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Mit den Augen überflog er das Deck und versuchte, durch den Pulverdampf hindurch etwas zu sehen. Er sah Lasseur, nahm Blickkontakt auf und deutete auf die beiden. Lasseur folgte seinem Blick und man sah, wie sein Gesicht sich veränderte und eine noch größere Anspannung zeigte. Der Privateer stieg über die Haufen aus herabgestürztem Segeltuch, er ignorierte das Gedränge um ihn und kletterte mit entblößten Zähnen weiter in Richtung der Jolle.

Hawkwood merkte, wie Pepper aufsah. Morgans Leutnant hatte bemerkt, dass Lasseur auf ihn zukam. Peppers Züge unter dem Bart waren wie versteinert. Mit dem Entermesser in der Hand bewegte er sich langsam von der Winde weg. Hinter seinem Rücken versuchte Morgan immer noch, das Tau durchzuhauen. Plötzlich gaben die Fasern nach, und die Jolle hing mit dem Bug nach unten. Morgan konzentrierte sich auf den zweiten Arm der Winde.

Hawkwood hörte Jago brüllen. Wieder einer von Morgans Männern, der seinen Arm riskierte, dachte er. Blitzartig drehte er sich um und rammte das stumpfe Ende der Pistole in ein überraschtes Gesicht. Er bemühte sich, auf den Beinen zu bleiben. Während das Kampfgetümmel hinter ihm weitertobte, machte er sich auf zum Heck.

Pepper griff das Entermesser fester und wartete auf Lasseurs Angriff. Er wirkte furchtlos und selbstbewusst. Das Entermesser war eine Waffe, die er beherrschte.

Lasseur stürzte sich auf ihn, und Pepper zielte mit dem Messer auf dessen Schwertarm. Lasseur parierte den Angriff und wehrte ihn mit der flachen Klinge ab. Als er von Peppers Körpergewicht auf die andere Seite gedrückt wurde, ließ Lasseur sich fallen und zog sein Messer durch die Sehnen in Peppers Kniekehlen. Pepper brach zusammen, auf seinem Gesicht eine Mischung aus Verwunderung, Schock und Schmerzen. Den Kopf zurückgebeugt, wollte er aufschreien, kam jedoch nicht mehr dazu, weil Lasseur ihm seinen Säbel in den ungeschützten Hals stieß.

Lasseur stellte seinen Fuß auf Peppers Brust, die sich nicht mehr bewegte, und zog die Klinge wieder heraus.

»Crétin!«, zischte er.

Morgan hatte das letzte Tau fast durchgehauen, als er Pepper fallen sah. Der Anblick von Lasseur und dem Runner am Heck des Schoners war ein riesiger Schock gewesen. Aber was noch schlimmer war, jetzt war auch sein Leutnant plötzlich und mit brutaler Perfektion umgebracht worden. Eben war Cephus noch da und hielt ihm den Rücken frei, im nächsten Moment lag er mit einer klaffenden Wunde im Hals in seinem Blut. Morgan konnte nicht glauben, wie schnell das passiert war.

Aber es war geschehen. Morgan hatte den Ausdruck in Lasseurs Augen gesehen und wusste, was er zu bedeuten hatte.

Also ignorierte er den toten Steuermann und das Blut, das überall in die Deckplanken eindrang, und fuhr fort in seinem verzweifelten Versuch, die Jolle frei zu bekommen, obwohl er wusste, dass es sinnlos war.

Er hörte eine Stimme. »Es ist vorbei, Morgan.« Schwer atmend drehte er sich um.

Lasseur und Hawkwood standen Seite an Seite. Neben ihnen stand ein untersetzter Mann mit hartem Gesicht und eisengrauem Haar, der ein blutiges Entermesser in der Hand hielt.

»Es ist vorbei, Morgan«, sagte Hawkwood wieder. »Du hast verloren. Deine Leute sind erledigt.«

Morgan sah, dass Hawkwood Recht hatte. Die Mitglieder seiner Mannschaft, die noch auf den Beinen waren, legten ihre Waffen hin und ergaben sich, indem sie sich aufs Deck setzten, die Hände auf dem Kopf. Lasseurs Männer gingen zwischen ihnen hindurch und sammelten die Waffen ein. Die meisten der Toten, die auf dem Deck lagen, hatten keine Halstücher an den Armen. Die Mannschaft des Kutters war durch reine Waffengewalt überwältigt worden. Die Speigatten der Sea Witch waren glitschig vom abfließenden Blut.

»So sieht es also aus, wenn Ratten das sinkende Schiff verlassen«, sagte Jago.

Morgan ließ seinen Säbel fallen. Er atmete schwer.

»Es sind noch fünfzehn Meilen bis zur Küste«, sagte Hawkwood. »Hast du wirklich gedacht, du schaffst es?«

»Der Herr liebt Optimisten«, sagte Lasseur.

»Wer kann’s einem verdenken, wenn man’s probiert?«, sagte Morgan.

Hawkwood steckte die Pistole in seinen Gürtel, warf den Tomahawk zur Seite und zog das Messer aus dem Stiefel.

Ein leiser Zweifel erschien auf Morgans Gesicht. Sein Unterkiefer war angespannt. Ohne Bart sah der Mann merkwürdig aus, stellte Hawkwood fest. Sein Gesicht wirkte runder und mindestens fünf Jahre jünger, und auch nicht so aggressiv. Überhaupt war da etwas um Morgan, was anders war. Er wirkte im Ganzen korpulenter, was ein bisschen komisch war, und seine Bewegungen waren irgendwie … gemessen.

Ehe Morgan reagieren konnte, fuhr Hawkwood mit der Messerspitze unter den Saum von Morgans Uniformjacke, und mühelos, wie ein Chirurg, der eine Leiche öffnet, schlitzte er die Jacke bis unter Morgans Kinn auf. Sie klaffte auseinander wie eine aufgeschnittene Frucht.

»Ja, schaut doch mal, was wir hier haben!«, sagte Jago überrascht. »So was habe ich nicht mehr gesehen, seit unser alter König tot ist.«

Es war eine Weste, aber keine, wie Hawkwood sie je gesehen hatte. Ihr Futter bestand aus Taschen, und jede von ihnen war prall gefüllt.

Hawkwood streckte die Hand aus, und mit einer Bewegung des Handgelenks filetierte er auch dieses Kleidungsstück. Der Stoff gab nach, und das Gewicht des Inhalts besorgte das Übrige. Ein Goldbarren schlug aufs Deck.

Hawkwood steckte das Messer wieder in den Stiefel und hob das Gold auf. Es war kein großes Stück, etwa halb so groß wie eine Büchse, in der man Feuerzeug aufbewahrte, aber dennoch schwer. In das stumpfe Metall waren Nummern geprägt sowie ein runder Stempel mit dem Namen Rothschild & Sons.

Nach seinem Körperumfang zu urteilen hatte Morgan auch Taschen im Rücken der Weste, und quer über den unteren Teil seines Rückens war ebenfalls ein Wulst. Lasseur hob den Rücken der Uniformjacke mit der Spitze seines Säbels an, und darunter kam ein Kleidungsstück zutage, das einer Turnüre ähnelte.

»Vielleicht sollten wir in seiner Hose auch noch nachsehen«, sagte Jago. »Ganz früher hatte man doch auch noch Taschen an den Oberschenkeln.«

»Wir wissen Bescheid«, sagte Hawkwood. »Seht mal bei Pepper nach.«

Lasseur ging zu Peppers Leiche.

»Dasselbe«, sagte er. Jetzt wurde ihm auch klar, warum Pepper so schwerfällig gewesen war und unfähig, den Angriff auf ihn abzuwehren.

»In den Westen, die man zum Teeschmuggel trug, konnte man ungefähr dreißig Pfund unterbringen«, sagte Jago.

»Judas bekam Silberlinge. Du hast Gold«, sagte Hawkwood. »Du machst dir all die Mühe, und alles, was dir zum Schluss bleibt, ist eine verdammte Weste. Kaum der Mühe wert.«

»Was willst du mit ihm machen?«, fragte Lasseur. »Entscheide du. Ich schenke ihn dir.«

»Ich lass ihm das Gold«, sagte Hawkwood.

»Was?« Lasseur blieb der Mund offen stehen.

Hawkwood zuckte die Schultern. »Soll er sein Glück versuchen.«

»Verdammt, das ist doch nicht dein Ernst?«, sagte Jago. »Nach allem, was du gesagt hast?«

Morgan hob den Kopf. »Sie nehmen mich nicht fest?«

»Dich festnehmen?« Hawkwood lachte. »Du kommst dir wohl immer noch sehr wichtig vor. Nein, ich habe große Lust, dir deine Weste zu lassen. Ich glaube, das Militär wird die dreißig Pfund Gold nicht vermissen, nicht wahr? Was mich anbetrifft, wenn du’s bis zur Küste schaffst, dann hast du sie auch verdient. Ich stelle nur eine Bedingung …«

»Was für eine?« In den dunklen Augen zeigte sich ein winziger Funken Hoffnung.

»Du musst schwimmen.«

Hawkwood machte eine halbe Drehung und trat Morgan mit dem Stiefel in den Bauch.