned Brynne!«

Brynne fuhr hoch und drehte sich um. Er hatte deutlich gehört, daß jemand seinen Namen flüsterte. Aber im Umkreis von sechs Metern saß niemand in seiner Nähe.

»Brynne!«

»Was ist denn?« murmelte Brynne unwillkürlich. »Wer spricht da?«

»Du bist nervös, Brynne, du verlierst die Kontrolle über dich. Du brauchst Ruhe, Erholung, eine Veränderung.«

Brynne wurde unter seiner Sonnenbräune leichenblaß und sah sich im Cafe um. Nahe dem Schaufenster saßen drei alte Damen; dahinter konnte er zwei Männer erkennen, die sich angeregt miteinander unterhielten.

»Geh nach Hause, Brynne, ruhe dich aus. Nimm dir Urlaub, solange es noch möglich ist.«

»Ich habe eine wichtige geschäftliche Besprechung«, sagte Brynne mit schwankender Stimme.

»Was ist wichtiger, das Geschäft oder die geistige Gesundheit?« höhnte die Stimme.

»Wer spricht mit mir?«

»Wie kommst du auf die Idee, daß jemand mit dir spricht?« fragte die Stimme sanft.

»Rede ich denn mit mir selbst?«

»Das müßtest du eigentlich wissen.«

»Das Ei, Sir«, sagte der Kellner.

»Was?« brüllte Brynne.

Der Kellner wich zurück und verschüttete dabei heiße Schokolade in die Untertasse. »Sir?« winselte er.

»Kriechen Sie nicht so lautlos herum, Sie Trottel!«

Der Kellner starrte Brynne ungläubig an, stellte das Tablett ab und ergriff die Flucht. Brynne sah ihm argwöhnisch nach.

»Du darfst mit keinem Menschen mehr zusammentreffen«, erklärte die Stimme. »Geh nach Hause, leg dich ins Bett, nimm eine Tablette, schlaf und heile dich aus!«

»Aber was ist denn los? Warum?«

»Weil dein Verstand auf dem Spiel steht! Diese Stimme stellt den letzten Versuch deines Verstandes dar, sein Gleichgewicht zu bewahren. Du kannst es dir nicht leisten, diese Warnung zu überhören, Brynne!«

»Das kann nicht wahr sein!« wandte Brynne ein. »Ich bin doch völlig normal!« »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte eine Stimme neben ihm.

Brynne fuhr herum, diese neuerliche Störung streng zu bestrafen. Er sah die Uniform eines Polizisten vor sich. Der Mann trug die weißen Epauletten eines adligen Leutnants.

Brynne schluckte und sagte: »Irgend etwas nicht in Ordnung, Leutnant?«

»Sir, der Geschäftsführer und ein Kellner haben mir erklärt, daß Sie mit sich selbst reden und mit Gewalttätigkeiten drohen.«

»Lächerlich.«, fauchte Brynne.

»Es stimmt! Es stimmt! Du wirst verrückt!« heulte die Stimme in seinem Schädel.

Brynne starrte den Polizisten an. Der Leutnant mußte die Stimme doch gehört haben! Anscheinend aber nicht, denn er sah finster auf ihn herab.

»Das ist nicht wahr«, sagte Brynne, der sicher war, sein Wort gelte mehr als das eines Bürgers.

»Ich habe Sie selbst gehört«, sagte der Adlige.

»Nun, Sir, es ist so«, begann Brynne vorsichtig. »Ich war -«

Die Stimme kreischte in seinem Schädeclass="underline" »Er soll sich doch zum Teufel scheren, Brynne! Wie kommt er dazu, dich zu verhören? Wer darf sich das erlauben? Schlag ihn nieder! Bring ihn um!«

Brynne sagte, über das Geheul in seinem Kopf hinweg: »Ich habe mit mir selbst gesprochen, das ist wahr. Ich denke oft laut. Meine Gedanken lassen sich dabei besser ordnen.«

Der Leutnant nickte kurz. »Aber Sie haben mit Gewaltanwendung gedroht, ohne Anlaß, Sir.«

»Das nennen Sie keinen Anlaß? Ich bitte Sie, sind kalte Eier kein Anlaß? Sind weiche Toastschnitten und verschüttete Schokolade kein Anlaß?«

Der Kellner wurde herbeigerufen und versicherte: »Das Ei war heiß.«

»Es war nicht heiß, Schluß. Ich denke nicht daran, mit einem Bürger zu diskutieren.«

»Sehr richtig«, sagte der Leutnant. »Aber ich möchte Sie bitten, Sir, Ihren Zorn ein wenig zu zähmen, selbst wenn er gerechtfertigt ist. Man kann von Bürgern nicht allzuviel erwarten.«

»Ich weiß«, stimmte Brynne zu. »Übrigens, Sir - ich sehe die Purpurumrandung an Ihren Epauletten - sind Sie zufällig mit O'Donnel von Moose Lodge verwandt?«

»Er ist ein Vetter von mir«, erklärte der Leutnant und starrte Brynnes Stern an. »Mein Sohn ist als Anwärter in die Kammerherrenhalle aufgenommen worden. Ein großer Junge mit dem Namen Callahan.«

»Ich werde mir den Namen merken«, versprach Brynne.

»Das Ei war heiß«, sagte der Kellner.

»Einem Gentleman widerspricht man nicht«, rügte der Leutnant. »Da kommst du nur in Schwierigkeiten. Guten Tag, Sir.« Der Leutnant salutierte und verließ das Lokal.

Brynne bezahlte und ging kurz nach ihm. Er hinterließ ein beträchtliches Trinkgeld für den Kellner, beschloß aber, dieses Cafe nie wieder zu betreten.

»Zäher Bursche«, sagte Aaui bitter und steckte das winzige Mikrophon wieder in die Tasche. »Einen Augenblick lang dachte ich, wir hätten ihn unschädlich gemacht.«

»Es wäre uns auch gelungen, wenn er schon früher einmal an seinem Verstand gezweifelt hätte. Na schön, dann müssen wir eben direkt eingreifen. Haben Sie die Sachen?«

Aaui nahm zwei Schlagringe aus der Tasche und reichte einen davon Beatty.

»Verlieren Sie ihn nicht«, sagte er. »Wir sollen die Dinger in das Museum der Primitiven zurückbringen.«

»Man streckt ihn auf die Faust, nicht wahr? O ja, ich seh schon.«

Sie bezahlten und eilten hinaus.

Brynne beschloß, zur Beruhigung seiner Nerven am Hafen spazierenzugehen.

Der Anblick der mächtigen Schiffe besänftigte ihn. Er wanderte dahin und versuchte sich darüber klarzuwerden, was geschehen war.

Diese Stimme in seinem Schädel.

Verlor er wirklich den Verstand? Ein Onkel mütterlicherseits hatte seine letzten Jahre in einer Heilanstalt verbracht. Altersmelancholie. Hatte er dieses Erbe angetreten?

Er blieb stehen und betrachtete den Bug eines großen Schiffes. Die >Theseus<.

Wohin fuhren sie wohl? Vielleicht nach Italien. Er dachte an tiefblauen Himmel, Sonnenschein, Wein und Entspannung. Diese herrlichen Dinge waren nicht für ihn da. Arbeit, angestrengte Arbeit, dafür hatte er sich entschieden. Selbst wenn er dabei den Verstand verlor, würde er sich unter dem grauen Himmel New Yorks weiter abmühen.

Aber warum? fragte er sich. Er war keineswegs arm. Seine Geschäfte liefen auch ohne ihn. Was hielt ihn davon ab, dieses Schiff zu besteigen, alles zurückzulassen, ein ganzes Jahr die Sonne des Südens zu genießen?

Freudige Erregung überfiel ihn, als er einsah, daß ihn nichts, aber auch gar nichts zurückhielt. Er war sein eigener Herr, ein entschlossener, starker Mann. Wenn er die Kraft hatte, Erfolge im Geschäftsleben zu erzielen, hatte er auch den Mut, es zu verlassen, auf alles zu verzichten und fortzufahren.

»Zum Teufel mit Baxter!« sagte er.

Sein seelisches Gleichgewicht war jetzt wichtiger als alles andere. Er gedachte, augenblicklich an Bord dieses Schiffes zu gehen, seinen Geschäftspartnern von hoher See aus zu telegraphieren, ihnen mitzuteilen -

Zwei Männer kamen in der verlassenen Straße auf ihn zu. Er erkannte den einen an seinem goldbraun getönten Gesicht.

»Mr. Brynne?« fragte der andere, ein schlaksiger Mann mit braunem Haar.

»Ja?« erwiderte Brynne.

Ohne Warnung schlang der Polynesier beide Arme um ihn, hielt ihn fest, während der andere mit seiner Faust, an der etwas metallisch schimmerte, ausholte!

Brynnes aufgeputschte Nerven reagierten blitzartig. Während des Zweiten Weltkreuzzuges war er Offizier gewesen. Er wich dem Schlag aus und stieß seine Ellenbogen in den Magen des Polynesiers. Der Griff lockerte sich. Brynne machte sich frei.

Er versetzte dem Polynesier einen Handkantenschlag an die Halsschlagader. Der Mann brach zusammen. Sofort stürzte sich der Schlaksige mit dem Schlagring auf Brynne.