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»Andere?«, unterbrach ihn Lassar. Ein rasches, höhnisches Lächeln huschte über seine Züge. »Wenn Ihr Euren Sohn meint, Oro, muss ich Euch enttäuschen.«

Obwohl sich Oro alle Mühe gab, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, fuhr er sichtlich zusammen. Cavin! Was wusste dieses Ungeheuer von Cavin?!

Lassar lachte böse, fast, als hätte er seine Gedanken gelesen. Vielleicht hatte er es.

»Habt Ihr geglaubt, ich wüsste nicht, dass Euer Sohn und Erckbe auf dem Weg hierher ist, Oro?«, fragte er. »Es gibt nicht viel, was meiner Aufmerksamkeit entginge.« Sein Lächeln erstarrte vollends zur Grimasse. Seine Stimme war kalt und hart wie Glas, als er weitersprach. »Ihr seid ein Narr. Euer Sohn wird kommen und sein Erbe antreten, und … ja, vielleicht bereitet Euch dieser Gedanke besondere Freude: Es wird nicht lange dauern und er wird mir ein ebenso treuer Verbündeckter sein wie Resnec.«

»Niemals!«, keuchte Oro. »Cavin wird dich vernichten, du Ungeheuer. Er wird bis zum letzten Blutstropfen gegen dich und deine schwarzen Henker kämpfen!«

Lassar nickte betrübt. »Er wäre dumm genug dazu, fürchte ich.«

Er seufzte, schwieg einen Moment, senkte den Blick und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

Oro schrie auf, als der Magier den Blick hob und ihn wieder ansah. Das Gesicht unter der spitzen braunen Kapuze war nicht mehr das Lassars.

Es war sein eigenes Gesicht. Und es war seine eigene Stimme, mit der Lassar weitersprach – leise, höhnisch und so voller abgrundtiefer Bosheit, dass Oro ein zweites Mal aufstöhnte.

»Vielleicht würde er es tun, mein König«, sagte er spöttisch. »Aber er wird nicht gegen seinen eigenen Vater kämpfen, nicht wahr? Nach allem, was ich über Prinz Cavin gehört habe, ist er ein kluger und tapferer Prinz, aber auch ein Sohn, der seinem Vater gehorcht.«

»Du … du Bestie«, murmelte Oro. »Du …«

»Zweifelst du daran?«, fragte Lassar lächelnd. »Dein Sohn wird das Erbe antreten und Herrscher über Hochwalden sein, Oro. Aber er wird auch ein treuer Verbündeter sein; weil es der letzte Wunsch seines Vaters war, bevor er starb.«

»Niemals«, sagte Oro. Aber seine Stimme brach fast und tief in seinem Inneren wusste er, dass Lassar die Wahrheit sprach.

16

Der Abend kam, aber sie rasteten nicht. Zu Gwenderons Erckstaunen hatten weder Karelian noch der Zwerg irgendwelche Einwände vorgebracht, als Guarrs Sippe zu ihnen gestoßen war und sich ihnen schweigend angeschlossen hatte, obgleich sie keinen Versuch machten, ihren Widerwillen zu verhehlen. Und selbst Gwenderon konnte sich eines bedrückenden Gefühls nicht erwehren, als das Dutzend großer, braungrauer Gestalten aus dem Unterholz trat und sie schweigend umringte. Und gleichzeitig – so absurd es war – fühlte er sich sicherer.

Mannon, der Zwerg, hatte nur laut ausgesprochen, was sie alle schon lange gespürt hatten: Der Wald hatte sich verändert. Die Schatten zwischen den Bäumen waren keine Zuflucht, die Dunkelheit kein Schutz mehr und in dem Rascheln des Windes in den Baumwipfeln schienen unhörbare Stimmen zu flüstern.

Lassars Fluch … Gwenderon hatte versucht die Worte zu vergessen oder wenigstens als das abzutun, was sie wohl waren, nämlich dummes und abergläubisches Gerede. Aber es war ihm nicht ganz gelungen. Er war nie zuvor einem Zwerg begegnet, aber er hatte – wie alle – gehört, dass das kleine Volk die Stimme der Natur verstand und in den Schatten lesen konnte.

Sie ritten bis weit in die Nacht hinein. Guarr hatte sie zu Gwenderons Erstaunen, ohne dass Mannon auch nur mit einem Wort dagegen protestiert hatte, mehr als drei Stunden scheinbar kreuz und quer durch den Wald geführt, und Unterholz und Gestrüpp waren bald so dicht geworden, dass sie absitzen und die Pferde am Zügel hinter sich herführen mussten. Ohne die Raetts, die mit ihren gewaltigen Körperkräften immer wieder Breschen in die verfilzten Barrieren aus dornigen Zweigen und Ästen brachen, wären sie vielleicht gar nicht mehr von der Stelle gekommen.

Karelian beobachtete ihr Tun schweigend, aber seine Miene wurde immer finsterer, und Gwenderon spürte, wie es in ihm brodelte. Für ihn, dessen Heimat diese Wälder waren, war jeder geknickte Zweig eine Wunde, jeder ausgerissene Busch eine Narbe, die sie dem Wald zufügten, jedes Splittern von Holz ein Schmerzensschrei. Und trotzdem – und das war etwas, das Gwenderon nicht mehr verstand – ließ er es zu.

Gwenderon verlor schon bald die Orientierung. Er hatte Fackeln entzünden lassen wollen, aber Mannon hatte dies mit einem scharfen Befehl verboten. Gwenderon fühlte sich hilflos. Trotz des Vertrauens, das er dem Zwerg entgegenbrachte, beckhagte es ihm nicht, blindlings durch den Wald zu stolpern und dem guten Willen eines einzigen Mannes ausgeliefert zu sein. Eines Mannes vom Kleinen Volk zudem, dem man nachsagte, dass es so unberechenbar wie verschlagen sei und dass es sich dem Menschen nicht unbedingt verbunden fühlte, nur weil es ihm ähnlich war.

Mitternacht musste längst vorüber sein, als Mannon ihnen endlich eine Rast gestattete. Sie hatten eine kleine Lichtung erreicht, die an einer Seite wie von einer natürlichen Wehrmauer von Felsen eingefasst wurde, und der Zwerg fand sich widerwillig bereit, die Männer ein Feuer entzünden zu lassen, damit sie sich ein wenig wärmen und Fleisch aus ihren Vorräckten braten konnten.

Auch Gwenderon aß und trank. Aber er verzichtete darauf, die kurze Rast zu nutzen und sich hinzulegen, um seinem geschundenen Körper Gelegenheit zu geben, etwas von der aufgebrauchten Kraft zurückzugewinnen. Stattdessen ging er, von einer ihm selbst unerklärlichen inneren Unruhe getrieben, ziellos auf der Lichtung auf und ab. Der Wald behagte ihm nicht. Die Bäume umstanden den halbkreisförmigen Platz wie eine massive schwarze Mauer; er spürte den Atem des Fremden, Unheimlichen, der von ihnen ausging wie ein übler Geruch. Dies war nicht mehr der Schwarzeichenwald, den er kannte.

»Ihr seid in Sorge, Gwenderon?«

Gwenderon fuhr beinahe erschrocken zusammen, als er die Stimme hörte. Gezwungen langsam drehte er sich herum, mucksterte Karelian mit einem langen, eingehenden Blick von Kopf bis Fuß und zuckte mit den Achseln.

»Sollte ich?«, fragte er knapp.

Karelian lächelte dünn. »Ich dachte immer, ein Mann wie Ihr hätte das Misstrauen gepachtet«, sagte er. »Es wundert mich, dass Ihr plötzlich so vertrauensselig seid.«

»Was meint Ihr damit?«, entgegnete Gwenderon steif, obwohl er sehr gut wusste, worauf der Waldläufer hinauswollte. Karelian war kein Mann, der nur um des Redens willen redete. Er hatte ihn nicht angesprochen, um sich die Zeit zu vertreiben.

»Das wisst Ihr genau«, antwortete Karelian. »Diese … Tiere« – er deutete auf die Raett-Horde, die ein Stück abseits, fast am entgegengesetzten Ende der Lichtung, lagerte – »warum habt Ihr erlaubt, dass sie uns begleiten?«

Gwenderon seufzte. »Ihr habt mit dem Prinzen gesprochen.«

»Das habe ich«, nickte Karelian. »Auch wenn es nicht nötig gewesen wäre. Niemand hier ist glücklich über ihre Anwesenheit, und …«

»Ich weiß«, unterbrach ihn Gwenderon. Seine Stimme bebte vor Zorn. »Aber noch führe ich diese Gruppe, Karelian. Prinz Cavin ist ein Kind, ganz gleich, ob er nun der Sohn des Königs ist oder nicht. Er weiß es nicht besser. Aber von Euch hätte ich ein wenig mehr Verstand erwartet, Karelian! Diese Tiere, wie Ihr sie nennt …«

»Haben dem Prinzen und vielleicht euch allen das Leben gerettet«, mischte sich eine dritte Stimme ein. Gwenderon fuhr wütend herum und erkannte den Zwerg, der so leise herangekommen war, dass er ihn nicht gehört hatte.

»Das wissen wir, Gwenderon«, fuhr Mannon fort. »Aber darum geht es nicht.« Er schwieg einen Moment, spielte gedankenverloren mit seiner Axt und schüttelte den Kopf, als versuchte er Worte für Dinge zu finden, die sich mit Worten nicht erklären ließen. In der Düsternis der Nacht sah sein Gesicht plötzlich sehr alt aus.