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Der Mann über ihr war Lassar, Lassar in einer seiner zahllocksen Verkleidungen, und er hatte all dies inszeniert, um ihr Vertrauen zu erschleichen und sie zum Verrat an ihren eigenen Freunden zu verleiten.

Mit aller Kraft, die ihr geblieben war, richtete sie sich auf, hob den Arm und streckte die Hand nach Karelians Gürtel aus.

»Was tust du?«, rief Karelian erschrocken. Wieder huschte ein Schatten über sein Gesicht. Seine Gestalt schien zu flackern wie ein großer, finsterer Ball aus Nebel.

Animah antwortete nicht, sondern stemmte sich weiter hoch. Ihre Hand krallte sich in Karelians/Lassars Gürtel, kroch daran entlang und krampfte sich um den Griff des Dolches, der darckaus hervorsah. Lassar begriff immer noch nicht, so sicher fühlte er sich in seiner Verkleidung, die er für perfekt hielt. Aber er hatte vergessen, dass ein Kind seinen Vater nicht nur am Äußeren erkennt.

»Um Gottes willen, so bleib doch liegen, Animah«, sagte Karelian. »Du bist noch zu schwach, um aufzu-«

Animah zog den Dolch aus seinem Gürtel, drehte ihn blitzckschnell nach oben und stieß zu, tief, mit aller Kraft, die sie hatte, und ohne Gnade. Lassars Augen wurden rund. Ein Ausckdruck ungläubigen Entsetzens begann sich in seinem Blick breit zu machen, dann Schmerz, ein entsetzlicher, unglaublich tiefer Schmerz. Er keuchte, richtete sich auf, blickte auf den Dolch hinab, der dicht unterhalb seines Herzens aus seiner Brust ragte, dann auf Animahs Gesicht. Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber seine Kraft reichte nicht mehr. Wie vom Blitz getroffen kippte er zur Seite und fiel zu Boden.

Animah richtete sich stöhnend auf. Das Zimmer drehte sich. Der Boden schwankte. Ihr war übel. Sie hatte Lassar getötet, aber sie empfand keinen Triumph, nicht einmal Zufriedenheit. Langsam, unter Aufbietung aller Kräfte, stemmte sie sich in die Höhe, fiel neben dem Bett auf die Knie und blieb länger als eine Minute in dieser Stellung, während sie nach Luft rang und vor Schwäche weinte. Sie wusste, dass sie sterben würde, wenn sie jetzt nicht ruhte. Aber sie hatte Lassar getötet.

Sie stand auf, taumelte zur Tür und griff mit zitternden Fingern nach dem Riegel. Ihre Kraft reichte kaum ihn zurückzuckschieben. Aber sie wankte weiter. Sie würde sterben, aber das war gleich. Es waren noch mehr von Lassars Kreaturen hier, das spürte sie. Ihre Hand umklammerte den Dolch.

23

Das Feuer war eine halbe Stunde hinter ihnen, als sie die Feckstung erreichten. Sie waren geritten, so schnell sie nur konnten, ohne Rücksicht auf sich oder ihre Tiere zu nehmen; trotzdem hatten nicht alle den Wettlauf mit dem Tod gewonnen, denn Lassars Zaubersturm fachte den Brand zu ungeheurer Wut an. Der Himmel im Süden glühte im Widerschein der Flammen wie eine rote Kuppel, und obwohl das Feuer noch Meilen entfernt war, trug der Wind bereits Brandgeruch mit sich.

Cavin war einer der Ersten, die durch das Tor sprengten, tief über den Hals seines Pferdes gebeugt und keuchend vor Anstrengung. Die Festung war leer; auch von den wenigen, die zurückgeblieben waren, war niemand zu sehen, und erneut kam Cavin zu Bewusstsein, wie erbärmlich wenige sie waren; jetzt, nachdem die Hälfte von ihnen tot oder verwundet war, noch mehr. Nicht einmal die schier unüberwindlichen Mauern der Megidda würden sie noch schützen können, das wusste er. Das Feuer konnte ihnen nichts anhaben hier drinnen, denn die Bollwerke aus erstarrter Lava und Zeit waren fest genug, selbst einem Weltenbrand standzuhalten, aber Lassars Krieger, die dem Feuer auf dem Fuß folgten, würden sie überrennen. Auch die uneinnehmbarsten Mauern mussten dafür bemannt sein. Und sie hatten einfach nicht mehr genug Männer, jeden Punkt zu besetzen, der nötig war, die Festung zu halten.

Cavin sprang aus dem Sattel, ließ sein Pferd einfach stehen und rannte zum Tor zurück. Die Reiter kamen einzeln oder in kleinen Gruppen aus dem Wald gesprengt, und gerade als Cavin das Tor erreichte, stürzte ein Pferd und begrub seinen Reickter unter sich. Keiner von beiden stand wieder auf. »Auf die Zinnen!«, befahl er mit weit schallender Stimme. »Nehmt an Pfeilen mit, was ihr tragen könnt. Und wenn die Mauern fallen, flieht!«

Ein Teil der Männer begann die steilen Steintreppen zum Wehrgang emporzustürmen, aber andere – sehr viele – ließen sich einfach aus den Sätteln fallen, zu erschöpft, um seinem Befehl zu folgen. Vielleicht wollten sie auch einfach nicht mehr. Cavin hätte es keinem der Männer übel genommen, wenn er seinen Befehl verweigert und versucht hätte sich auf eigene Faust in Sicherheit zu bringen, denn er schickte sie in den sicheren Tod.

Vielleicht hätte er selbst sogar den Befehl gegeben, jeden Widerstand bleiben zu lassen und zu fliehen – hätte die Mögcklichkeit bestanden. Aber sie saßen in der Falle. Die einzige Wahl, die ihnen blieb, war die zwischen dem Tod in den Flammen und dem hier auf den Mauern.

Nervös blickte er zum Himmel hinauf. Das Samtblau der Nacht war dem bösartigen Glühen von Feuer gewichen. Schwarze, fettige Rauchwolken verdunkelten einen Teil des südlichen Horizonts, und Lassars Dämonenwind ließ gewaltige Schauer kleiner, weiß glühender Funken in den Himmel steigen, flammenden Käfern gleich, die den Brand weitertragen würden. Cavin begriff plötzlich, dass das Feuer nicht vor den Mauern der Megidda Halt machen würde. Vielleicht würde es sie verschonen, aber es würde weiterrasen; es war schon jetzt zu groß, um noch gelöscht zu werden oder von selbst zu erlöckschen. Selbst der Schnee, der fallen mochte, musste unter der höllischen Glut verdampfen, lange ehe er den Boden erreichte und die Flammen ersticken konnte. Lassar hatte am Schluss doch getan, womit er gedroht hatte – er verbrannte den Wald. Cavin lachte bitter.

»Was ist so komisch, Mensch?«, fauchte eine zornige Stimme neben ihm.

Cavin wandte den Blick und erkannte Guarr, der unbeholfen aus dem Sattel gestiegen und zu ihm gehumpelt war. »Nichts«, sagte er. »Ich musste nur daran denken, dass Lassar mir wirkcklich gegeben hat, was ich verdiene. Ich habe Hochwalden zurück, nicht?« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Wald hinaus. Durch das Unterholz schimmerte bereits das erste drockhende Rot der Brände. »Es wird zu dem Wald passen, über den ich herrsche. Eine verbrannte Ruine.«

Guarr antwortete nicht, sondern konzentrierte sich wie er darauf, die näher kommenden Krieger zu beobachten. Es waren nicht mehr viele – an die hundert Männer und Raetts hatten die Festung bereits erreicht, und jetzt waren es nur noch ein paar Nachzügler, die aus dem schwelenden Unterholz hervortaumelten. Hinter ihnen rasten die Flammen heran. Es ging sehr schnell und trotzdem hatte Cavin das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben, denn seine Sinne arbeiteten mit jener eigentümlichen Schärfe, die ihnen nur in Momenten allergrößter Gefahr eigen war. Das Schwarz des Waldes wich allmählich einem düsteren, drohenden Rot, das heller wurde, zu Orange und schließlich Weiß wechselte und die ewige Nacht des Schwarzeichenwaldes verschlang, bis sich die Bäume und Bücksche des Waldes als scharf gezeichnete schwarze Schatten vor einer Wand unerträglicher Helligkeit abhoben. Dann begannen ihre Umrisse zu zerfließen, waren plötzlich gesäumt von weißckblauen Flammenkindern, die rasch zu breiten Säulen wurden, dann zu einer kompakten, brüllenden Flammenwand, fast so hoch wie die Mauern der Megidda und heiß, unerträglich heiß. Obwohl eine halbe Meile zwischen ihnen und dem brennenden Waldrand lag, konnte Cavin plötzlich nur noch mühsam atmen. Das Metall seiner Waffen wurde heiß. Eine glühende Hand schien seine Augäpfel zu berühren.

»Dieser Wahnsinnige«, flüsterte Guarr. Obwohl er sehr leise sprach, waren seine Worte wie durch einen Zauber deutlich zu hören. Sie und das Entsetzen, das in seiner Stimme schwang. »Wenn es das ist, was er wollte, muss er vollends den Verstand verloren haben. Das Feuer wird seine eigenen Männer verckschlingen.«