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Tiny grunzte erneut. Er hatte es ihm bereits erklärt, aber Jake hörte so gern den Klang seiner eigenen Stimme, dass er sonst nicht viel mitbekam.

„Wir suchen zwei Typen in diesem Hotel“, sagte er. „Die haben so ein Schwert und wir sollen’s für den Boss holen. Er hat gesagt, wir sollen jeden abmurksen, der uns in die Quere kommt.“

„Okay. Das machen wir. Lass uns hoffen, dass sie keine Schlampen dabeihaben. Ich will keine neuen Kratzer.“ Er blickte bedauernd auf seinen Arm, der, soweit Tiny sehen konnte, keine Schramme aufwies.

Tiny sah sich um. Er entdeckte eine dreistöckige Fassade mit einem Laden für Bilderrahmen im Erdgeschoss und einem Zeichen neben der Tür, das nach oben deutete.

„Sieht so aus, als wäre es hier – lass uns mal nachsehen.“

Tiny ging auf die Tür zu, Jake folgte ihm. Nachdem sie eine schmale Treppe hinaufgestiegen waren, standen sie in einer kleinen Lobby mit rissigen Ledersofas und kaputten Tapeten. Zwei Flure mit ausgeblichenen Teppichen führten nach hinten. Hinter einer abgewrackten Theke saß ein aknebedeckter Junge, der Entertainment Weekly las. Auf dem Namensschild auf seiner Brust stand ELMER.

Ohne auch nur von seiner Zeitung aufzusehen, sagte Elmer mit gelangweilter Stimme: „Kann ich Ihnen helfen?“

Tiny tauschte einen kurzen Blick mit Jake und zog seine .45er, Jake tat es ihm nach. Während Tiny eine Kimber Ultra Refined Carry Pistole Modell II bei sich trug, musste Jake es wie üblich mit seiner Para-Ordnance Nite-Tac ACP übertreiben. Meistens dienten die Waffen sowieso nur zum Drohen. Wenn jemand in den Lauf einer solchen Handfeuerwaffe blickte, taten alle für gewöhnlich, was ihnen befohlen wurde.

Als er keine Antwort bekam, ließ Elmer sein Magazin sinken, sprang von seinem Hocker und stieß ihn aus Versehen nach hinten um.

„Oh, Gott, bitte töten Sie mich nicht, bitte nicht …“

„Schnauze!“, brüllte Jake. „Du hörst dich an wie ’ne Schlampe. Ich hasse Schlampen.“

„Nur eine Frage“, sagte Tiny und ignorierte seinen Partner. „Ist heute jemand angekommen? Vielleicht zwei Typen Mitte zwanzig?“

Elmer konnte seine Augen nicht vom Lauf von Tinys Kimber lösen.

„Da wa-wa-waren-diese, äh, diese zwei Kerle. In, äh, Raum 102.“

„Danke“, sagte Tiny. Er nickte in Richtung der Treppe. „So, jetzt hau hier ab und komm erst in ungefähr einer Stunde wieder, nicht früher. Wenn du irgendjemandem was sagst, werden wir dich finden und dir den Kopf wegpusten.“

Elmer lief blitzschnell hinunter und floh aus der Haustür.

Tiny drehte sich um und ging vor Jake den Flur hinunter. Er folgte dem Zeichen für die Zimmer 100 bis 150. Seine riesige Gestalt füllte die gesamte Breite des engen Korridors aus.

Als sie vor Zimmer 120 standen, hielt Tiny drei Finger hoch.

Dann zwei.

Dann einen.

Dann trat er die Tür ein.

Im Zimmer befanden sich zwei winzige weiße Männer. Natürlich waren aus seiner Perspektive alle winzig …

Einer hatte wirres dunkles Haar und saß am Schreibtisch. Der andere hatte sich auf dem Bett niedergelassen, das näher am Fenster stand. Er hielt ein Schwert – mit Sicherheit das, das sie für den Boss holen sollten.

Er erhob seine .45er.

„Keine Bewegung.“

„Wir bewegen uns nicht“, sagte der am Schreibtisch schnell, stand auf und erhob die Hände.

„Keiner wird verletzt, in Ordnung?“, sagte Jake. „Wir sind nur hier, um diesen kleinen Zahnstocher da abzuholen. Wisst ihr, ihr könntet euch damit ein Auge ausstechen.“

Der Typ, der auf dem Bett saß, betrachtete Jake misstrauisch.

„Ihr wollt dieses Schwert?“

„Das stimmt. Also, mach deinen hässlichen Kopf zu und schieb es rüber!“

Jake ging zu ihm.

Tiny hielt seine Waffe auf den gerichtet, der am Schreibtisch stand.

Jake trat neben den anderen mit dem Schwert und drückte ihm die .45er an die Schläfe. Dann streckte er seine freie Hand aus.

„Gib es mir.“ Er versuchte, bedrohlich zu klingen. „Versuch hier bloß nichts Dummes, oder ich schwöre bei Gott, ich jage dir eine Kugel in den Kopf.“

Tiny wusste es besser und wünschte, sein Partner würde aufhören zu reden. Wenn Jake wirklich abdrückte, würde ihn der Rückstoß auf diese Distanz zu Boden werfen. Außerdem würde der Schuss sonst wohin gehen. Das einzige Mal, dass Jake je die Waffe abgefeuert hatte, war auf dem Schießstand in Pression gewesen, auf unbewegliche Ziele. Plötzlich schlug der Typ Jakes Hand weg, griff nach dem Lauf und schlug ihm den Griff des Schwerts ins Gesicht.

Tiny reagierte eine Sekunde lang nicht. Er war seit Jahren Geldeintreiber und hatte noch nie gesehen, dass irgendjemand irgendwas tat, außer sich nass zu machen, wenn er eine .45er auf sich gerichtet sah.

Er war sich ziemlich sicher, dass das alles nicht passiert wäre, wenn Jake für eine halbe Sekunde die Klappe gehalten hätte.

Der am Schreibtisch sprang ihn an und Tiny versuchte, einen Schuss zu platzieren, aber die Kugel landete in der Decke. Billiger Gips regnete auf sie herunter, während der Typ ihn umrannte.

Oder es zumindest versuchte, denn Tiny wog mindestens dreihundert Pfund und das meiste davon waren Muskeln.

Der Typ boxte Tiny ein paar Mal gegen die Brust.

Tiny lächelte nur.

Dann schlug er den Typen mit voller Kraft ins Gesicht, sodass er quer durch den Raum gegen den Schreibtischstuhl flog und zusammenbrach. Er lag bewusstlos auf dem Boden.

Tiny drehte sich um und sah, dass sein Bruder jetzt die .45er in der Hand hielt und auf Jake zielte. Im Gegensatz zu Jake, der nicht viel mehr tun konnte, als in Strömen zu schwitzen, zielte er aus sicherer Distanz. Jake setzte sich auf das Bett neben der Tür.

Scheiße.

Der Kurzhaarige legte das Schwert aufs Bett und griff die .45er mit beiden Händen.

Tiny setzte seinen bedrohlichsten Tonfall ein und zielte auf seinen Gegner.

„Fallen lassen.“

„Du zuerst, Jackie Chan. Eine Bewegung und ich knipse deinen Freund aus.“

Tiny zuckte die Schultern.

„Mach ruhig. Dann hält er vielleicht endlich mal das Maul.“

„Hey!“, sagte Jake. „Was zur Hölle, Tiny, warum kannst du nicht …?“

Tiny zielte nach unten und schoss Jake viermal in die Brust. Es würde einfach sein, den Boss zu überzeugen, dass es diese beiden Typen gewesen waren.

Was will er schon machen? Die Kugeln analysieren?

Aber er hatte fünf Schüsse gehört und taumelte zurück. Ein stechender Schmerz schoss von der Schulter durch seinen Arm.

Als Tiny Jack erschoss, hatte der Typ auf ihn gefeuert.

Das machte Tiny erst richtig wütend.

Er fand das Gleichgewicht wieder und schwang die Kimber aufwärts. Doch bevor er abfeuern konnte, traf ihn etwas am Kopf.

Er legte eine Hand an die Stirn und fühlte, dass Blut in seine Augen lief. Er konnte nicht mehr klar sehen, erkannte aber, dass der langhaarigere der beiden Brüder auf die Beine kam. Tiny wusste nicht, was er geworfen hatte, aber es tat weh.

Der Typ kam mit einem Satz auf ihn zu, griff nach seinem Arm und hieb ihn nach unten. Das war nicht sonderlich schmerzhaft, aber Tiny ließ reflexartig seine .45er fallen.

Mit seinem freien Arm schlug Tiny ihm noch einmal ins Gesicht. Es war der Arm, in dem bereits eine Kugel steckte, und es schmerzte höllisch.

Als der Typ wieder rückwärts taumelte, fiel Tiny vorwärts aufs Bett. Obwohl er bei Bewusstsein war, rührte er sich nicht.

„Steh auf und versuch gar nicht erst, nach der Waffe zu greifen“, sagte der Kerl, der Jakes .45er hatte.

Aber Tiny wusste nicht einmal, wo seine Waffe geblieben war. Er hatte allerdings eine bessere Idee.