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»Sind Sie sicher, daß die Königin schläft?« fragte er spöttisch. Damit griff er nach der Klinke. Der Schlafraum war dunkel, die Läden waren geschlossen, Vorhänge und Stores herabgelassen.

Der König eilte zum Bett.

»Ah, Madame de Misery, was soll der Lärm?« murmelte schlaftrunken die Königin.

»Guten Morgen, Madame«, sagte der König mit sauersüßer Miene, während er forschende Blicke um sich warf.

»Sie sind es, Sire? Was führt Sie zu so früher Stunde hierher? -Madame de Misery, öffnen Sie die Fenster.« »Warum haben Sie gestern nicht empfangen, Madame?« fragte der König.

»Wen? Monsieur de Provence?« fragte die Königin geistesgegenwärtig, dem Verdacht ihres Gatten vorgreifend.

»Richtig. Er hatte sich angemeldet, Ihnen seine Aufwartung zu machen. Man entgegnete ihm, Sie wären abwesend.«

»Madame de Misery, hat man Herrn de Provence gestern gesagt, ich sei nicht im Schloß?«

Madame de Misery, die der Königin ein Tablett mit Briefen ans Bett brachte, wobei ihr Finger auf einem Schreiben lag, dessen Handschrift Marie-Antoinette sofort erkannte, gab zur Antwort: »Sire, man hat Monseigneur lediglich gesagt, daß Madame nicht empfange.«

Unterdes hatte die Königin das Schreiben gelesen: Sie sind gestern abend um acht Uhr aus Paris zurückgekehrt. Laurent wird es bezeugen.

»Nun, Sire«, sagte die Königin, indem sie die übrigen Briefe entsiegelte, »steht es mir nicht frei, Ihren Herrn Bruder zu empfangen oder nicht zu empfangen? Sie wissen, sein Esprit langweilt mich. Ich bin lieber zu Bett gegangen.«

»Ah, und ich meinte, Sie wären in Paris gewesen.«

»Gewiß war ich in Paris, aber man kommt doch von dort zurück?«

»Fragt sich nur, wann, Madame.«

»Madame de Misery, wann bin ich gestern aus Paris gekommen?«

»Etwa um acht Uhr, Majestät.«

»Mir scheint, Sie täuschen sich, Madame de Misery«, entgegnete der König.

»Madame Duval«, wurde eine der Zofen gefragt, die im Vorzimmer warteten, »wann kam Ihre Majestät gestern aus Paris?«

»Es mag gegen acht Uhr gewesen sein«, war die Antwort.

»Laurent!« rief Madame de Misery durchs Fenster hinunter, »wann war Ihre Majestät gestern abend aus Paris zurück?«

»Um acht Uhr«, rief der Pförtner von der Terrasse herauf.

Auf einen Wink der Königin verschwanden die diensthabenden Damen.

»Verzeihen Sie mir, Madame«, sagte Ludwig beschämt, »ich weiß nicht, was mir in den Sinn gekommen war.«

»Sire«, und Marie-Antoinette zog ihre Hand zurück, die der König zum Zeichen der Versöhnung küssen wollte, »eine Königin von Frankreich lügt nicht. Ich habe das Schloß erst heute morgen um sechs Uhr betreten. Ohne den Beistand des Grafen d'Artois hätte ich wie eine Bettlerin vor verschlossenen Toren genächtigt.«

Ludwig blickte betroffen.

»Sie sehen, Ihre Leute waren auf dem Posten, aber auch ich habe meine Hilfskräfte. Wünschen Sie, daß wir in dem Stil fortfahren, dann bedenken Sie, welche Auswirkungen Ihr grober Scherz auf die Würde des Königtums und die Ehre der Königin von Frankreich haben könnte.«

»Madame, ich hatte also recht, Ihnen eine Lektion erteilen zu wollen. Mir war gemeldet worden, daß Sie mit Ihren Kavalieren im Schlitten nach der Stadt gefahren sind. Diese leichtlebigen jungen Herren kompromittieren Sie vor dem Volk von Paris. Sie vergessen, in welcher kritischen Situation wir uns befinden. Halten Sie es für verantwortlich, die Stadt gegen uns zu erbittern und skandalös spät in der Nacht zurückzukehren?«

»In meiner Begleitung befand sich nur Fräulein von Taverney, deren Rufja wohl über jeden Zweifel erhaben ist. Und in Paris war ich einzig, um mich persönlich zu überzeugen, wie die Enkelin eines großen Fürsten, eine Valois, in diesem Lande dem Elend preisgegeben ist.«

Der König brach in Lachen aus.

»Ah, ich weiß, ich weiß, Sie meinen diese kleine Intrigantin. Sie überschüttet meine Minister, bedrängt meine Tanten, überhäuft mich selbst mit Bittgesuchen.«

»Wenn sie, wie ich anhand ihrer Beweisstücke feststellen konnte, eine Valois ist, sollte sie eine Pension und ihr Gatte ein Regiment erhalten, wie es sich für die Abkömmlinge eines Königshauses geziemt.«

»Vorsicht, Madame, übereilen Sie nichts. Diese kleine Valois wird mir noch genug Federn ausrupfen. Sie hat einen scharfen Schnabel.«

»Ich habe ihr vorerst hundert Louisdor gegeben.«

»Hundert Louisdor, Madame, in diesen Zeiten! Wissen Sie, wie es um die Staatsfinanzen aussieht? - Nun gut, das mag der Frau zunächst reichen. Nur keine Pension, nichts Festes. Ihr gutes Herz ist da in eine Falle gegangen, glauben Sie mir. Nun denn, ich bitte Sie für meinen Scherz, wie Sie es nannten, um Ihres guten Herzens willen um Vergebung.«

Damit führte Ludwig ihre Hand an seine Lippen.

»Nein, Sire«, sagte die Königin, »Sie sind nicht gut zu mir.«

»Was geben Sie mir«, entgegnete lachend der König, »wenn ich Ihnen beweise, daß ich nicht einmal richtig böse war, als ich zu Ihnen kam?« Und lächelnd griff der König in seine Tasche, aber so langsam, wie jemand, der die Geduld eines Kindes auf die Probe stellt, dem er ein Spielzeug schenken will.

Neugierig setzte sich die Königin auf. Endlich zog er ein goldgeziertes Etui aus rotem Maroquinleder hervor. Er bot es ihr dar, und sie öffnete es hastig.

»Oh, ist das schön! Mein Gott, ist das schön!« rief sie, starr vor Entzücken.

Und sie ergriff mit beiden Händen ein Halsgeschmeide von so wunderbarem Feuer, daß in ihren schlanken Fingern eine Flut von Phosphor und Flammen zu funkeln schien.

Die Königin betrachtete die Diamanten, groß wie Haselnüsse und von vollkommenster Reinheit, mit atemlosem Staunen.

»Oh, ist das herrlich, Sire!« rief sie endlich. »Wie kunstvoll die Steine nach der Größe geordnet sind! Der Juwelier, der dieses Kollier gefertigt hat, ist ein Künstler. Ich vermute, die Herren Boehmer & Bossange?«

»Sie haben es erraten, Madame. Nur, hüten Sie sich, meine Liebe, hüten Sie sich vor Ihrer Begeisterung, dieses Halsband würden Sie hoch bezahlen.«

»Oh, Sire!« rief die Königin, und ihr strahlendes Antlitz verdunkelte sich. »Ist es wirklich so teuer?«

»Allerdings«, sagte Ludwig, »aber lassen Sie mir die Freude, es an Ihrem Hals zu sehen. Erst dort erhält es seinen wahren Wert.«

Hiermit griff der König nach den beiden Enden des Kolliers und wollte es seiner Gemahlin um den Hals legen.

»Nein«, sagte die Königin bestimmt, »keine Kindereien! Dieser Schmuck ist vermutlich seine eineinhalb Millionen wert. Und die Schatzkammern des Königs sind leer. Ich hörte, so viel koste ein Linienschiff. Der König von Frankreich braucht ein Linienschiff dringender als die Königin ein Kollier.«

»Ihr Verzicht ist erhaben, Antoinette. Frankreich wird Sie dafür segnen.«

Die Königin seufzte auf.

»Sie bedauern Ihren Entschluß?« sagte Louis. »Noch ist es Zeit .«

»Nein, Sire, ich habe meine Worte wohl überlegt. Aber ich habe eine andere Bitte. Lassen Sie mich noch einmal nach Paris.«

»Das ist entschieden billiger.«

». zu Herrn Mesmer.«

Der König kratzte sich hinterm Ohr.

»Nun«, ließ er sich nach einigem Bedenken vernehmen, »da Sie eine Laune von eineinhalb Millionen ausgeschlagen haben, muß ich Ihnen diese wohl bewilligen, doch unter der Bedingung, daß Sie zu Ihrer Begleitung eine Prinzessin von Geblüt wählen.« »Wäre Ihnen Madame de Lamballe angenehm?« »Unbedingt. Und ich werde ein Linienschiff in Auftrag geben, das Sie, Madame, selbst taufen sollen auf den Namen Das Halsband der Königin.«

Das kleine Lever der Königin

»Heute«, verkündete die Königin froh, indem sie ans Fenster trat und die reine kalte Morgenluft einsog, »will ich auf dem Schweizer See ausfahren. Vielleicht ist morgen schon der Frühling da.«