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Er hörte Schritte auf der Hauptstraße. Um diese Zeit schlief der Großteil der Bevölkerung tief und fest, darum hallten die Schritte laut durch die Nacht.

Sie kamen zudem immer näher an das Wirtshaus heran.

Innerhalb weniger Momente fiel der Schatten einer verhüllten Frauengestalt, beleuchtet von einer flackernden Kerze, auf die Papiertür, die zu Nakadais Zimmer führte. Der Arm des Schattens bewegte sich nach vorne und schob die Tür zur Seite.

Es war Akemi. Sie fiel auf die Knie.

„Vergebt mein Eindringen, Doragon Kokoro, aber ich muss mit Euch sprechen.“

Nakadai biss die Zähne zusammen. Cho hatte ihn der Stadtbevölkerung als das Herz des Drachen vorgestellt und er schätzte es nicht, dass dieser Name haften geblieben war. Ganz zu schweigen davon, dass er es nicht schätzte, wenn Leute unangemeldet in sein Zimmer kamen.

Trotzdem musste er Akemi zuhören, weil dies die ersten Worte waren, die sie tatsächlich in seiner Anwesenheit sprach. Also nickte er und steckte sein Schwert in die Scheide.

Sie erhob sich, schloss die Tür, kam auf ihn zu, kniete sich erneut vor ihn hin und verbeugte sich tief.

„Ich bitte Euch inständig, zugunsten meines Vaters zu entscheiden.“

„Euch ist beiden gleiches Unrecht angetan worden“, antwortete er. „Warum sollte Keiko leiden und Ihr profitieren?“

Plötzlich veränderten sich Akemis Augen von blassblau zu pechschwarz.

„Weil, oh mächtiges Herz des Drachen, ich Euch keine Wahl lasse.“ Ihre Stimme klang jetzt seltsam guttural.

Sofort sprang Nakadai auf die Füße und zog sein Schwert. Zusammen mit der Transformation ihrer Augen veränderte sich ihr Gesicht. Es verformte sich in etwas nicht Menschliches.

„Was bist du?“, fragte er fordernd.

„Eigentlich? Nur ein Dämon, der versucht die Leute der Stadt gegeneinander aufzuhetzen. Nur zum Spaß, eigentlich. Menschen gegen andere Menschen, denen sie vertrauen, aufzubringen – das nenne ich ein Fest.“

Akemis Kopf schleuderte vor und zurück. „Aber diese Bauern wollen nicht mitmachen. Statt darum zu kämpfen, wer diese kleine, langweilige Ratte Shiro heiraten darf, laufen sie jammernd zum Daimyo und betteln um Hilfe.“

„Aber dann habe ich dich gefunden.“

Jetzt zeigte sich auf Akemis Gesicht ein Ausdruck, den man kaum ein Lächeln nennen konnte.

„Und jetzt komme ich zu etwas, das mir sehr viel mehr als bloße Unterhaltung bieten wird.“

Nakadai verharrte in einer defensiven Stellung und widerstand der Versuchung, sich auf den Eindringling zu stürzen.

„Ich werde niemals einer Kreatur wie dir helfen, Dämon, wenn es das ist, was du wirklich bist.“

„Wirklich? Was passiert als Nächstes?“, schnurrte der Dämon mit einer Stimme wie Schotter. „Du greifst mich an? Wenn du das machst, wirst du die arme, wehrlose Akemi verletzen – und die Bauern verdammen dich als den Mörder einer unschuldigen Frau.“

Nakadai wusste, dass das Monster die Wahrheit sprach – aber er konnte auch nicht tatenlos zusehen.

Also hielt er seine Position und ließ den Dämon weitersprechen.

„Weißt du“, sagte der mit einer Spur von Akemis Stimme, „eines Tages werde ich dich brauchen. Nicht heute, nicht einmal bald, aber wenn der Tag für diese Aufgabe kommt, wird es das Opfer eines Helden erfordern.“ Die schwarzen Augen starrten Nakadai direkt an. „Weißt du, wie schwer es ist, einen Helden zu finden, besonders in dieser erbärmlichen Zeit?

Während ich Besitz von Cho ergriffen hatte – auf der Suche nach einem Zeitvertreib – und vorgab, zum Daimyo zu gehen, hatte ich die Hoffnung beinahe aufgegeben, je wieder einen tugendhaften Mann zu treffen. Aber dann sah ich dich in dem Unterstand und mir wurde klar, ich habe meinen Helden. Dann musste ich dich nur noch herlocken, und das war das Leichteste von der Welt.“

„Ich werde keinesfalls bei einem deiner Pläne helfen.“

„Deine Kooperation ist weder erforderlich noch nötig“, sagte das Ding, das Akemi kontrollierte, schmunzelnd.

Bevor der erstaunte Ronin reagieren konnte, begann der Dämon Akemis Kleider zu zerreißen und ihren Kopf gegen einen Stützbalken der Wirtschaft zu schlagen.

Dann schrie sie.

Sie schrie weiter und Nakadai verließ der Mut, als er erkannte, dass es keine Verteidigung gab. Er wusste, dass er nur ein paar Sekunden Zeit hatte, bevor jemand auf ihre Schreie reagierte. Seine einzige Möglichkeit war es, zu erklären, was passiert war. Die andere Alternative war es, den Weg des Feiglings zu gehen und zu fliehen.

Die Ehre erlaubte keine Flucht.

Schritte klapperten auf der Straße, mischten sich mit den Schreien der Frau und brachen die Stille. Die Tür zum Gasthaus wurde aufgestoßen und ein halbes Dutzend Männer starrte entsetzt auf Nakadai mit seinem gezogenen Schwert und Akemi, die sich nackt und blutend auf dem Boden wand.

Einer der Männer war Akemis Vater. Er rief den Namen seiner Tochter, kniete sich neben sie, nahm sie in die Arme und wischte ihr das Blut aus den Augen.

„Was hat er dir angetan, meine teure Tochter?“

Wimmernd antwortete der Dämon, dessen Augen jetzt wieder normal aussahen, mit Akemis Stimme: „Ich habe ihn angefleht, für uns zu entscheiden, und er hat mich angegriffen!“ Sie hob ihren Kopf und starrte Nakadai bösartig an. „Sagte, ich wäre nicht würdig, eine Braut zu sein und wenn er mit mir fertig wäre, würde ich es nie mehr sein!“

Akemis Vater fuhr zu ihm herum.

„Ihr wagt es, meiner Tochter Gewalt anzutun?“

Ein weiterer Stadtbewohner erhob das Wort.

„Wir dachten, Doragon Kokoro wäre ein Mann von Ehre! Aber er ist nur ein weiterer schmutziger Ronin!“

„Ich habe Eure Tochter nicht angefasst“, sagte Nakadai und wusste, dass es vergebens war. „Sie ist von einem Dämon besessen!

Akemis Stimme zerschnitt die Nachtluft.

„Er lügt!“

„Natürlich lügt er“, sagte ihr Vater. Dann wandte er sich an die Männer in der Tür. „Ergreift ihn!“

Nakadai hätte mit größter Leichtigkeit Widerstand leisten können. Das waren immerhin Bauern. Er hätte alle sechs – und Akemi dazu – ohne Schwierigkeiten töten und entkommen können.

Aber sein Katana hatte noch nie das Blut eines Unschuldigen gefordert. Das würde es auch jetzt nicht, selbst wenn es Nakadais Tod bedeutete.

Nein, er wusste, dass sein Schicksal besiegelt war, als der Dämon in Akemis Gestalt den Raum betrat. Oder vielleicht in dem Moment, als er Schutz vor dem Regen gesucht hatte.

Also ließ er sich festnehmen, sich das Schwert nehmen, fesseln und auf den Marktplatz bringen. Mehr Dorfbewohner gesellten sich auf dem Weg zu ihnen. Sie waren von dem Aufruhr angezogen worden. Er wurde an einen Pfahl gebunden und Wachen wurden beauftragt, ihn zu bewachen. Aber sie hätten sich die Mühe sparen können – er würde den Sonnenaufgang mit Würde erwarten.

Bei Sonnenaufgang hatte sich die gesamte Stadt versammelt, um Recht zu sprechen. Akemis Vater erzählte allen, was Doragon Kokoro seiner Tochter angetan hatte und spuckte währenddessen in den Staub.

„Spricht jemand zur Verteidigung des Ronin?“, sagte er herausfordernd.

Niemand sagte etwas.

Während das Seil beißend in seine Handgelenke auf seinem Rücken schnitt, betrachtete Nakadai die Menge, die sich vor ihm versammelt hatte. In ihren Augen erkannte er Abscheu vor dem, was sie glaubten, das er Akemi angetan hatte. Enttäuschung, dass das Herz des Drachen offenbar nicht so gut war wie sein Ruf. Es drängte ihn, die Wahrheit zu sagen, aber er wusste, dass das nichts ändern würde.