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»Ich kann nicht!« sagte Brynne und wünschte verzweifelt, es doch fertigzubringen. »Entschuldigen Sie sich, Sir!«

Baxter stand auf. Er kam hinter dem Schreibtisch hervor, das Gesicht vom Zorn gerötet. »Verschwinden Sie, unverschämter Kerl! Hinaus, sonst lasse ich Sie die Treppe hinunterwerfen! Hinaus!«

Brynne hätte sich am liebsten entschuldigt, aber er dachte an den Ritter, an den Kellner, an die beiden Banditen. Irgend etwas löste sich in ihm. Er schlug mit seiner ganzen Kraft zu.

Der Schlag traf Baxter voll am Hals, schleuderte ihn gegen den Schreibtisch. Mit glasigen Augen brach Baxter zusammen.

»Es tut mir leid!« rief Brynne. »Ich bitte um Verzeihung! Ich bitte um Verzeihung!«

Er kniete neben Baxter nieder. »Sind Sie verletzt, Sir? Es tut mir wirklich leid. Ich bitte um Verzeihung.«

Die kalte Logik erklärte ihm, daß er einem unlösbaren Zwiespalt ausgesetzt war. Die Notwendigkeit, zu handeln, hatte sich als ebenso stark erwiesen, wie die Pflicht, sich zu entschuldigen. Er hatte das Dilemma überwunden, indem er beides gleichzeitig zu tun versuchte. Er hatte zugeschlagen - und sich dann erst entschuldigt.

»Mr. Baxter?« rief er entsetzt.

Ben Baxters Gesicht war verzerrt, Blut lief in einem dünnen Faden vom Mund zum Kinn. Dann bemerkte Brynne, daß Baxters Kopf in unmöglichem Winkel zu seinem Körper hing.

»Oh.«, stöhnte Brynne.

Er war drei Jahre im Krieg gewesen. Er hatte mehr als einmal Menschen mit gebrochenem Genick gesehen.

II

Am Morgen des 12. April 1969 erwachte Ned Brynne, wusch sich und kleidete sich an. Um 13 Uhr 30 an diesem Nachmittag war er bei Ben Baxter, dem Präsidenten der Baxter-Industrie-AG angemeldet. Brynnes ganze Zukunft hing vom Ausgang dieses Gesprächs ab. Wenn er die Unterstützung des gigantischen Baxter-Unternehmens gewann, noch dazu unter günstigen Bedingungen.

Brynne war ein großer, dunkelhaariger, gutaussehender Mann von sechsunddreißig Jahren. In seinen betont milde blickenden Augen war eine Spur großer Sanftheit zu erkennen, eine Andeutung unerschütterlicher Frömmigkeit sprach aus seinem ausdrucksvollen Mund. Seine Bewegungen zeigten die Grazie eines seiner Selbst sicheren Mannes.

Er war beinahe fertig zum Ausgang. Er klemmte einen Betstock unter den Arm und schob Norsteds >Führer zur Sanftmut< in die Tasche. Ohne dieses unfehlbare Buch verließ er nie das Haus.

Schließlich steckte er den Silbermond seines Ranges ans Revers. Brynne war ein Zügler zweiten Grades der westlichen Buddhistenkongregation, eine Tatsache, die ihn mit sorgfältig gezügeltem Stolz erfüllte. Manche Leute hielten ihn für viel zu jung für das Laienpriestertum. Aber sie mußten zugeben, daß Brynne die Rechte und Pflichten seines Amtes mit einer Würde wahrnahm, die man in seinem Alter normalerweise noch nicht besaß.

Er schloß seine Wohnung ab und ging zum Lift. Eine kleine Gruppe von Menschen wartete bereits, vorwiegend Westbuddhisten, aber auch zwei Lamaisten. Als der Aufzug kam, machten ihm alle Platz.

»Guten Tag, Bruder Brynne«, grüßte der Liftführer und ließ die Kabine hinabgleiten.

Brynne neigte seinen Kopf zwei Zentimeter in der üblichen Erwiderung auf den Gruß eines Mitgliedes der Gemeinde. Er beschäftigte sich in Gedanken ausschließlich mit Ben Baxter. Aber aus dem Augenwinkel bemerkte er einen der Fahrgäste, eine schlanke, schöne, schwarzhaarige Frau mit reizvollem Gesicht und braungoldenem Teint. Inderin, dachte Brynne und fragte sich, was eine solche Frau in seinem Wohnhaus zu suchen hatte. Er kannte die anderen Bewohner vom Sehen, wenn er auch nicht unbescheiden genug war, sie zu erkennen.

Der Lift erreichte das Vestibül, und Brynne vergaß die Inderin. Er hatte heute andere Sorgen. Im Zusammenhang mit Ben Baxter stellten sich einige Probleme, die er lösen mußte, bevor er zur festgesetzten Stunde bei ihm erschien. Er trat in einen trüben, grauen Aprilvormittag hinaus und beschloß, für ein spätes Frühstück das Cafe zum goldenen Lotus aufzusuchen.

Es war 10 Uhr 25.

»Am liebsten würde ich für immer hier bleiben und diese herrliche Luft atmen!« sagte Janna Chandragore.

Lan Il lächelte schwach. »Vielleicht können wir sie in unserer eigenen Zeit atmen. - Was halten Sie von ihm?«

»Eingebildet und dünkelhaft«, sagte sie. Sie gingen hundert Meter hinter Brynne her. Brynnes große, etwas gebeugte Gestalt fiel selbst im Gewühl New Yorks auf.

»Im Lift hat er Sie angestarrt«, sagte Lan Il.

»Ich weiß.« Sie lächelte. »Er sieht recht gut aus, nicht?«

Lan Il zog die Brauen hoch, erwiderte aber nichts. Sie blieben auf Brynnes Spur und beobachteten, wie die Menschen aus Achtung vor seinem Rang Platz machten. Dann passierte es.

Brynne, der immer noch angestrengt nachdachte, stieß mit einem dicken Mann zusammen, der die gelbe Robe eines westbuddhistischen Priesters trug.

»Entschuldigt die Störung Eurer Meditation, junger Bruder«, sagte der Priester.

»Es ist allein meine Schuld«, erwiderte Brynne. »Denn es steht geschrieben Jugend muß auf ihre Schritte achten<.«

Der Priester schüttelte den Kopf. »In der Jugend lebt der Traum der Zukunft«, sagte er. »Das Alter hat ihr Platz zu machen.«

»Das Alter leitet unseren Weg«, wandte Brynne unterwürfig, aber eigensinnig ein. »Darin drücken sich die Schriften klar aus.«

»Wenn Ihr das Alter anerkennt«, erwiderte der Priester, ein wenig gepreßt, »dann fügt Euch auch seinem Wort: die Jugend stürme vorwärts! Seid so freundlich, mir nicht zu widersprechen, lieber Bruder.«

Brynne verbeugte sich tief. Der Priester folgte seinem Beispiel, und die beiden Männer gingen auseinander.

Brynne beschleunigte seine Schritte; er umkrampfte den Betstock. Das sah einem Priester ähnlich - sein Alter als Unterstützung seiner Argumente zugunsten der Jugend anzuführen. Im westlichen Buddhismus gab es seltsame Widersprüche, aber Brynne hatte keine Lust, darüber nachzudenken.

Er betrat das Cafe zum goldenen Lotus und setzte sich an einen Tisch an der Rückseite des Raumes. Er betastete die Schnitzereien an seinem Gebetsstock und spürte, wie der Zorn in ihm abebbte. Beinahe augenblicklich gewann er die gelassene, ungestörte Einheit des Verstandes mit den Gefühlen zurück.

Es war jetzt an der Zeit, über Ben Baxter nachzudenken. Schließlich hatte man seine zeitlichen Pflichten ebenso zu erfüllen wie die religiösen. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war gleich elf. In zweieinhalb Stunden würde er in Baxters Büro sitzen und -

»Ihre Bestellung, Sir?« fragte ein Kellner.

»Ein Glas Wasser und etwas getrockneten Fisch, wenn Ihr so gut sein wollt«, sagte Brynne.

»Pommes frites?«

»Heute ist Wisya, da sind sie nicht erlaubt«, murmelte Brynne sanft.

Der Kellner wurde blaß, schluckte, sagte: »Jawohl, Sir, entschuldigen Sie, Sir«, und eilte davon.

Ich hätte ihn nicht so behandeln dürfen, dachte Brynne. Ich hätte ganz einfach dankend auf die Pommes frites verzichten sollen. Müßte ich mich bei dem Mann entschuldigen?

Er entschied, daß ihn das nur verlegen machen würde. Brynne schob diesen Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf Ben Baxter. Wenn Baxter hinter Brynnes Option stand, ließ sich gar nicht absehen -

Er bemerkte, daß an einem Tisch in der Nähe etwas Ungewöhnliches vorging. Er drehte sich zur Seite und sah, daß eine Frau mit goldbrauner Gesichtsfarbe hemmungslos in ein winziges Spitzentaschentuch weinte. Es war die Frau, die er vorher in seinem Haus gesehen hatte. Neben ihr saß ein kleiner, weißhaariger alter Mann, der vergeblich versuchte, sie zu beruhigen.

Die schöne Frau warf einen verzweifelten Blick zu Brynne hinüber. Unter diesen Umständen gab es für einen Zügler nur eine Möglichkeit.