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»Bin gleich wieder da.«

Kaum war ich drinnen, holte ich tief Luft.

Es war schön hinter dieser Wand. Goldene Sterne auf tiefblauem Grund und die Wanne in Perlmutt gefasst, wie in den pompejischen Thermen – vielleicht hatte der Raumgestalter dieses Motiv bewusst zitiert. Der Hausherr wusste bestimmt nichts davon.

Ganz schön waghalsig, einen Kunden dermaßen hochkochen zu lassen!, dachte ich mir. Irgendwann nimmt das noch mal ein böses Ende. Wer weiß, vielleicht drückt sich dieser Alexander ja auch irgendwas, so wie Michalytsch, oder schluckt Pillen? Dass er die ganze Zeit so komisch in der Luft herumschnuppert, wird seinen Grund haben …

Ich zog die Jeans aus, legte sie auf den Boden, schüttelte den Schweif auf und besah mich im Spiegel. Mein Stolz glich einem japanischen Fächer, mit rotem Pinsel bemalt. Schön. Noch dazu vor diesem blaugoldenen Hintergrund, ein märchenhafter Anblick. Ich fühlte mich im Vollbesitz meiner Kräfte wie nie zuvor: Sprudelte über vor Energie, es fehlte nicht viel, und aus den Grannen meines Schweifes wären kleine Kugelblitze geschossen. Eine komische russische Redewendung fiel mir ein: den Schwanz wie eine Pistole halten – den Mut nicht sinken lassen, soll das heißen. Keine Ahnung, wer das aufgebracht hat, da dürften Werfüchse die Hand im Spiel gehabt haben. Nun denn! sagte ich mir. Attacke!

Kurz vor dem Ausgang ging ich sozusagen in den Startblock. Atmete noch ein paarmal durch, passte die einzig richtige Millisekunde ab, in der alle Fasern deines Körpers: jetzt! rufen – und schoss wie ein Tornado aus dem Badezimmer.

Von da an blieb zum Denken keine Zeit mehr. Ich bremste ab, schwenkte den Hintern in die Zielrichtung, stemmte Hände und Füße kräftig gegen den Boden und ließ den Schweif über den Kopf schnellen. In einer der Spiegelflächen konnte ich mich kurz sehen: Ich glich einem kampfbereiten, furchterregenden roten Skorpion … Alexander hob den Blick, und bevor sein Lid auch nur zucken konnte, landete mein Schweif einen kontrollierten, zielgenauen Schlag mitten ins Zentrum seines Hirns.

Er versuchte die Augen mit der Hand zu schützen wie vor der blendenden Sonne. Dann ließ er die Hand wieder sinken, unsere Blicke trafen sich. Irgendetwas stimmte nicht. Mein Schweif kam nicht an bei ihm – und dabei stand er nur ein paar Schritte entfernt von mir und blickte auf mich, als könnte er nicht glauben, dass es so etwas Schönes gibt auf der Welt.

»Adèle«, flüsterte er, »mein Liebes …«

Was nun losging, war die Hölle.

Er schwankte, gab einen grässlichen Heullaut von sich – und kam buchstäblich aus seinem Körper gefallen: wie eine Knospe in wenigen Sekunden zu einer gruseligen, zottigen Blüte aufplatzt. Wie sich herausstellte, war der Mensch mit Namen Alexander nicht mehr als eine Zeichnung an der Pforte zur Unterwelt. Jetzt ging diese Pforte auf, und der, welcher mich schon geraume Zeit durchs Schlüsselloch beobachtet hatte, sprang heraus.

Vor mir stand ein Monster zwischen Mensch und Wolf, mit aufgerissenem Rachen und stechend gelben Augen. Zuerst dachte ich, Alexanders Kleider wären verschwunden. Dann sah ich, sie hatten sich mitverwandelt: Den Rumpf bedeckte ein asch-graues Fell, die Hinterpartien waren dunkler, an den Läufen konnte man die Biesen als verschwommene Spur noch erkennen. Auf der Brust des Tieres gab es einen länglichen Fleck, einer leicht verrutschten Krawatte ähnlich. Und als ich den Blick senkte, packte mich das blanke Entsetzen. Wie es dort unten bei einem erregten Wolf ausschaut, hatte ich noch nie gesehen. Ein aulgerissener Rachen war nichts dagegen.

In dem Moment merkte ich, dass ich immer noch auf allen vieren war, mit erhobenem Schweif, den schutzlosen Po in seine Richtung reckend. Schutzlos insofern, dass meine Antenne nicht funktionierte und ich also nicht wusste, wie und womit meinem Gegenüber Einhalt zu gebieten war. Wie meine Pose bei ihm ankommen musste, ließ sich denken, doch ich war gelähmt – anstatt wegzuspringen, blickte ich wie gebannt über meine Schulter zu ihm hin. So geschieht es in manchen Träumen: Man müsste weglaufen, bleibt aber kleben, bekommt die bleiernen Füße einfach nicht vom Fleck. Nicht einmal das idiotische Grinsen vermochte ich mir vom Gesicht zu wischen – wie ein am Tatort ertappter kleiner Dieb.

»R-r-rrra-rrrrah!«, machte er. »R-r-r-r-rrau-u-uh!«

»He, Kumpel, wart mal«, stammelte ich, »ich kann dir das alles erklären …«

Knurrend machte er einen Schritt auf mich zu.

»He, untersteh dich, Alter, hörst du, lass dir das ja nicht einfallen, ich meine es ernst, halt dich zurück …«

Er fiel weich auf seine Vorderpfotenhände und tat einen weiteren Schritt. Es brauchte andere Worte, ganz andere, und zwar schnell. Woher nehmen?

»Du, hör mal … Lass uns das in Ruhe bereden, ja?«

Er fletschte die Zähne und hob seinen grauen Schweif, was der Aktivpositur meines eigenen beinahe ganz entsprach.

»Immer mit der Ruhe, mein kleiner Grauer, du musst nichts übereil-…«

Er sprang, und für einen kurzen Moment schien es mir, als zöge eine schwere, bedrohlich tiefhängende graue Gewitterwolke vor die Sonne. Im nächsten Augenblick fiel diese Wolke auf mich.

Ich lag auf dem Sofa (es war mit etwas bezogen, was die Haut eines Albinomammuts hätte sein können) und heulte ins Kissen. Ich wusste selbst nicht, wo die vielen Tränen herkamen, das Kissen war von beiden Seiten nassgeheult.

» Ada «, rief Alexander und legte mir die Hand auf die Schulter.

»Hau ab, du Scheusal«, schluchzte ich, seine Hand abschüttelnd.

»Verzeih«, sagte er zaghaft, »ich wollte dir nicht…«

»Du sollst verschwinden, hab ich gesagt! Fieser Kerl!«

Schon wieder schossen mir die Tränen aus den Augen. Es vergingen ein, zwei Minuten, ehe er es erneut wagte, mich an der Schulter zu berühren.

»Ich hatte dich dreimal gefragt«, sagte er.

»Soll das ein Witz sein?«

»Wieso. Ich hatte davon gesprochen. Vom animalischen Körper, von der physischen Nähe. Etwa nicht?«

»Wie hätte ich ahnen sollen, worum es geht?«

Er zuckte die Schultern.

»Der Geruch zum Beispiel hätte es dir sagen können.«

»Werfüchse können nicht gut riechen.«

»Ich wusste bei dir jedenfalls gleich Bescheid«, sagte er, während er mir unbeholfen die Hand streichelte. »Erstens duften Menschen nicht so. Und zweitens hat Michalytsch mir die Ohren vollgesäuselt: Genosse Generalleutnant, ich hab ein Video gesehen – mit dem Girl müssen wir was unternehmen. Die hockt da auf allen vieren mit tückischem Blick, solche ungeheuerlichen Augen hab ich im Leben noch nicht gesehen, und am Rücken eine große rote Linse, mit der hat sie unserem Fachberater ein Loch ins Hirn gebrannt! Ein gelenkter Strahl und er ist abgedreht … Erst dachte ich, dem Michalytsch ist das Blech jetzt ganz weggeflogen von seinem Ketamin. Aber dann hab ich mir den Mitschnitt angeguckt, und ich muss zugeben … Deinen Schweif hat er für eine Linse gehalten!«

»Was denn für einen Mitschnitt?«

»Dein Kunde, den du bis aufs Blut gepeitscht hast, war dabei, ein Amateurporno aufzunehmen. Versteckte Kamera.«

»Wie bitte? Sag bloß noch, an dem Tag, wo ich's ihm umsonst gemacht habe?«

»Woher soll ich das wissen? Das müsst ihr unter euch ausmachen … Kaum dass er wieder bei Bewusstsein war, kam er mit der Kassette angelaufen.«

»Scheißintelligenzija!«, konnte ich nicht an mich halten.

»Tja, die feine Art ist das nicht«, stimmte Alexander zu. »Aber so sind die Menschen. Hat Michalytsch dir denn die Fotos nicht gezeigt? Er hat einen ganzen Ordner voll davon, hat extra Abzüge machen lassen für das Gespräch mit dir.«

»Dazu ist er nicht gekommen … Heißt das, die ganzen Scheußlichkeiten, die du gerade mit mir angestellt hast, kriegt hinterher wieder Michalytsch zu sehen, ja?«

»Sei ganz beruhigt, Liebes, bei mir gibt es keine einzige Kamera.«

»Nenn mich nicht Liebes, Wolfshund, blutrünstiger!«, schluchzte ich. »Dreckiger, perverser Rüde! So was hat mir in den letzten« – mir kam die Eingebung, lieber keine Zeiträume zu nennen – »hach, in meinem ganzen Leben keiner angetan. Solche Schweinereien!«