»Und Gold ist der Schlüssel zu allem?«, fragte Hawkwood.
Morgan drehte sich um und deutete mit dem Finger auf ihn. »Ganz genau, Captain Hooper. Gold allein ist der Schlüssel. Es ist weder Brandy noch Baumwolle, was die Welt am Laufen hält, sondern Gold. Der Wert der Goldreserven entscheidet, wie reich ein Land ist. Vielleicht wissen Sie es nicht, aber’97 gab es einen großen Run auf unsere Banken. Die Regierung hatte eine solche Angst, das Gold könnte uns ausgehen, dass sie sämtliche Exporte verbot. Sie verbot auch der Bank von England, es auszugeben. Sie nannten es hochtrabend den ›Bank Restrictions Act‹. Diese verdammten Idioten dachten tatsächlich, sie könnten sich auf Papiergeld verlassen.« Morgan schüttelte den Kopf. »Aber wir alle wissen, wie viel das im Krieg wert ist, nicht wahr? Und wenn man eine Armee und eine Navy zu finanzieren hat, sind das schlechte Vorzeichen.
Also fingen die britischen Händler an, ihre Rechnungen mit Gold zu bezahlen. Aber sie konnten englisches Gold nicht exportieren, deshalb kauften sie fremdes. Und als das langsam zur Neige ging, griffen sie auf unsere Reserven zurück, und das ließ die Preise hochschießen, und das hat dann alles verändert.«
Morgan erwärmte sich für sein Thema, während Hawkwoods Gesichtsausdruck immer interessierter wurde.
»Sehen Sie, es dauerte gar nicht lange, bis irgend so ein heller Kopf darauf kam, dass man, wenn man in London mit britischem Geld Gold kauft und es dann auf dem Kontinent, wo Gold einen besseren Preis erzielt, für britisches Geld wieder verkauft, gut daran verdienen kann. Und als wir erfuhren, dass Bonaparte Gold brauchte, um seine Armeen zu bezahlen, konnten wir unser Glück kaum fassen. Mithilfe unserer Kontakte in London fingen wir an, ihm britische Guineen zu schicken. Wen kümmert es, dass sie an den Feind gehen, solange wir daran verdienen?
Und für uns Schmuggler ist das doppelt gut, denn solange wir ihn mit Guineen versorgen, hält Bonaparte seine Häfen für uns offen, und wir können ihm zu noch mehr Geld verhelfen, indem wir ihm seinen Brandy, seine Seide und alle möglichen anderen Luxuswaren abkaufen. Und so sind alle zufrieden.« Morgans Gesicht verdüsterte sich. »Oder zumindest waren wir es so lange, bis der verfluchte Zoll dazwischenkam und uns alles aus dem Ruder lief.«
In seiner Wut hatte Morgan seine Zuhörer vergessen und den letzten Satz auf Englisch gesagt.
»Ruder?«, sagte Lasseur, verwirrt von dem plötzlichen Wechsel in die andere Sprache.
»Haben uns doch unsere verdammten Schiffe genommen, oder etwa nicht?«
Morgan hielt inne und bemerkte seinen Irrtum. Er machte eine entschuldigende Handbewegung und sprach auf Französisch weiter. »Anordnung der Regierung, alle Galeeren im Südosten aufzubringen und zu zerstören. Dover, Folkstone, Sandgate, Hythe - es gibt kaum eine Stadt, die nicht betroffen ist. Allein in Deal wurden fast zwanzig Schiffe beschlagnahmt. Damit ist diese Stadt schon zum zweiten Mal mit voller Wucht getroffen worden. Ich war’84 dabei, als Pitt seine Truppen dort hinschickte. Er wollte den Bewohnern eine Lektion erteilen, wegen ihrer Beteiligung am Schmuggel. Setzten die gesamte Flotte in Brand. Alle Schiffe - in einer Nacht verbrannt.«
Morgan schüttelte verächtlich den Kopf. »Und dann wundern sie sich, wenn die Bewohner von Deal zur Rebellion neigen. Sie würden auch rebellieren, wenn Sie Ihre Lebensgrundlage in Flammen aufgehen sähen. Mein Gott, und’08 war die Regierung froh, die Hilfe von Deal anzunehmen, als es darum ging, die dänische Flotte nach England zurückzubringen, und ihre Galeeren in Walcheren zu benutzen, und sie haben auch nichts dagegen, wenn wir ihnen weitergeben, was wir über Boneys Umtriebe erfahren. Aber wenn so ein armes Arschloch von Fischer oder Fußsoldat versucht, seine Familie zu ernähren, indem er ein paar Fässer an Land schleppt, dann ist das natürlich was ganz anderes. Und glauben Sie, dass auch nur ein Mensch jemals an eine Entschädigung denkt, wenn einem Mann das Boot weggenommen oder verbrannt wird? Einen Teufel werden die tun!«
Morgan sammelte die Münzen wieder ein und tat sie zurück in den Beutel. Trotz seines offensichtlichen Ärgers waren seine Bewegungen langsam und kontrolliert.
Nachdem die letzte Münze verschwunden war, sah er auf und seufzte. Als er weiter sprach, war seine Stimme ruhig. »Ich sagte Ihnen vorhin, es sei nichts Persönliches, sondern nur ein Geschäft. Nun, das ist nicht die ganze Wahrheit. Denn die beschlagnahmten Galeeren gehörten mir. Ich arbeite mit ihnen, weil sie unabhängig vom Wind sind. Sie sind schnell und manövrierfähig und man braucht keine große Mannschaft. Ein gutes Team kann den Kanal in zwei Stunden überqueren. Aber ohne Galeeren ist das Risiko, mit einem Goldtransport abgefangen zu werden, wesentlich größer. Und wenn ich nicht liefere, macht Bonaparte seine Häfen dicht, und damit entgeht mir das Geschäft. Ich habe Kunden, die von mir abhängen. Ich habe Verpflichtungen, Investoren, die es nicht gut aufnehmen würden, wenn ich sie im Stich ließe. Mein Ruf steht auf dem Spiel. Und das macht die Sache auch persönlich.« Morgan unterbrach sich, dann sagte er: »Und darum sind Sie hier, meine Herren. Der Teufel soll die Bastarde von der Regierung holen; mit Ihrer Hilfe werde ich denen eine Lektion erteilen, die sie nie vergessen werden.«
»Wie?«, fragte Lasseur.
»Ich werde es ihnen mit gleicher Münze heimzahlen. Sie haben mir etwas weggenommen, also werde ich ihnen auch etwas wegnehmen. Die glauben, sie haben die Goldtransporte gestoppt. Ich werde sie eines anderen belehren. Ich werde dafür sorgen, dass Bonaparte sein Gold bekommt.«
»Hawkwood sagte: »Und wie wollen Sie das machen?«
»Ich werde es stehlen.«
»Von der Regierung?«
»Nicht direkt.«
»Von wem dann?«
Morgan lachte. »Von Wellington.«
»Lord Wellington?«, fragte Hawkwood vorsichtig.
Morgan warf Pepper den Beutel mit den Münzen zu, der ihn geschickt mit einer Hand auffing. »Kennen Sie noch einen anderen?«
Hawkwood ignorierte die Gegenfrage. »Das Letzte, was ich hörte, war, dass Wellington noch in Spanien ist. Wie wollen Sie denn sein Gold stehlen?«
»Nun, genaugenommen gehört es der Armee, denn damit sollen ja Old Noseys Truppen bezahlt werden.«
»Sie wollen, dass wir Ihnen helfen, der britischen Armee Gold zu stehlen?« Rousseau zwinkerte hinter seinen Brillengläsern.
Hawkwood warf einen schnellen Blick über die Gesichter rings am Tisch. Alle waren gleichermaßen fassungslos.
Nach einer längeren Pause fragte Souville endlich: »Wie viel Gold?«
Morgan legte die Handflächen auf den Tisch und beugte sich vor. »Im Werte von fünfhunderttausend Pfund.«
Beaudouin, dessen Augen weit aufgerissen waren, brach als Erster das Schweigen. »Wie viel ist das in Francs?«
»Ungefähr zwölf Millionen«, sagte Rousseau, der sich zurücklehnte und seine Brille mit einem Hemdzipfel putzte.
»Allmächtiger!«, entfuhr es Leberte.
Morgan sah sich im Raum um. »Darf ich davon ausgehen, dass ich Ihr Interesse geweckt habe, meine Herren?«
Das kannst du wohl sagen, dachte Hawkwood, dem fast schwindelig war.
»Dieses Gold«, sagte Lasseur vorsichtig, »wo ist es denn jetzt?«
»Es ist weniger wichtig, wo es im Moment ist. Worauf es ankommt, ist, wo es in vier Tagen sein wird.«
»Und wo ist das?«