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»Der Weg, der vor uns liegt«, fuhr er fort, sehr leise und mit gesenktem Blick und langsam, als müsse er jedes Wort sehr sorgfältig überlegen, ehe er es aussprach, »ist gefährlich, Gwenderon. Gefährlich und verboten.«

»Verboten?«

Mannon nickte. »Es ist lange her, dass Menschen auf den geheimen Pfaden des Kleinen Volkes durch diesen Wald geschritten sind, Gwenderon«, fuhr er mit großem Ernst fort.

»Im Moment schreiten wir eher auf den Pfaden der Raetts«, versetzte Gwenderon, in einem vergeblichen Versuch, Mannons Worten etwas von ihrer düsteren Bedeutung zu nehmen. Und der Zwerg überging seinen Einwurf auch, als spüre er ganz genau, wie wenig Bedeutung er hatte.

»Es sind Wege, die zu kennen dem Menschen verboten sind. Ich gehe ein großes Risiko ein, euch zu führen. Und Karelian und Animah auch.«

Gwenderon blickte den Zwerg mit wachsender Verwirrung an. »Warum tust du es dann?«, fragte er. »Warum nehmt ihr dieses Risiko auf euch, wenn es so groß ist?«

»Weil es sein muss«, antwortete Karelian, als wäre dies Erklärung genug.

»Der Wald ist in Aufruhr«, fügte Mannon hinzu. »Der Frieckden dieses Ortes ist heilig, und doch hat es jemand gewagt, ihn zu brechen.« Er sah Gwenderon mit einem sonderbaren Blick an. »Spürt Ihr es nicht, Gwenderon? Fühlt Ihr nicht die Unruhe, die Furcht, die nach der Seele des Waldes greift?«

»Das Einzige, was ich gespürt habe, war der Biss einer Tauckspinne«, antwortete Gwenderon mit einem schrägen Seitenckblick auf den Waldläufer.

Mannon blieb ernst. »Und selbst dies ist ein Hinweis, den Ihr verstehen müsstet«, sagte er. »Tauspinnen greifen Menschen nicht an, außer sie sind in Angst. Sie kommen niemals in diesen Teil der Wälder, es sei denn, etwas hätte sie vertrieben. Die Tiere spüren das Nahen des Unheils vor den Menschen.«

»Und den Zwergen?«, fragte Gwenderon.

Mannon ignorierte seinen Einwurf. »Es gibt Wächter auf den Wegen, über die ich euch führe. Sie würden …«

»Genug«, unterbrach ihn Gwenderon gereizt. Er spürte, dass es der Zwerg wirklich ernst meinte und dass er nicht nur so sprach, weil er die Raetts verachtete wie Karelian. Und trotzckdem brachten ihn Mannons Worte in Rage. »Ich werde mit ihnen reden«, fuhr er fort, »aber ich …«

»Reden nicht nötig«, unterbrach ihn eine dunkle Stimme.

Gwenderon fuhr erschrocken zusammen, drehte sich um und blickte in ein braunes, spitz zulaufendes Gesicht mit glänzenden Knopfaugen.

»Ich alles gehört«, radebrechte Guarr. »Zwergenwege nicht gut für uns. Ihr Freunde, wir Freunde. Ihr helfen, wir helfen. Jetzt wir gehen.«

Gwenderon wollte antworten, aber diesmal kam ihm Mannon zuvor. Mit einem schnellen Schritt trat er zwischen ihn und das Rattenwesen, legte – mit absichtlich übertriebenen, umständlichen Bewegungen – die Axt zu Boden und streckte Guarr die leeren Hände entgegen, die Handflächen nach oben gedreht.

»Ich rede in Freundschaft zu dir, Guarr«, sagte er. »Unsere Völker sind seit Urzeiten verfeindet, aber du und ich haben keinen Streit miteinander. Und es gibt eine Gefahr, die uns beide bedroht.«

Die Barthaare des Raett sträubten sich sichtbar. Gwenderon sah, wie eine rasche, unbewusste Bewegung durch seinen muskulösen Körper ging. Seine schwarzen Augen glitzerten. Aber er rührte sich nicht, sondern blickte nur schweigend auf den Zwerg hinab.

»Ihr habt unseren Freunden geholfen«, fuhr der Zwerg fort. »Wir danken euch, aber jetzt trennen sich unsere Wege.« Er wies mit der Linken in den Wald jenseits der Lichtung. »Ihr müsst gehen«, sagte er, »denn der Weg, der dort beginnt, ist nicht für euer Volk. Ihr würdet zu Schaden kommen, würdet ihr versuchen uns zu folgen.«

Der Raett starrte ihn noch einen Herzschlag lang an, dann wandte er sich um und ging ohne ein weiteres Wort zu seiner Sippe zurück.

Gwenderon blickte ihm mit gemischten Gefühlen nach. Eicknerseits war er – auch wenn er sich hüten würde dies zuzugeben – beinahe froh, sich von Guarr und seiner Sippe trennen zu können; ihre Nähe hatte ihm Unbehagen bereitet, obgleich sie Sicherheit und Schutz versprach. Andererseits kam er sich undankbar vor.

»Jetzt legt Euch nieder und schlaft noch ein wenig, Gwenderon«, sagte Mannon. »Es ist noch ein weiter Weg bis Hochwalden und Ihr werdet all Eure Kraft benötigen. Animah, Karelian und ich werden wachen.«

Gwenderon wollte widersprechen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. So blickte er nur an Mannon vorbei in die Richtung, in der sich Prinz Cavins weißes Gewand wie ein heller Fleck vor dem Wald abzeichnete.

Mannon bemerkte seinen Blick sehr wohl. »Wir werden auch auf ihn Acht geben«, sagte er.

17

Hoch über der Burg kreiste eine schwarze Krähe. Es war nicht das erste Mal, dass Resnec den Vogel sah, und er war davon überzeugt, dass es immer der gleiche Vogel war, nicht irgendckeine Krähe, sondern eine ganz bestimmte, ein schwarzer Höllenvogel, der Lassar folgte wie ein lautloser Schatten, sein Begleiter, sein Bote: sein Auge vielleicht. Vielleicht Lassar selbst.

Resnec vertrieb den Gedanken, zog den Mantel enger um die Schultern zusammen und stieg mit raschen Schritten die steile Holztreppe zum Wehrgang hinauf.

Selbst hier, im Schutze der Mauern, war der Wind empfindcklich kalt, und das Heulen, mit dem er sich an den Zinnen und Türmen der Festung brach, klang wie der Chor zahlloser weicknender Stimmen in Resnecs Ohren.

Resnec verhielt mitten im Schritt, drehte sich herum und blickte nachdenklich über den Burghof. Hochwalden lag still und scheinbar friedlich unter ihm. Aber es war der Friede des Todes und die Stille war die Stille eines Friedhofes. Nur ein knappes Dutzend Krieger hielt sich auf den Mauern auf und selbst sie standen starr wie Statuen. Und hätte er sich ihnen weiter genähert, hätte er bemerkt, dass sich nicht einmal ihr Haar oder ihre Kleider im Wind bewegten. Sie waren nicht echt; wenig mehr als Schatten, die unvollkommen die Krieger kopierten, die sie getötet hatten …

Resnec fröstelte plötzlich. Der Wind schien kälter zu werden, aber er wusste, dass das nicht stimmte und dass die Kälte, die er fühlte, nur seine eigene Furcht war. Er stand jetzt schon seit vielen Jahren in Lassars Lohn und Brot, aber es war das erste Mal, dass er gesehen hatte, wie seine schwarzen Henker töteckten.

Die Krieger König Oros hatten keine Chance gehabt. Lassars Kreaturen waren über die Pfade der Schatten gewandelt und im Rücken der Soldaten aufgetaucht, hinter den mächtigen Mauckern der Festung, die das Schutzversprechen, das sie darstellten, nicht hatten halten können. Oros Männer hatten nicht einmal gemerkt, dass sie angegriffen wurden, ehe die schwarzen Henker unter sie fuhren.

Resnec verscheuchte den Gedanken und ging weiter. Aber der Zweifel und die Furcht nagten weiter in ihm, tief im Grunde seiner Seele.

Der Wind schlug ihm wie eine eisige Kralle ins Gesicht, als er auf den Wehrgang hinaustrat und sich schwer auf die Brustckwehr stützte. Es wurde Tag. Der Wald lag noch immer wie ein schwarzer, dichter Schatten unter ihm. Aber das graue Licht der heraufziehenden Dämmerung begann die Schatten bereits aufzulösen. In wenigen Augenblicken würde die Sonne aufgehen.

Das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, ließ Resnec von der Brustwehr zurücktreten und sich herumdrehen. Ein Schatten erschien hinter ihm auf dem Wehrgang, ballte sich zusammen und nahm menschliche Formen an.

»Lassar.« Resnec deutete eine Verbeugung an und senkte das Haupt. Er glaubte, Lassars Blick körperlich auf sich zu fühlen. Es tat beinahe weh. Vielleicht war es wahr, was man sich über ihn erzählte: dass seine Blicke töten konnten.

»Du bist hier, Resnec?« Aus Lassars Stimme sprach gleichzeitig Verwunderung wie ein sanfter, ganz bewusst nicht vollends unterdrückter Tadel. »Du solltest ausruhen. Der morgige Tag wird sehr anstrengend werden.«

»Ich … konnte nicht schlafen, Herr«, antwortete Resnec verckstört. Plötzlich war die Angst wieder da.