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Er blieb stumm. Dann bemerkte sie, dass nichts anderes in Brand geraten war, obwohl um sie herum überall Büsche und Bäume standen. Nicht einmal das Gras hatte Feuer gefangen.

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, konnte aber kein Wort herausbringen. Währenddessen erhob der Mann die Arme und sie bemerkte ein riesiges, gebogenes Schwert.

Genau dann sprach der Mann endlich. Seine Stimme hörte sich an, als käme sie durch ein wirklich lausiges Soundsystem – irgendwie düster und knisternd. Aber was die gutturalen Laute auch bedeuteten, sie waren weder Englisch, Chinesisch noch Deutsch. Für Mya klang es wie Japanisch und sie glaubte, das Wort ‚Drache‘ verstanden zu haben.

Doragon Kokoro. Das hatte er gesagt.

Aber irgendwie, obwohl sie die Worte nicht verstand, wusste Mya, was sie bedeuteten.

Mit einer schnellen Bewegung thronte er plötzlich fast über ihr.

Sie rannte los.

Sie lief in keine besondere Richtung, sie fing einfach an zu rennen. Zwei Jahre kellnern hatte ihr starke Beine eingebracht, also konnte sie sich schnell durch die Bäume bewegen.

Aber egal wohin sie lief und wie schnell sie auch rannte, Doragon Kokoro hielt mit ihr Schritt. Die Flammen um ihn herum brannten lichterloh und er hielt sein Schwert erhoben, als wollte er sie zerteilen.

Sie wusste nicht mehr, wo sie war. Die Tatsache, dass der Park menschenleer war, verstärkte ihre Panik nur. Obwohl es ein kühler Dezemberabend war, hätten wenigstens ein paar Menschen hier sein müssen. Selbst als sie merkte, dass sie gerade über den Kennedy Square lief, war dort niemand.

Sie versuchte, um Hilfe zu rufen, aber es kam nur ein raues Krächzen heraus und ließ sie nach Luft schnappen. Starke Beine waren das eine, aber sie war seit Jahren nicht mehr laufen gewesen. Ihre Lungen begannen zu brennen und ein stechender Schmerz schoss durch ihre Waden.

Sie rannte trotzdem weiter und hoffte, dass sie ihren Angreifer abschütteln konnte.

Wo sind nur alle?

Mehr taumelnd als rennend kam sie am Ufer des Lloyd Lake an und musste anhalten. Als sie sich umdrehte, wusste sie, was sie erwartete.

Dort stand der brennende Mann mit erhobenem Schwert. Die Flammen brachen sich im dunklen Wasser des Sees.

Endlich fand sie ihre Stimme wieder, aber statt eines Schreis kam nur ein Wimmern heraus.

„Oh Gott, bitte nicht. Ich will nicht sterben. Bitte bringen Sie mich nicht um, bitte. Ich will nicht sterben!“

Ihre Stimme wurde lauter, Doragon Kokoro zögerte und Mya verstummte. Sie hoffte, dass sie ihn vielleicht umgestimmt hatte. Für einen Moment glaubte sie, Traurigkeit in seinen brennenden Augen zu erkennen.

„Ich will nicht sterben“, wiederholte sie.

„Das wollte ich auch nicht“, antwortete er und ließ das Schwert nach unten sausen.

Dieses Mal war es anders.

Jetzt konnte Nakadai mit den Lebenden kommunizieren. Seine Taten wurden immer noch von anderen kontrolliert, aber er fühlte sich stärker, schneller und fähiger.

Wegen dieser Änderungen stellten sich verzwickte Fragen. Er konnte Albert Chaos Präsenz immer noch spüren. Allerdings war er sich nicht sicher, ob es wirklich Albert war, der ihn lenkte.

Er erschien in einem Wald, der von Fackeln ohne Flammen erleuchtet wurde. Innerhalb von Sekundenbruchteilen stand eine Frau vor ihm und eines war klar – egal wer sie war, sie musste sterben.

Also verfolgte er sie, bis sie ihm nicht mehr ausweichen konnte.

„Oh Gott, bitte nicht. Ich will nicht sterben. Bitte bringen Sie mich nicht um, bitte. Ich will nicht sterben!“, sagte sie flehentlich.

Nakadai zögerte. Ihre Worte erinnerten ihn daran, wie es war, menschlich zu sein. Daran, wie er sich am Tag seines eigenen Todes gefühlt hatte. Wie lange war das her?

Das Schwert sauste nach unten.

Einen Augenblick später stand er über ihrer verbrannten und verstümmelten Leiche am still ruhenden See und fragte sich, wie lange er diesen Fluch noch ertragen musste.

„Sieh einer an“, sagte eine Stimme hinter ihm. „Ist eine Weile her, Nakadai, nicht wahr?“

Er drehte sich um und sah einen blonden jungen Mann in kurzen Hosen und einem ärmellosen Hemd.

„Es ist wirklich gut, dich zu sehen“, sagte der blonde Mann mit einem breiten Lächeln. „Natürlich läuft nicht alles genau wie geplant, aber es ist ein Anfang.“

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, sagte Nakadai zu dem Fremden. „Aber es hat mit mir nichts zu tun. Ich werde jetzt gehen.“

„Nicht so schnell, Witzbold.“ Der Mann machte eine Geste.

Plötzlich konnte Nakadai sich nicht mehr bewegen.

Er kniff die Augen zusammen und starrte den Fremden an. Dieser Mann kam aus dem Westen. Er konnte keiner seiner Nachkommen sein – wie konnte er also Macht über ihn haben, außer …

„Du.“

„Ja.“ Seine blauen Augen färbten sich tiefschwarz. „Diesen Typen hier mag ich viel lieber als Cho, den Boten. Er war ein hässlicher Vogel.“

„Was willst du?“ Obwohl er sprechen konnte, war der Ronin immer noch wie gelähmt.

Der Dämon grinste und zeigte seine perfekten weißen Zähne.

„Was glaubst du, das ich will?“, fragte er und diesmal war eine Spur der gutturalen Stimme zu erkennen, mit der Akemi zu ihm gesprochen hatte.

„Du glaubst doch nicht, dass ich dich nur zur allgemeinen Belustigung bei lebendigem Leibe verbrannt habe, oder?“

„Ich würde nicht behaupten zu wissen, wie dein Verstand funktioniert.“

Der Dämon lachte rau.

„Das mag sein“, antwortete er. „Aber nein, ich hatte langfristige Pläne mit dir, Nakadai. Oder sollte ich sagen ‚Herz des Drachen‘? Ich muss zugeben, es ist zum Schreien komisch, dass dieser Spitzname seit zweihundert Jahren an dir kleben geblieben ist. Du hast ihn schließlich so gehasst.“

„Pläne?“, fauchte Nakadai.

„Selbstverständlich! Es ist endlich Zeit, dass sie in die Tat umgesetzt werden.“

„Warum gerade jetzt?“

Der Dämon warf den Kopf in den Nacken und lachte wieder.

„Hast du nicht aufgepasst? Mir ist klar, dass das mit dir nicht viel zu tun hat, aber das Ende aller Tage ist gekommen! ‚Der Tod kommt auf einem fahlen Pferd‘, weißt du? Hunde und Katzen teilen das Lager … Massenhysterie? ‚It’s the end of the world as we know it, and I feel fine‘.“

Er hatte keine Ahnung, was der Dämon da plapperte, also starrte Nakadai ihn an.

Der Dämon schüttelte den Kopf und seufzte dramatisch.

„Ihr Geister der Verdammten wisst die Klassiker einfach nicht zu schätzen. Sieh mal“, sagte er und streckte die Arme aus, als wolle er die ganze Welt umfassen. „Wir reden hier über die Apokalypse. Dämonen gegen Engel und möge der Bessere gewinnen. Und du, Nakadai, bist mein Ass im Ärmel.“

Nakadai runzelte die Stirn.

„Ich verstehe nicht.“

„Du hast bestimmt schon festgestellt, dass du dieses Mal mehr Mojo draufhast. Früher konntest du nur wie ein Narr dein brennendes Schwert schwingen. Aber die Dinge sind jetzt anders.“

„Die Siegel wurden aufgetan, Luzifer ist frei. Gott ist nicht im Himmel und die Welt steht so ziemlich auf dem Kopf. Also ist es Zeit für dich und mich, ein paar Engeln in den Hintern zu treten.“

Ein neuer Seufzer.

„Unglücklicherweise ist es nicht so einfach. Diese Großnichte hat ja ziemlich geschickt meinen Fluch zum Trittbrettfahren benutzt und sogar einen Gegenzauber geschaffen. Das hatte ich nicht vorhergesehen. Zu schade, dass sie total durchgeknallt war – sie hätte eine Wahnsinnskarriere als Hexe machen können.“