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Ab und zu wanderte sein Blick zu einem Gast, der allein am Tisch neben der Treppe nach unten saß. Der Mann hatte ebenfalls den Rücken der getäfelten Wand zugekehrt. Er war jung, hatte ein energisches Gesicht und dunkle, intelligente Augen. Wenn er einen Schluck aus dem Glas nahm, führte er diese Bewegung so knapp und sparsam aus, dass man glaubte, er tat es nur, um Hand und Arm etwas zu bewegen und nicht, weil er den Inhalt seines Glases besonders genoss. Sowie ein Kunde aus dem Erdgeschoss heraufkam, stellte er sein Glas ab, wie um die Hände frei zu haben. Manchmal tauschte er einen Blick mit dem grauhaarigen Mann, aber meist hatte er die Augen auf die Treppe gerichtet. Der Name des jungen Mannes war Micah.

Eine neue Runde wurde gespielt. Die Steine wurden in schneller Folge hingelegt, nur unterbrochen von einem Klopfen, wenn ein Spieler nicht bedienen konnte. Obwohl um Geld gespielt wurde, war die Stimmung freundlich und entspannt.

Den letzten Spielstein in der Hand, vor sich eine Schlange von Dominosteinen, die sich wirr über den Tisch zog, sah der grauhaarige Mann abermals hoch und betrachtete die Gesichter der Kommenden und Gehenden, der Bekannten und Unbekannten, und überlegte, ob es sich um Freunde oder Feinde handelte.

Seine Augen wanderten zum Tisch an der Treppe. Er wurde sofort aufmerksam. Micah war nicht mehr allein. Neben ihm stand ein kleiner, krummbeiniger Mann mit Brille, schwarzer Hose und Jacke und einem ausgebleichten Dreispitz. Eine gepuderte Perücke, die schon bessere Tage gesehen hatte, lugte unter dem hochgeschlagenen Rand hervor. Der ältere Mann redete, Micah hörte zu. Schließlich nickte Micah, drehte sich um und sah zum Tisch der Dominospieler.

Der grauhaarige Mann legte seinen letzten Spielstein an und strich seinen Gewinn ein. Er schob den Stuhl zurück, stand auf und ließ die Handvoll Münzen in seine Tasche gleiten.

»Danke für das Spiel, Jungs. Ihr müsst jetzt ohne mich weitermachen - die Pflicht ruft.« Er ignorierte die Proteste der anderen Spieler, drehte sich um und ging zur Treppe.

Ezra Twigg sah ihm entgegen.

Als der grauhaarige Mann seinen Tisch erreicht hatte, stand Micah auf.

»Nun, Mr. Twigg …« Nathaniel Jago sah den kleinen Sekretär an und seufzte: »Wenn Sie hierherkommen, kann das nur einen Grund haben. Was hat der verrückte Hund denn jetzt wieder gemacht?«

Die vier Reiter hatten die Hügelkuppe erreicht und lenkten ihre Pferde auf den Waldrand zu. Das Mondlicht warf Schatten auf die Gesichter der Männer, die genauso gesprenkelt aussahen wie das Laub der Bäume, unter denen sie dahinritten. Ihre Aufmerksamkeit galt einem niedrigen Cottage, das, etwas von der Straße zurückgesetzt, etwa dreihundert Yards vor ihnen lag. Das übrige Dorf lag etwas weiter entfernt, insgesamt etwa ein Dutzend Häuser. Von dem Cottage bis zum nächsten Nachbarn waren es etwa hundert Schritte.

»Sieht ruhig aus«, murmelte McTurk. Nach dieser Feststellung zog der Ire den Rotz hoch und spuckte in die Büsche.

Lasseur rümpfte angewidert die Nase.

»Siehste was?«, fragte McTurk den Reiter zu seiner Linken flüsternd.

»Schätze, die Luft ist rein.«

McTurk sah Hawkwood an. »Alles klar?«

»Wir vergeuden Zeit«, sagte Hawkwood. »Machen wir voran.«

Sie lenkten die Pferde aus dem Wald zurück auf den Weg und ritten zu zweit nebeneinander, McTurk und Croker voran.

Hawkwood fühlte eine sanfte Brise auf seiner Wange. Sie brachte den Geruch des Meeres mit sich, von dem sie weniger als eine Meile entfernt waren. Er bildete sich ein, die Wellen auf dem Kiesstrand zu hören, tat es aber als Einbildung ab. Doch wenn er nach rechts blickte, sah er durch die Bäume gelegentlich das Mondlicht auf dem Wasser glänzen.

McTurk und Croker sprachen nicht, und Lasseur neben ihm schwieg ebenfalls. Sie merkten nur an der Bewegung der Pferde und am Kerzenlicht in den Häusern vor ihnen, dass sie vorankamen.

Es war eine Weile her, seit Hawkwood geritten war. Das letzte Mal war es in Spanien gewesen, als er an der Seite der guerilleros bei Überfällen auf die Franzosen dabei gewesen war. Er hatte sich nie für einen besonders guten Reiter gehalten, und sein Verhältnis zu Pferden war gespalten. Und doch, als er in Morgans Stall aufgesessen war und seine Stiefel in den Steigbügeln steckten, war es ihm, als hätte es diese Pause nie gegeben.

Lasseur wirkte sehr sicher im Sattel und führte die Zügel, als täte er es schon seit frühester Kindheit, was vermutlich auch der Fall war. Hawkwood erinnerte sich, wie Lasseur ihm vom Tod seiner Frau erzählt hatte. Er vermutete, dass der Privateer trotz seines Berufes ein perfekter Reiter war, der seine Frau wahrscheinlich bei ihrem Morgengalopp begleitet hatte, wenn er zu Hause war. Er wusste, dass Lasseurs Unbehagen mit der moralischen Seite ihres Auftrags zu tun hatte und weniger mit der Angst, vom Pferd zu fallen und sich den Hals zu brechen oder unter den Hufen zertrampelt zu werden.

Der Schrei eines Nachtvogels durchbrach die Dunkelheit. Die Pferde stellten die Ohren auf. Hawkwood legte beruhigend die Hand auf den Hals seines Tieres und merkte, wie sich die Muskeln unter dem glatten braunen Fell wieder entspannten. Sie waren etwa zweihundert Yards vom Haus, als Lasseur sich zu ihm hinüberbeugte und auf Französisch flüsterte: »Ich habe nicht die Nerven dafür, mein Freund.«

»Ich habe dir ja gesagt, dass ich es mache«, sagte Hawkwood im selben Ton.

Lasseur setzte sich wieder in den Sattel zurück und verstummte. Sein Gesicht war nachdenklich.

Hawkwood dachte nicht, dass die Männer vor ihm Französisch sprachen, aber er wartete darauf, ob sie reagieren würden. Sie gaben keinerlei Anzeichen, dass sie es verstanden hatten, vielleicht waren sie aber auch nur gute Schauspieler.

»Ich schicke Ihnen zwei meiner besten Kundschafter mit«, hatte Morgan gesagt. »Sie sagten, Sie hätten Captain Lasseur gern dabei, aber Pat und Jack kennen den Weg und können Jilks auch identifizieren. Danach hängt alles von Ihnen ab. Wenn Sie Schwierigkeiten haben sollten, was ich aber bezweifle, dann sind das zwei gute Männer, die Ihnen bei einem Gefecht beistehen werden.«

Hawkwood hatte erwartet, dass nur ein Mann sie begleiten würde. Morgans Ankündigung, dass es zwei sein würden, war ihm nicht ganz recht gewesen, ebenso wie seine andere Bedingung.

»Es ist möglich, dass eine Frau bei Jilks ist. Ich habe keinen Krieg mit Frauen. Tun Sie ihr nichts.«

»Seine Frau?«

Morgan hatte die Schultern gezuckt. »Haushälterin, was weiß ich? Jedenfalls rühren Sie sie nicht an. Geben Sie mir Ihr Wort darauf?«

»Ich habe auch keinen Krieg mit Frauen«, sagte Hawkwood und dachte an die Mörderin Catherine de Varesne, und wie er ihr an einem Londoner Kai eine Kugel durch den Hals gejagt hatte.

Sie hielten an. Das Cottage war keine hundert Schritt mehr entfernt. Irgendwo in der Dunkelheit bellte ein Hund, und Hawkwood musste sein Pferd wieder beruhigen. Auf ein Signal von McTurk lenkten sie ihre Pferde in den Schutz eines Dickichts, wo sie absaßen.

Hawkwood sah zum Cottage hinüber. Dort gab es keinerlei Bewegung. In einem der unteren Räume brannte Licht. Er nahm seine Pistole aus dem Gürtel und wandte sich an McTurk. »Wir gehen zusammen. Croker bleibt hier mit Captain Lasseur, als Wache und um auf die Pferde aufzupassen.«

McTurk wirkte nicht sehr begeistert, dass er einen Befehl entgegennehmen sollte. Er zog die Augenbrauen zusammen, während er über eine passende Antwort nachdachte. Doch schließlich sah er ein, dass Hawkwoods Befehl vernünftig war; er sah Croker an und nickte. Er war etwas kleiner als Hawkwood, sehnig und stark, mit dunklen keltischen Gesichtszügen. Seine eigene Pistole trug er an einem Pistolengürtel vor der Brust. In seinem Koppel steckte ein schwerer hölzerner Schlagstock. Hawkwood fand, dass er agil und zäh aussah.

Im Gegensatz dazu war Croker untersetzt, mit großen Händen und einem harten Gesicht, das gut zu einem Faustkämpfer gepasst hätte.