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Faroan erstarrte. Sein Blick saugte sich an den zerfurchten Zügen des Königs fest. Und langsam, ganz langsam, erwachte der Schrecken in seinem Herzen.

»Lassar …«, flüsterte er.

Der Mann auf dem Thron nickte und plötzlich erschien ein dünnes, grausames Lächeln auf seinen Lippen. Es waren Oros Lippen, Oros Lippen in Oros Gesicht. Nur die Augen darin hatten sich verändert. Sie waren jetzt grundlos und schwarz und von einem bösen, gierigen Feuer erfüllt.

Faroan fuhr mit einem Schrei herum, als sich die beiden Gestalten hinter dem Thron erneut bewegten und in den flackernden Schein der Kohlebecken traten. Sie blieben Schatten, obgleich sie jetzt im Licht standen. Verzweifelt lief er auf die Tür zu. Er schaffte es nicht ganz.

Das Letzte, was er hörte, war das hohe, boshafte Summen von Bogensehnen, dann spürte er einen doppelten, unglaublich schmerzhaften Schlag zwischen den Schulterblättern.

Dann entglitt der Magierstab seinen kraftlosen Fingern.

14

Es vergingen mehr als zwei Stunden, bis sie so weit waren den Weg fortsetzen zu können. Ein Mann aus Cavins Begleitung, der sich als Arzt zu erkennen gab, sorgte für die Verwundeten, und er tat es, wie Gwenderon einräumen musste, mit großer Kunstfertigkeit. Eine Zeit lang sah es sogar so aus, als könne er den Sterbenden retten; dann bäumte sich der Mann noch einckmal auf, stieß einen gellenden Schrei aus und starb.

Cavin selbst ging Gwenderon während all der Zeit bewusst aus dem Weg; er half seinem Begleiter, die Verwundeten zu versorgen, legte Verbände an, verrührte die Ingredienzien, die ihm der Arzt reichte, zu einer Paste, die lindernd auf die Bissckwunden einwirkte, und tat alles, um sich nützlich zu machen, verschwand aber jedes Mal, wenn Gwenderon nur in seine Näckhe zu kommen drohte. Gwenderon war froh darum. Die Sache war noch nicht erledigt – er musste mit Cavin sprechen, und Cavin mit ihm. Aber nicht jetzt.

Als sie schließlich so weit waren aufbrechen zu können, kam Karelian zurück. Er war nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein schwarzhaariger, bärtiger Mann, breitschultrig wie er selbst, aber nur halb so groß. Seine Kleider waren fleckig und wirkten auf den ersten Blick abgerissen und verdreckt, erwiesen sich aber auf den zweiten Blick als genau so gewollt; denn sie machten ihren Träger vor dem Hintergrund des Waldes beinahe unsichtbar. In den Händen trug er eine Axt, die eher zu einem Riesen gepasst hätte als zu einem normal gewachsenen Mann, geschweige denn zu einem Zwerg.

Hinter ihm und Karelian trat eine hoch gewachsene, sehr schlanke Frau mit schwarzem Haar aus dem Unterholz. Wie Karelian trug sie die fransige Lederkleidung der Waldläufer. Auf ihrem Rücken hing ein Langbogen, der fast so groß war wie sie selbst.

Gwenderons Miene verdüsterte sich, als er dem Waldläufer und seinen beiden Begleitern entgegentrat. Karelian wollte etwas sagen, aber Gwenderon ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.

»Wo seid Ihr gewesen?«, schnappte er gereizt. »Und wer hat Euch erlaubt Fremde mitzubringen, Karelian?«

Karelian war verwirrt. Sein Blick glitt zwischen Gwenderon, den Männern und Prinz Cavin hin und her. Selbst einem Mann mit weniger feinem Gespür, als er es hatte, musste die Spannung auffallen, die zwischen dem Prinzen und dem Waffenckmeister von Hochwalden herrschte. »Ich habe … Hilfe geholt«, sagte er stockend. »Was ist geschehen? Wer –« Er stockte. Seickne Augen weiteten sich, als er die braunfellige Gestalt Guarrs zwischen den Kriegern erkannte.

»Was sucht diese Kreatur hier?«, fragte er. Plötzlich klang seine Stimme scharf und schneidend wie Glas. Gwenderon sah, wie seine Hand zum Gürtel kroch und sich dem Schwert näherte, und auch sein zwergenhafter Begleiter spannte sich. Nur die schwarzhaarige Frau blieb ruhig. Nicht einmal der Ausdruck auf ihren Zügen änderte sich.

»Diese Kreatur«, antwortete er betont, »hat dem Prinzen und mir und wahrscheinlich allen anderen hier gerade das Leben gerettet, Karelian. Aber vielleicht wären wir nicht auf ihre Hilfe angewiesen gewesen, wenn Ihr an Eurem Platz gewesen wäret. Wir bezahlen Euch als Führer, habt Ihr das vergessen?«

In Karelians Augen blitzte es auf, aber die erwartete wütende Antwort blieb aus. Karelian atmete nur tief ein, deutete mit der Hand an Gwenderon vorbei den Weg hinauf und fragte noch einmaclass="underline" »Was ist geschehen?«

»Nicht so viel, wie hätte geschehen können«, antwortete Gwenderon, nicht halb so ruhig wie der Waldläufer. »Bis auf die Tatsache, dass fünf Männer tot und die meisten anderen verletzt sind, ist im Grunde gar nichts passiert. Aber das ist gewiss nicht Euer Verdienst, Karelian.« Mit einer zornigen Kopfbewegung wies er den Weg hinab. »Dort vorne ist ein Nest von Tauspinnen. Sie haben uns angegriffen. Und sie hätten den Prinzen und mich getötet, hätte diese Kreatur, wie Ihr sie nennt, uns nicht gerettet. Was eigentlich Eure Aufgabe gewesen wäre.«

»Tauspinnen?« Karelian runzelte die Stirn, trat an Gwenderon vorbei und blickte für die Dauer von zehn, fünfzehn Herzckschlägen den Weg hinauf. Dann nickte er.

»Ihr seid ihrem Nest zu nahe gekommen«, sagte er. »Es ist Brutzeit. Sie glaubten ihre Jungen bedroht. Die Tiere sind unckberechenbar, wenn sie sich angegriffen fühlen.« Er deutete mit der Hand nach oben. »Seht Ihr die Netze dort, Gwenderon?«

Gwenderons Blick folgte seiner Geste. Zwischen den Baumckwipfeln spannten sich graue, wehende Gebilde, faserige Schwaden wie Nebel, in denen sich Staub und kleine dunkle Klumpen – Beutetiere wahrscheinlich – gefangen hatten. Sie ähnelten den Netzen, die er im Wald gesehen hatte, waren aber lange nicht so zahlreich. Jetzt, als er einmal darauf aufmerksam geworden war, sah er noch mehr der faserigen grauen Gebilde. Sie waren überall, nicht nur in den Wipfeln, sondern auch im Unterholz, rechts und links des Weges – überall. Vorhin hatte er nichts davon bemerkt. Mehr noch – er war beinahe sicher, dass sie nicht da gewesen waren …

»Ihr hättet es sehen müssen, Gwenderon«, sagte Karelian. Seine Worte klangen nicht wie eine Rechtfertigung. Es war eine reine Feststellung, mehr nicht. »Der Mann an Eurer Spitze hätte es sehen müssen.«

»Der Mann an unserer Spitze ist tot«, sagte Gwenderon. Dann weitaus heftiger: »Zum Teufel, wir haben Euch mitgenommen, damit Ihr uns vor solchen Dingen warnt und nicht hinterher sagt, was wir hätten tun müssen!« Sein ganzer aufgestauter Zorn drohte sich nun auf den Waldläufer zu entladen. Er beherrschte sich nur noch mit Mühe.

Karelian drehte sich aufreizend langsam zu ihm herum. »Es ist nicht meine Schuld, wenn Ihr das Offensichtliche nicht seht«, sagte er. »Ich war in Sorge wegen einer größeren Gefahr.« Er deutete auf seine Begleiter. »Das ist Animah, eine Frau meiner Sippe. Und Mannon vom Volk der Zwerge. Er wird uns den Weg durch die Wälder weisen.«

»Danke«, sagte Gwenderon wütend. »Wir haben bereits einen Führer gefunden. Wenn seine Führung« – er deutete auf Mannon – »so gut ist wie die Eure …« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt noch zu streiten. Karelian hatte Recht, aber er auch. Mit aller Macht zwang er sich zur Ruhe. »Wieso einen Weg durch die Wälder?«, fragte er. »Woher wusstet Ihr, dass dieser Weg nicht mehr begehbar ist?«

»Er ist nicht mehr sicher, Herr«, unterbrach ihn Mannon. Seine Stimme war erstaunlich voll und tief für einen Mann von seinem Wuchs. Sie klang sehr angenehm, fand Gwenderon. »Lassars schwarze Henker sind gesehen worden und der Wald hat Angst.«

»Der Wald hat … Angst?«, wiederholte Gwenderon zweifelnd. Plötzlich fielen ihm Guarrs Worte ein und ganz instinkcktiv blickte er zu dem Raett hinüber. Das Rattenwesen stand weit von ihnen entfernt, aber es blickte in ihre Richtung. Seine Ohren zuckten ganz leicht. Gwenderon war sich plötzlich sicher, dass es jedes Wort verstand, das Karelian, Mannon und er wechselten.

»Es ist finstere Magie im Spiel, Herr«, bestätigte der Zwerg. »Lassars Schatten strecken ihre Hände über das Land. Ich fürchte, der Weg wäre nicht mehr sicher, selbst ohne die Spinnen. Ich kenne einen anderen.«