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»Gilles hat unter Surcouf gedient«, sagte Rousseau.

»Wann wurden Sie gefangen genommen?«, fragte Lasseur.

Denard spitzte die Lippen. »Juni 08. Ich war in Cadiz, dann wurde ich auf die Prudent gebracht, die vor Portsmouth liegt. Da war ich ein Jahr, ehe ich schließlich auf der Poseidon landete. Dort habe ich Rousseau hier kennengelernt.«

Bis auf die Poseidon sagten andere Schiffsnamen Hawkwood nichts. Er wusste, dass es eine Poseidon gab, weil sie einer der Hulks in der Medway vor Chatham war, von denen Ludd gesprochen hatte, als er in der Bow Street seinen Auftrag entgegennahm.

Sie saßen im Refektorium, das auf der anderen Seite des Klostergartens lag, gegenüber der Seite, wo sich Hawkwoods und Lasseurs Zelle befand. Der Raum war lang und rechteckig und hatte eine niedrige Decke mit schwarzen Balken. Zwei schwere Eichentische, ein langer und ein kurzer, bildeten ein T, das in der Mitte stand und sich fast über den gesamten Raum erstreckte. Auf den Tischen stand das Frühstück: frisch gebackenes Brot, Schinken, Bratwürste, Eier und Kaffee. Morgan hatte mit der Verpflegung nicht gegeizt.

»Sind Sie beide zusammen geflüchtet?«, fragte Lasseur, indem er nach der Kanne griff und sich einen Becher Kaffee einschenkte. Die Kanne in der Hand, sah er Hawkwood fragend an. Dieser nickte und Lasseur füllte auch seinen Becher wieder.

Rousseau nickte. »Wir haben uns mustergültig benommen, bis wir Hafterleichterung bekamen. Dann machten wir eines Tages einen Spaziergang und kamen nicht wieder. Und Sie?«

»Wir sind gestorben«, sagte Lasseur grinsend. Dann erklärte er.

»Mein Gott!« Denard sah ihn sprachlos an.

Hawkwood nahm einen Schluck Kaffee. Er war stark und hatte einen bitteren Nachgeschmack. Es erinnerte ihn an das Gebräu, mit dem er sich oft am Lagerfeuer hatte begnügen müssen.

Rousseau stellte nacheinander die anderen Männer am Tisch vor. Insgesamt waren es acht.

»Leutnants Souville und Le Jeune von der Bristol. Leberte kommt von der Buckingham. Louis Beaudouin dort drüben hat es geschafft, von der Brunswick zu flüchten, und Masson und Bonnefoux dort am Ende sind Ihnen vielleicht dem Namen nach bekannt. Sie sind von Ihrem Schiff, der Rapacious.« Rousseau lachte leise. »Ich möchte nicht in der Haut dieses Commanders stecken bei den vielen Gefangenen, die dem weggelaufen sind.«

»Captain Hellard lässt Sie auch herzlich grüßen«, sagte Lasseur. »Er lässt Ihnen sagen, dass er Sie sehr vermisst und dass Sie bitte bald zurückkommen möchten.«

Während Lasseur seine Späße machte, nahm Hawkwood einen weiteren Schluck Kaffe und hakte im Geiste die Namen auf der Liste ab, die Ludd ihm gegeben hatte. Zusammen mit den beiden Männern, die auf dem Hulk ermordet und beseitigt worden waren, stimmte die Anzahl. Nun wusste er also über alle geflüchteten Gefangenen Bescheid, damit war wenigstens dieses Rätsel aufgeklärt.

Er fragte sich, ob Masson und Bonnefoux von den beiden Ermordeten wussten. Doch er fand, dass es keinen Sinn hätte, ihnen davon zu erzählen.

»Wie sind Sie vom Schiff gekommen?«, fragte Hawkwood die ehemaligen Gefangenen von der Rapacious.

Es war Masson, ein magerer Mann mit großem Adamsapfel, der antwortete. »Wir versteckten uns in zwei leeren Wasserfässern. Was ist daran so lustig?«, fragte er, verwirrt von Lasseurs amüsiertem Gesichtsausdruck.

Lasseur schüttelte den Kopf.

»Wie haben die anderen Ihr Verschwinden vertuscht?«

»Sie haben wahrscheinlich das Abzählen durcheinandergebracht«, erwiderte Bonnefoux ohne zu zögern. »Wissen Sie das nicht?«

Hawkwood schüttelte den Kopf. »Unser Abschied war … etwas hastig. Wir haben es nie erfahren.«

Bonnefoux grinste. Er hatte bemerkenswert ebenmäßige, weiße Zähne.

Im Laufe der Zeit hatten sie sich Werkzeug beschafft. Mit Bohrern, die bei Arbeitseinsätzen geklaut worden waren und einer Säge, die aus einem Fassreifen gemacht war, schnitten sie runde Löcher mit abgeschrägten Kanten in die Planken zwischen Oberdeck, Geschützdeck und Orlopdeck. Während die Gefangenen beim Hinabsteigen gezählt wurden, stiegen einige von ihnen durch die Löcher wieder nach oben, stellten sich zu den übrigen und wurden nochmals gezählt. Hinterher wurden die Löcher geschlossen, bis zum nächsten Ausbruch.

So verdammt einfach, dachte Hawkwood. Und solange die Gefangenen ihre Nerven behielten und die Wachen den Trick nicht bemerkten, gab es keinen Grund, ihn nicht immer wieder anzuwenden.

Hawkwood nahm an, dass Murat und die anderen seine und Lasseurs Flucht auf die gleiche Art und Weise vertuschen wollten, nachdem sie die beiden Leichen aus den Betten wieder in den Nebenraum gelegt hatten, um auf die nächste Beerdigungsfahrt zu warten. Doch dann überlegte er, dass der Trick nur funktioniert hätte, wenn die Milizionäre ihn und Lasseur eine Weile nicht vermisst hätten, was nicht sehr wahrscheinlich war, weil Hellard ja ihre Verlegung auf die Samson bereits angeordnet hatte. Die schnelle Entdeckung ihrer Flucht hätte es unmöglich gemacht, den Trick mit dem Loch anzuwenden, was vielleicht seine gute Seite hatte, weil die Löcher in den Decks bis jetzt noch nicht entdeckt worden waren - zumindest bis zum nächsten erfolgreichen Ausbruch.

Souville und Le Jeune hatten fast die gleiche Methode benutzt, um von der Bristol zu fliehen. Mit ähnlichem Werkzeug hatten sie ein Loch in die Seite des Schiffs gesägt, dicht über dem Wasserspiegel, aber unter dem Steg, auf dem die Wachen patrouillierten. Sie hatten vier Wochen gebraucht, um ein Stück Holz einzufärben und so zuzuschneiden, dass es über ihre Arbeitsstelle im Schiffsrumpf passte. Dann waren sie bei Dunkelheit durch das Loch geschlüpft und an Land geschwommen, wo einer von Morgans Kontaktleuten auf sie wartete.

»Übrigens«, sagte Rousseau zu Lasseur, »wenn Sie etwas wirklich Komisches hören wollen, dann fragen Sie Louis mal, wie er entwischt ist.«

»Wie sind Sie denn vom Schiff gekommen?«, fragte Lasseur.

Beaudouin grinste. »In einem schicken blauen Häubchen.«

Hawkwood und Lasseur hörten mit Erstaunen, dass die Brunswick für die Bewohner von Chatham eine regelrechte Attraktion geworden war. Für ein paar Münzen und mit dem Einverständnis des Captains ruderten ansässige Fischer die Einheimischen regelmäßig zum Hulk hinüber. Dort wurden sie auf das Quarterdeck geführt, um von dort aus die Gefangenen anzugaffen. Noch erstaunlicher war es, dass viele dieser Besucher Frauen waren, und das hatte Beaudouin auf seine Idee gebracht.

Im verzweifelten Bemühen, die Zeit auf dem Schiff totzuschlagen, waren die Gefangenen auf die Idee gekommen, eine Theatergruppe zu gründen, mit der sie für ihre Mitgefangenen kleine Stücke aufführten, die sie selbst geschrieben hatten. Der Höhepunkt ihrer Darbietung sollte ein romantisches Melodram sein, in dem es um einen Piraten und seine Braut ging.

»Ich spielte die Braut«, erzählte Beaudouin lachend, »weil ich ein so zartes Gesichtchen habe. Natürlich hatte ich damals keinen Schnurrbart«, fügte er ernst hinzu.

Die Theatergruppe hatte ihre Kostüme selbst gemacht. Das Anfertigen der Kostüme für die Frauenrollen jedoch hatte erhebliche Schwierigkeiten aufgeworfen, also hatte man an die weiblichen Bewohner von Chatham appelliert. Die Spenden waren sackweise gekommen. So kam Beaudouin zu seiner Verkleidung, es fehlte nur noch die passende Gelegenheit.

Er wählte den Moment an einem der Besuchertage. Beaudouin hatte sich in der Nähe einer der Luken zum Quarterdeck versteckt, wo er sich unter die Besucher mischte, die gerade das Schiff verlassen wollten. Er raschelte mit seinen Petticoats und hielt sich zierlich ein Taschentuch vor das Gesicht, als sei er ganz überwältigt von dem Geruch und all dem Schrecklichen, das er soeben gesehen hatte. Der schlimmste Moment kam, als er sich der Annäherungsversuche eines Milizionärs erwehren musste, der Beaudouins Bemühen, sein Gesicht zu verstecken, für kokettes Flirten hielt.