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»Einen schnelleren«, fügte Karelian hinzu. »Mannon wird uns bis zum nächsten Sonnenaufgang vor die Tore von Hochwalden führen.«

»Das sind über dreißig Meilen!«, entfuhr es Gwenderon. Aber der Zwerg lächelte nur sanft.

»Das kleine Volk kennt Wege durch die Dunkelheit, die uns verschlossen sind«, sagte Animah. Sie lächelte, aber ihr Blick blieb kalt. Gwenderon fiel auf, wie groß sie war. Größer als er selbst, und er war alles andere als kleinwüchsig. »Ihr könnt ihm vertrauen, Gwenderon. Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Er ist ein Freund.«

Aber Gwenderon hörte ihre Worte kaum noch. Mannons Worte echoten wie dumpfes Hohngelächter hinter seiner Stirn: Es ist finstere Magie im Spiel, Herr … Lassars Schatten …

Er schauderte. Vielleicht war es gar kein Zufall, dass sie angegriffen worden waren, von Tieren, die die Menschen normacklerweise mieden. Und vielleicht kam die dumpfe, gestaltlose Furcht, die er wie einen nagenden Schmerz seit Tagen in sich fühlte und bisher zu ignorieren versucht hatte, nicht von ungefähr.

»Lassars Schatten …«, flüsterte er.

Karelian nickte. »Ja«, sagte er. »Spürt Ihr ihre Nähe nicht?« Er atmete hörbar ein, drehte sich um und blickte mit unbewegcktem Gesicht zu Guarr, dem Raett, hinüber. »Und vielleicht«, flüsterte er, »sind sie schon da.«

15

»Damit kommst du nicht durch, Resnec.« Oro sprach leise, beinahe im Flüsterton. Seine Stimme bebte, aber es war kein äußerlicher Schmerz, der sie zittern ließ, obgleich der Griff der beiden breitschultrigen Krieger viel härter war, als nötig gewecksen wäre einen alten Mann wie ihn zu halten. Seine Augen brannten. Er spürte, wie ihm eine einzelne, salzige Träne über die Wange lief und seine Lippen benetzte. Vergeblich suchte er in seinem Inneren nach einer Spur von Furcht oder Zorn, von Verzweiflung oder Angst. Alles, was er spürte, war ein tiefer, zehrender Schmerz, ein Gefühl, als krampfe sich irgendwo in ihm etwas zusammen.

Sein Blick irrte immer wieder zu der reglos ausgestreckten Gestalt des weißhaarigen Magiers hinüber. Sie hatten ihn auf die lange Tafel unter dem Südfenster gelegt, die Hände über der Brust verschränkt, und jemand war barmherzig genug gewesen, ihm den langen Magierstab mit dem goldenen Knauf auf die Brust zu legen. Wäre der hässliche rote Fleck auf der Vorderseite seines Gewandes nicht gewesen, hätte man meinen können, er schliefe.

Aber er schlief nicht, sondern war tot.

Tot. Das Wort hallte ein paar Mal hinter Oros Stirn wider, aber es verlor nichts von seiner Bedrohlichkeit. Es war … lächerlich. Faroan und tot – das war eine Kombination wie die Vorstellung brennenden Wassers. Obwohl er es sah und wusste, weigerte sich etwas in ihm, den Gedanken als wahr zu akckzeptieren. Faroan konnte nicht sterben. Er war kein Mensch, sondern ein Teil der Welt, wie Hochwalden, wie der Schwarzckeichenwald selbst, wie der Himmel. Wie lange kannte er Farockan jetzt? Fünfzig Jahre? Sechzig? Er wusste es nicht. Der Magier war schon alt gewesen, als er an den Hof gekommen war, und man munkelte, dass er sein Alter nach Jahrhunderten zählte wie andere nach Jahren. Irgendwie hatte Oro niemals auch nur daran gedacht, dass der Zauberer überhaupt sterben könnte. Und jetzt war er tot – meuchlings und feige ermordet.

Mühsam löste Oro seinen Blick von dem toten Magier und starrte Resnec an. »Dafür wirst du bezahlen, Resnec«, sagte er. »Niemand tötet einen Magier und niemand streckt seine gierigen Hände nach dem Schwarzeichenwald aus, ohne …«

»Du glaubst das wirklich, wie?«, unterbrach ihn Resnec. Er sprach ganz ruhig. In seiner Stimme war keine Spur von Hass oder auch nur Zorn; allerhöchstem, dass sie ein bisschen verckwundert klang. Beinahe mitleidig. »Du glaubst wirklich noch daran, dass Magie und der Geist von ein paar alten Bäumen den Lauf der Welt bestimmen, wie?« Er schüttelte den Kopf, seufzte und gab den beiden Männern hinter Oro einen Wink, ihn loszulassen.

»Du tust mir Leid, alter Mann«, fuhr er fort. »Du lebst in einer Welt, die schon lange nicht mehr existiert. Du und er.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Leichnam des Magiers. »Vielleicht wart ihr die letzten Vertreter dieser alten Zeit, Oro. Sie wird mit euch sterben.«

Oro starrte ihn an und versuchte vergeblich so etwas wie Hass oder wenigstens Zorn aufzubringen. Er fühlte sich becktäubt.

»Ihr werdet mich auch töten müssen«, sagte er.

Resnec antwortete nicht. Durch das geöffnete Fenster drang der Lärm des Kampfes herein: das Klirren von Metall, Schreie, Rufe, das dumpfe Geräusch, mit dem schwere Körper auf Stein oder Holz aufschlugen. Aber die Hand voll Männer, die jetzt noch Widerstand leisteten, würden in wenigen Augenblicken niedergemacht sein. Oro hatte Resnec gebeten, seinen Männern den Befehl zum Aufgeben erteilen zu dürfen, aber Resnec hatte das abgelehnt. Er wollte keine Gefangenen. Keine Zeugen.

Resnec trat ans Fenster, stützte sich schwer auf die steinerne Brüstung und blickte einen Moment hinaus. »Ich würde es nicht tun, wenn ich eine andere Wahl hätte«, sagte er. »Du hattest deine Chance, Oro.« Es hörte sich fast wie eine Rechtfertigung an. »Ich habe dich gewarnt. Mehr als einmal. Ich … hätte eine andere Lösung vorgezogen, glaube mir. Dieses Töten ist so sinnlos.«

»Dann ruf deine Kreaturen zurück!«, sagte Oro aufgebracht. »Lass mich mit meinen Kriegern sprechen. Sie werden die Waffen niederlegen, wenn ich es ihnen befehle.«

»Niemand widersetzt sich Lassars Befehlen«, antwortete Resnec ohne sich auch nur zu Oro umzudrehen. »Es ist zu spät, Oro.«

»Lassars Befehlen!«, stieß Oro hervor. »Was bist du, Rescknec? Ein Mann oder eine Puppe, die nach dem Willen eines habgierigen Magierkönigs handelt?«

Resnec drehte sich nun doch herum und verzog ärgerlich die Lippen. Er wirkte verletzt. Aber er kam nicht dazu, zu antworten.

»Zumindest ist Resnec ein Mann, der seine Grenzen kennt und um einiges klüger ist als du, alter Mann«, sagte eine Stimme in Oros Rücken. Oro drehte sich herum, setzte dazu an, etwas zu sagen, ballte aber stattdessen nur hilflos die Fäuste.

»Lassar.«

Der Mann in dem einfachen, braungrünen Gewand lächelte kalt.

»Es ehrt mich, dass Ihr mich erkennt, König Oro. Ja, ich bin Lassar, der habgierige Magierkönig.« Er lachte leise. »Es tut mir Leid, dass wir Eure Festung mit Gewalt nehmen mussten, aber Ihr habt uns keine Wahl gelassen.«

»Keine Wahl?« Oro schrie fast. Er hatte noch immer keine Angst, obgleich er spürte, dass er dem Tod jetzt sehr nahe war. »Ihr hattet keine Wahl, als zweihundert meiner Krieger zu erschlagen und diesen harmlosen alten Mann hier meuchlings und heimtückisch ermorden zu lassen? Und alles nur wegen ein paar Bäumen?«

»Wenn es nur ein paar Bäume sind, warum habt Ihr sie uns dann nicht gegeben, Oro?«, erwiderte Lassar kalt. »Hat Euch Resnec mein Angebot nicht überbracht? Oder war es Euch nicht großzügig genug? Und was Faroan angeht – er war kein harmloser alter Mann, Oro. Aber auch das ist ja jetzt erledigt.«

»Nichts ist erledigt«, antwortete Oro leise. »Ihr könnt mich töten und Ihr könnt diese Festung schleifen, aber Ihr werdet den Schwarzeichenwald niemals bekommen. Fühlt Euch nicht zu sicher, Lassar! Eure Macht ist auf Terror und Gewalt gegründet, aber Eure Gefolgsleute werden sich von Euch wenden, wenn sie erfahren, was hier geschehen ist.«

»Ihr sagt es, König Oro«, erwiderte Lassar gelassen. »Wenn sie erfahren, was hier geschehen ist. Aber sie werden es nicht erfahren.«

Oro presste die Lippen zusammen und starrte an dem Magier vorbei ins Leere, aber Lassar sprach von selbst weiter. Vielleicht hatte er Freude an dem grausamen Spiel gefunden. »Niemand wird irgendetwas erfahren, König Oro von Hochwalden. Alle Welt weiß, dass mein Vertrauter Resnec zu Euch gegangen ist. Ihr werdet das Angebot annehmen, das ist alles.«

»Ihr seid ein Narr, wenn Ihr wirklich glaubt, damit auch nur einen Schwachsinnigen täuschen zu können«, antwortete Oro gepresst. »Ihr seid ein Mörder und Verräter, Lassar, und Ihr werdet dafür bezahlen. Vielleicht werde ich es nicht mehr sein, der Euch zur Rechenschaft zieht, aber es werden andere …«