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»Du konntest nicht schlafen?«, wiederholte Lassar. »Was beckunruhigt dich, mein Freund?« Warum, dachte Resnec schauckdernd, klang das Wort Freund aus seinem Mund wie böser Spott?

»Es ist … nichts«, antwortete er ausweichend. »Ich war …«

»Nervös?« Lassar lachte, leise, meckernd und böse. »Was raubt dir den Schlaf, mein Freund? Der Kampf? Die Toten, die du gesehen hast?« Er trat näher und zwang Resnec mit einer befehlenden Geste, ihn anzusehen. Das Gesicht unter der spitzen dunklen Kapuze wirkte grau und zerfurcht, gleichzeitig uralt und alterslos. Ein böses Funkeln glomm in seinen Augen.

»Du hast Angst«, behauptete er. »Du dienst mir seit vielen Jahren, Resnec, aber jetzt ist der Moment gekommen, in dem du bereust dich mir verschrieben zu haben.«

»Das ist … nicht wahr«, widersprach Resnec, aber Lassar schnitt ihm mit einer abgehackten Geste das Wort ab. »Es ist so«, sagte er. »Versuche nicht, mich zu belügen, Resnec. Bisckher hast du mir gedient – als mein Bote, als Laufbursche und Unterhändler. Jetzt hast du zum ersten Mal erlebt, wie ich bin. Und du hast Angst. Jetzt, Resnec, jetzt erst hast du erkannt, wem du dich wirklich verschrieben hast. Dem Bösen.«

»Aber ich …«

»Widersprich mir nicht«, sagte Lassar scharf. »Du weißt, dass es so ist, und ich weiß, dass es so ist. Du bist nicht der Erste, Resnec, der in meine Dienste trat und es später bereute. Du bist wie alle anderen. Die Macht, die ich dir versprach, und der Reichtum, den ich dir gab, haben dich gelockt und du konntest der Versuchung nicht widerstehen.« Er wies mit einer zornigen Geste auf den Hof hinab. »Gestern Nacht hast du meine Diener gesehen und du hast gesehen, wie sie getötet haben, und …«

»Nicht getötet«, widersprach Resnec heftig. Er wunderte sich selbst, woher er den Mut nahm, Lassar zu unterbrechen, aber jetzt, als er es einmal getan hatte, redete er weiter, laut und hefcktig und erregt. Die Worte sprudelten aus ihm heraus, als wäre in seinem Innern ein unsichtbarer Damm gebrochen. »Das war kein Töten, Lassar! Das war kein fairer Kampf. Die Männer hatten keine Chance. Sie haben sie abgeschlachtet wie Tiere!«

»Fair?« Lassar lachte leise. »Ich habe niemals behauptet fair zu sein, Resnec.«

»Es war nicht richtig«, sagte Resnec, plötzlich wieder leise und mit gesenktem Blick. »Ich … ich bin Euch immer ein treucker Diener gewesen, Herr, und ich werde es auch bleiben, aber das, was ich sehen musste, war …« Er stockte, suchte einen Moment nach Worten und fuhr fort: »Ihr wisst, dass ich nicht an die alten Legenden und Märchen glaube, Herr, aber der Schwarzeichenwald und die Feste Hochwalden sind heilig. Niemand hat es jemals gewagt, die Hand nach diesem Wald auszustrecken oder diese Festung mit dem Schwert in der Faust zu betreten.«

»Und jetzt hast du Angst?« Lassar lachte.

»Ja«, antwortete Resnec fest. »Ich habe Angst, Herr, denn wenn bekannt wird, was hier geschehen ist, dann werden sich alle von Euch abwenden.«

»Niemand wird es wagen, den Treueeid zu brechen«, sagte Lassar. »Wer sich mit mir einlässt, dient mir bis zu seinem Tod, so oder so.«

»Das Zwergenvolk hat sich schon von Euch abgewandt«, gab Resnec zu bedenken. »Und andere werden folgen. Ihre Furcht vor Euch mag gewaltig sein, aber die Furcht vor dem Geist dieses Waldes …«

»Kein Wort mehr!«, unterbrach ihn Lassar. Seine Stimme bebte. Resnec sah, wie sich seine dürren grauen Hände zu Fäucksten ballten.

»Niemand wird erfahren, was hier geschehen ist, Resnec, wenn es das ist, was dich beunruhigt. Und nun geh. Geh und tue, was ich dir befohlen habe. Die Sonne geht auf.«

Resnec hielt dem Blick der grundlosen, schwarzen Augen Lassars noch einen Moment lang stand, dann fuhr er herum und stürmte auf die Treppe zu.

Und während er die schmalen, ausgetretenen Holzstufen hicknunterlief, glaubte er ein lautloses Lachen in seinen Gedanken zu hören.

18

In dieser Nacht träumte er wieder und wieder waren es zu Anfang nur Schwärze und gestaltlose Schrecken, die er sah. Dann glaubte er ein großes, grotesk missgestaltetes Etwas zu sehen, einen Schatten, in dem nur die Augen lebten, kleine, lodernde Augen, die wie Splitter rot glühender Kohle in die Wolke von Dunkelheit eingebettet waren. Etwas Bedrohliches ging von ihm aus.

Dann verschwand es und für eine Weile wurde der Traum so unlogisch und handlungslos, wie Alpträume nun einmal sind: ein sinnverwirrendes Durcheinander von Bildern und Dingen und grundloser Angst. Schließlich, ganz kurz bevor er erwachte, sah er noch einmal ein Bild, diesmal mit schon beinahe übernatürlicher Schärfe: eine schwarze, himmelhoch aufragende Mauer, gekrönt von absurd gekrümmten Zinnen, die sich wie Finger einer Krallenhand in den Himmel spreizten. Im allerersten Moment hielt er es für Hochwalden, nach dem sich etckwas in ihm zurücksehnte wie nach nichts anderem auf der Welt, dann sah er, dass es nicht stimmte.

Die schwarze Festung, die ihm sein Traum zeigte, war gröckßer, sehr viel größer, als die Burg seiner Kindheit. Und sie war alt. Unglaublich alt. Ihre Mauern waren zerfallen. Die Zeit hatte große Stücke aus den Zinnen herausgebissen, die Türme geschleift und Linien, die einst hart und kantig gewesen sein mochten, abgeschliffen. Trotzdem hatte sie der Festung nicht wirklich Schaden zufügen können.

Prinz Cavin erwachte.

Selbst jetzt hatte er noch das Bild jener namenlosen schwarckzen Festung vor Augen und es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass es nur ein Traum gewesen war, etwas, das er nie gesehen hatte und das es nicht gab; nichts als ein böser Streich, den ihm seine überreizten Nerven gespielt hatten.

Und doch …

Es gelang ihm nicht, das Bild vollends zu vertreiben. Er ließ sich wieder zurücksinken, zog die Decke bis an den Hals hoch, denn die Nacht war sehr kalt und das dünne Zelt bot keinen wirklichen Schutz, aber er fand keinen Schlaf mehr.

Nach einer Weile gab er den stummen Kampf auf und verließ sein Zelt.

19

Lassar sah der dunkel gekleideten Gestalt nach, bis sie seinen Blicken entschwunden war. Hätte Resnec in diesem Moment sein Gesicht sehen können, dann wäre ihm vielleicht der sonderbare, halb bedauernde, ein ganz kleines bisschen aber auch besorgte Ausdruck in den schwarzen Augen des Schattenfürcksten aufgefallen.

Er würde sich um Resnec kümmern müssen, dachte Lassar. Bald. Der Statthalter war stärker, als er bisher geglaubt hatte, und es war ihm noch nicht gelungen, die menschliche Seite seines Selbst vollends zum Verstummen zu bringen.

Vielleicht würde es ihm auch nicht gelingen. Auch Lassar war nicht allmächtig, und Resnec wäre nicht der Erste, der sich als zu stark erwies, den Schritt über die unsichtbare Grenze, die Lassars Welt von der der Menschen trennte, vollends zu tun.

Nun, dachte er, wenn es so wäre, dann würde er Resnec töckten. Er hatte sich bisher als nützlich erwiesen, aber Lassar wusste nur zu gut, dass ehemalige Verbündete die schlimmsten Feinde sein konnten.

Er wandte sich um und ging die Treppe hinunter, ging aber nicht nach links, wie Resnec zuvor, sondern in die entgegengesetzte Richtung, auf das große, jetzt beinahe leer stehende Haupthaus von Hochwalden zu.

Seine Schritte hallten sonderbar gebrochen von den finsteren Wänden der Halle wider. Hochwalden schien dunkler geworden zu sein, schweigsamer und zugleich düsterer. Mit Lassar und seinen schwarzen Kreaturen war eine ungreifbare Finsternis über Hochwalden hereingebrochen, etwas wie ein eisiger Hauch, der ihm aus der Welt der Schatten und der Düsternis, in der er lebte, hierher gefolgt war. Es war kalt, viel kälter als noch am Tage zuvor, und die Linien der Schatten schienen härter geworden zu sein.

Und noch etwas war anders.

Lassar vermochte es nicht in Worte zu fassen, aber er spürte, dass sich etwas verändert hatte, seit er das Haus verlassen hatte, um mit Resnec zu sprechen. Die finstere Aura des Schattenreiches schien verändert, als hätte sich etwas Neues, für Lassar Unbekanntes und trotzdem Drohendes in die wogenden Schatten gemischt.