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27

Als er wieder zu sich kam, lag er auf dem Rücken und eine Hand machte sich geschickt an seinem Bein zu schaffen. Es tat weh, sehr weh, aber er biss die Zähne zusammen und schluckte den Schmerzenslaut, der über seine Lippen kommen wollte, herunter. Jemand hob vorsichtig seinen Kopf an. Ein Gesicht beugte sich über ihn, zuerst nicht mehr als ein verschwommeckner heller Fleck, dann lichteten sich die grauen Schleier, die seinen Blick trübten, und er erkannte Cavin.

»Prinz«, murmelte er. »Seid Ihr … unverletzt?«

Cavin nickte, und für einen Moment glaubte Gwenderon, einen beinahe erleichterten Ausdruck in seinen Augen zu sehen.

»Liegt still, Gwenderon«, sagte er. Behutsam zog er seine Hand unter Gwenderons Hinterkopf hervor, beugte sich wieder über sein Bein und zog den Verband an. »Sagt Bescheid, wenn es zu wehtut«, sagte er.

Gwenderon drehte mühsam den Kopf. Sein Bein war mit einem Stock geschient worden und Cavin hatte schmale Streifen aus seinem Hemd gerissen, um die provisorische Schiene zu befestigen. Gwenderon nickte anerkennend.

»Wo habt Ihr … das gelernt?«, fragte er.

Cavin lächelte. »Man lernt mehr als Schreiben und Lesen auf den Schulen, auf denen ich war«, sagte er. »Zum Beispiel auch, starrköpfige alte Männer wie Euch zusammenzuflicken.«

Sein Blick wurde wieder ernst. »Ich danke Euch, Gwenderon«, sagte er leise. »Ich wäre tot, wenn Ihr Euch nicht vor dieses Ungeheuer geworfen hättet.«

»Dazu bin ich da«, murmelte Gwenderon. Wieder griffen Dunkelheit und Schwere nach seinem Denken und für einen Moment drohte er erneut in Bewusstlosigkeit zu versinken. Aber er wehrte sich mit aller Kraft und drängte die Schwärze zurück, die seine Gedanken zu umnebeln begann. Mühsam tastete er mit der Linken nach festem Halt und versuchte sich hochzustemmen, aber Cavin schob ihn mit sanfter Gewalt zurück.

»Bleibt liegen«, sagte er. »Die Männer bauen eine Trage für Euch.«

»Was ist mit … den Raetts?«, fragte Gwenderon.

»Sie sind tot. Oder geflohen.«

Es war nicht Cavin, der antwortete. Gwenderon drehte den Kopf und blinzelte aus zusammengekniffenen Augen zu der Gestalt hinauf, die sich als schwarzer Schatten gegen das grelle Licht der Sonne abzeichnete.

»Wer … seid Ihr?«, fragte er.

Der Mann stieß ein halblautes, raues Lachen aus und ließ sich neben ihm in die Hocke sinken, sodass sein Gesicht im Schatten lag und Gwenderon es erkennen konnte.

Es war wie ein Hieb.

Gwenderon kannte dieses Gesicht. Das dunkle, eng anliegende Haar, die stechenden schwarzen Augen, denen nicht die geringste Kleinigkeit entging, den Mund, der ständig zu einem abfälligen Lächeln verzogen zu sein schien.

»Resnec!«

»Es freut mich, dass Ihr mich noch erkennt, Gwenderon«, sagte Resnec. »Nach all den Jahren.«

»Was tut Ihr hier?«, schnappte Gwenderon. Ohne auf den klopfenden Schmerz in seinem Bein zu achten stemmte er sich hoch, sodass sich sein Gesicht auf gleicher Höhe mit dem Rescknecs befand. »Was wollt Ihr?«

Resnec lächelte dünn. »Oh, zum Beispiel Euch das Leben retten«, sagte er spöttisch. »Und dem Prinzen. Wäre es Euch lieber gewesen, wir wären nicht gekommen?«

»Ihr kennt Euch?«, fragte Cavin verständnislos. »Wer ist dieser Mann, Gwenderon?«

Gwenderon versuchte aufzustehen, aber er war zu schwach dazu. Erst als Cavin ihm half, gelang es ihm, sich auf die Füße zu stemmen und – wenn auch schwankend – aus eigener Kraft zu stehen. Auch Resnec erhob sich wieder. Seine Haltung wirkte entspannt und auf seinen Zügen lag noch immer jenes spöttische, herablassende Lächeln. Aber seine Hand lag auf dem Schwert.

»Wer dieser Mann ist?«, wiederholte Gwenderon aufgebracht. »Habt Ihr wirklich noch nicht von Resnec gehört, mein Prinz?«

Cavin verneinte. »Wer ist er?«

»Lassars Stiefellecker«, antwortete Gwenderon böse.

»Las…« Cavin verstummte mitten im Wort, drehte sich zu Resnec herum und starrte ihn sekundenlang mit wachsender Verwirrung an.

Das Lächeln auf Resnecs Zügen wirkte plötzlich nicht mehr ganz echt. »Ich stehe in König Lassars Dienst, das ist richtig«, bekannte er. »Aber im Moment bin ich im Auftrage Eures Vackters unterwegs, Prinz Cavin.«

»Ich glaube Euch kein Wort!«, sagte Gwenderon aufgebracht. »König Oro würde niemals …«

»Warum«, unterbrach ihn Resnec, schnell und mit hörbar erckhobener Stimme, »fragt Ihr nicht Euren Herrn selbst, Gwenderon. Oder zweifelt Ihr sogar das Wort Eures Königs an?«

Gwenderon blinzelte verwirrt. »Oro ist hier?«

»Das stimmt«, sagte Cavin rasch. Seine Stimme klang unsicher. »Verzeiht, Gwenderon, aber ich vergaß es dir zu sagen. Er kam wenige Augenblicke nach Resnec und den Männern.«

Er deutete nach rechts. Gwenderons Blick folgte seiner Geste. Der schmale Waldweg quoll schier über von Dutzenden von Pferden und Kriegern, die die weißgoldene Uniform Hochwaldens trugen. Aber es waren auch andere Männer zwickschen ihnen: Krieger in schwarzen, matt glänzenden Rüstungen und bodenlangen Mänteln. Auf ihren Schilden und Brustharnickschen prangte ein flammend rotes Dreieck. Das Auge Siths, des Gottes des Feuers. Lassars Wappen … Und zwischen ihnen stand der König.

Aber das ist unmöglich!, dachte Gwenderon verwirrt. Oro hatte Hochwalden seit Monaten nicht mehr verlassen. Er war zu alt für solch einen anstrengenden Ritt. Hätte er es gekonnt, so wäre er selbst seinem Sohn entgegengeritten, statt Gwenderon zu schicken.

»Wartet, Gwenderon. Ich hole ihn.« Cavin lief los, ohne seickne Antwort abzuwarten, und Gwenderon blieb allein mit Rescknec zurück.

»Das … das verstehe ich nicht«, murmelte er hilflos.

Resnec lachte leise. »Das verlangt auch niemand von Euch, Gwenderon«, sagte er böse. »Es reicht, wenn Ihr tut, was man Euch sagt. Ihr seid nicht zum Denken hier, sondern um zu kämpfen.« Er sah sich mit bewusst übertriebener Gestik um und fügte hinzu: »Aber wie mir scheint, versteht Ihr nicht allzu viel von Eurem Handwerk.«

Gwenderon starrte den hoch gewachsenen Mann in dem dunklen Mantel hasserfüllt an. Hätte er noch die Kraft dazu gehabt, wäre er Resnec an die Kehle gegangen. So beschränkte er sich auf einen wütenden Blick und wartete schweigend, bis Cavin mit dem König zurückkam. Vier seiner Leibgardisten begleiteten Oro – aber auch zwei der schwarz gekleideten Krieger Lassars.

»Gwenderon!«, sagte Oro, als er näher kam. »Ich freue mich Euch gesund und wohlbehalten wieder zu sehen. Fast, jedenfalls«, fügte er mit einem flüchtigen Lächeln hinzu.

Gwenderon blieb ernst. Seine Gedanken überschlugen sich. Er verstand nichts mehr. »Was … was bedeutet das alles?«, fragte er verwirrt. »Verzeiht, Majestät, aber ich …«

»Ihr seid verwirrt, das verstehe ich«, unterbrach ihn Oro. »Aber es ist alles in Ordnung, Gwenderon, glaubt mir.«

»In Ordnung?« Gwenderon starrte den greisen König an, dann deutete er auf die beiden schwarz gekleideten Krieger zu seinen Seiten. »Was tun diese … diese Kreaturen hier?«, fragte er. Er sah aus den Augenwinkeln, wie sich Resnec spannte.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte Oro noch einmal. Ein neuer Ton schwang in seiner Stimme mit, den sich Gwenderon nicht erklären konnte, und in seinen Augen glomm ein sonderbares Feuer.

»Es ist viel geschehen, seit Ihr fortgeritten seid, Gwenderon«, sagte er. »Hochwalden wurde angegriffen.«

»Angegriffen?«, keuchte Gwenderon. Seine unverletzte Hand zuckte zum Gürtel, aber er führte die Bewegung nicht zu Ende, als Oro fortfuhr: »Nicht von Lassar, Gwenderon. Im Gegenteil.«

»Im Gegenteil? Was heißt das?«

»Es waren Krieger aus den nördlichen Wüsten«, antwortete Resnec an Oros Stelle. Seine Stimme klang kalt. Aber es schwang auch eine Spur von Triumph darin mit. »Barbaren und Räubergesindel, die schon seit Monaten die umliegenden Ländereien geplündert haben. Die Raetts, die euch angegriffen haben, gehörten zu ihnen. Ihr habt nichts davon gehört, Gwenderon?«