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Er drehte sich um und sah, wie Lasseur Fuß fasste, mit Sols Pistole zielte und schoss. Der Wachmann, der in fünfzig Schritt Entfernung gestanden hatte, schrie auf, taumelte zurück und umklammerte seine Schulter. Lasseur warf die Waffe weg.

Zwanzig Yards von den Palisaden entfernt sah Hawkwood, dass er sich vielleicht verrechnet hatte. Das hölzerne Flickwerk in der Mauer war solider, als er gedacht hatte.

Hawkwood gab Lasseur die Pistole, die er Croker abgenommen hatte. »Mach guten Gebrauch von ihr. Es ist alles, was wir noch haben, um sie aufzuhalten.«

Er merkte selbst, wie jämmerlich dieser Rat klang. Doch Lasseur nickte nur. Er nahm die Waffe und sah der Bedrohung entgegen.

Hawkwood rannte zu den Werkzeugen und suchte verzweifelt nach etwas, womit man die Palisadenpfähle auseinanderhebeln konnte. Es gab zwei Schaufeln, zwei Spitzhacken, mehrere Hämmer und eine Brechstange. Er nahm die Brechstange, aber er wusste bereits, dass sie eigentlich in der Falle saßen.

Wir hätten es doch mit den verdammten Pferden versuchen sollen, dachte er.

Und dann sah er etwas. Am Fuße der Mauer, teilweise verborgen unter Kalk und Sandsäcken.

Eine Leiter.

Er rannte darauf zu, während Lasseur ihm verzweifelt zurief: »Sie kommen immer näher!«

Blitzschnell stellte Hawkwood die Leiter an die Mauer. Im selben Augenblick hörte er in der Ferne einen Schuss - er kam aus einer Muskete - und duckte sich instinktiv, obwohl er wusste, auch dieser Schütze war noch zu weit entfernt. Erst wenn die Entfernung weniger als hundert Yards betrug, würde er anfangen, sich Sorgen zu machen. Er wusste jedoch auch, dass das in wenigen Sekunden der Fall sein würde.

Er hielt die Leiter fest und schrie Lasseur an: »Komm schon, verdammt nochmal!« Er sah, dass auch der erste Wachmann, der zunächst stehen geblieben war, um seinem verwundeten Kollegen die Pistole abzunehmen, schnell näher kam.

Lasseur drehte sich um und rannte. Ein unsichtbarer Finger zupfte an seinem Jackenärmel. Hawkwood hörte, wie der Privateer verzweifelt stöhnte, während er sich nach vorn warf und anfing zu klettern. Mit wütendem Gebrüll, weil sein Schuss das Ziel verfehlt hatte, ergriff der Wachmann seinen Schlagstock und kam auf sie zu.

Lasseur drehte sich auf seiner Leitersprosse um und zielte auf ihn. »Stehenbleiben!«

Der Wachmann blieb wie angewurzelt stehen.

»Eine Bewegung, und ich schieße«, sagte Lasseur.

Der Wachmann starrte ihn an.

»Zwing mich nicht dazu«, sagte Lasseur.

Hawkwood sah zurück und stellte fest, dass Morgans Leute schnell näher gekommen waren. Sie waren schon um die Ruine herum und jetzt nur noch etwas über hundert Yards entfernt. Einer der Männer kniete. Ein Musketenschuss fiel. Die Kugel traf die Sprosse neben Hawkwoods rechter Hand. Er spürte, wie ein Splitter in sein Handgelenk eindrang.

Lasseur saß rittlings auf der Mauer. Noch immer hatte er die Pistole auf den Wachmann gerichtet, der in weniger als dreißig Yards Entfernung stand und sich nicht rührte. Er hatte gesehen, wie Lasseurs erster Schuss seinen Kameraden niedergestreckt hatte, und wollte nicht das gleiche Schicksal erleiden.

»Nein!«, schrie Hawkwood. »Warte nicht! Lauf!«

Doch Lasseur ignorierte ihn, steckte die Pistole in den Gürtel und streckte die Hand aus.

Der Wachmann nutzte die Gelegenheit und rannte auf sie zu. Hawkwood ergriff Lasseurs Hand, schwang sich nach oben und warf sich auf die Mauer. Als er nach unten griff, um die Leiter zu erreichen, fiel ein weiterer Schuss. Er zog die Schultern hoch und spürte den Luftzug, als die Kugel an seinem Ohr vorbeipfiff und in die Mauer drang.

Der Wachmann war nur noch wenige Schritte entfernt.

»Keine Zeit«, keuchte Lasseur, als er sah, was Hawkwood vorhatte.

Doch als Hawkwood sich hinabbeugte und die oberste Sprosse der Leiter ergriff, tat Lasseur es ebenfalls.

Mit ausgestrecktem Arm machte der Wachmann einen Sprung und griff in die Luft. Gemeinsam zogen Hawkwood und Lasseur die Leiter hoch und warfen sie über die Mauer.

Als sie fiel, erklangen weitere Schüsse. Steinsplitter spritzten auf, als die Männer losließen. Jetzt war keine Zeit, um zu überlegen, wie ein Sprung aus neun Fuß Höhe ausgehen könnte. Hawkwood sprang, verfehlte um ein Haar die umgestürzte Leiter und rollte über den Boden. Doch im nächsten Moment war er schon wieder auf den Beinen. Zusammen mit Lasseur sprintete er auf die Bäume zu.

Der Wald umschloss sie, dicht und von allen Seiten. Es gab keinen erkennbaren Weg, nur ab und zu eine lichte Stelle im Unterholz. Sie rannten, unter ihren Füßen knackten Äste, Brombeerranken zerrten an ihren Kleidern. Sie erreichten eine kleine Lichtung, überquerten sie und standen vor einer kleinen Schlucht, die von überhängenden Ästen fast verdeckt war. Ein Wildwechsel, nahm Hawkwood an, als er die Fährten sah, die von noch kleineren Spuren durchzogen waren, was auf Fuchs oder Dachs hinwies.

Sie sprangen in die Schlucht und rannten, so schnell der unebene Boden es gestattete, vorsichtig, um den Halt nicht zu verlieren, und kamen schließlich am Fuße einer Böschung in ein noch unwegsameres Dickicht. Sie blieben stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Ihre Lungen fühlten sich an, als müssten sie bersten. Hawkwood versuchte, den Hang hinaufzuschauen, wo sie gerade hergekommen waren, aber der Wald war so dicht, dass man nichts sehen konnte.

Als sie in den Wald gekommen waren, war ihre Ankunft von einer Schar laut schreiender Vögel kommentiert worden, doch jetzt war alles Leben um sie herum verstummt. Die Tiere überlegten offenbar noch, was sie von dieser Invasion zu halten hatten.

Sie gingen weiter. Ihr einziges Ziel war es jetzt, den Abstand zwischen sich und ihren Verfolgern so weit wie möglich zu vergrößern. Sie wussten, dass Morgan die Verfolgung nicht aufgeben, sondern im Gegenteil alle Kräfte aufbieten würde, und deshalb war es klug, so lange wie möglich auf dem Wildwechsel zu bleiben. Das war besser, als durch die weniger zugänglichen Strecken des Waldes zu stolpern, wo ihre Verfolger sie leichter einholen konnten. Hawkwood schätzte, dass sie vielleicht etwas über eine Meile weit gelaufen waren, seit sie die Mauer bezwungen hatten. Es war noch nicht weit genug. Doch solange sie sich versteckt hielten und einigermaßen schnell vorankamen, hatten sie eine Chance.

Es war warm, selbst im Schatten der Bäume. Sie waren beide in Schweiß gebadet, als Hawkwood abermals haltmachte. Mit laut pochendem Herzen stand er still und lauschte. Die Sonne schien durch das dichte Blätterdach und warf Schatten auf das Pflanzendickicht. Das Einzige, was zu hören war, waren Vogelrufe.

»Ich glaube, ich habe Masson und Leberte gesehen«, sagte Lasseur nach Luft ringend.

Hawkwood runzelte die Stirn und versuchte ebenfalls, zu Atem zu kommen. »Wo?«

»An der Mauer. Sie waren unter denen, die hinter uns herkamen. Leberte hatte eine Muskete.«

»Dann war das wahrscheinlich der Grund, warum ich nicht getroffen wurde. Ich habe noch nie viel von französischen Schützen gehalten.« Hawkwood lachte.

»Vielleicht hat er absichtlich danebengeschossen«, sagte Lasseur immer noch keuchend.

Hawkwood dachte über diese Möglichkeit nach und fragte sich, ob Lasseur sich nicht vielleicht an einen Strohhalm klammerte.

»Das werden wir wahrscheinlich niemals erfahren«, sagte Hawkwood.

Dann hörte er es. Der Lärm kam von irgendwo in den Bäumen jenseits der Schlucht, aus der Richtung des Haunt.

Es war Hundegebell.

Er sah, wie Lasseur bleich wurde, als ein zweiter Hund einstimmte und ein Heulen ertönte wie von armen Seelen, die Höllenqualen litten.