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»Natürlich«, schnappte Gwenderon. »Aber was hat das mit Hochwalden zu tun? Sie würden es niemals wagen –«

»Hochwalden anzugreifen?« Oro seufzte. »Ich weiß, mein Freund, das waren meine eigenen Worte. Aber sie haben es getan, kaum dass Ihr fort wart, um meinen Sohn zu holen. Die Welt ist nicht mehr, wie sie einmal war.« Er lächelte traurig. »Wir werden beide alt, Gwenderon. Die Welt, wie wir sie kennen, besteht schon lange nicht mehr. Niemand hat noch Ehrfurcht und Respekt vor den alten Werten. Sie griffen uns an und belagerten Hochwalden. Resnec und seine Männer eilten uns zu Hilfe.«

Gwenderon schwieg. Etwas ging in ihm vor, das ihn selbst erschreckte und das er sich nicht erklären konnte. Etwas Beckängstigendes. Er stand Oro gegenüber, blickte in ein Gesicht, das er seit einem halben Jahrhundert kannte, hörte seine Stimme, die er unzählige Male gehört hatte, erkannte die Wahl der Worte, die die Oros waren – und doch hatte er das Gefühl, einem Fremden gegenüberzustehen. Irgendetwas war falsch.

Er konnte das Gefühl nicht begründen, aber er spürte einfach, dass zwischen ihnen plötzlich eine unsichtbare Wand war, eine Schranke, die sie trennte und … ja – und fast zu Feinden machte.

»Ihr habt … Lassar … um Hilfe gebeten?«, fragte er stockend.

Oro nickte ernst. »Mir blieb keine Wahl, Gwenderon. Hochwalden und König Lassar sind nicht länger Feinde.«

Gwenderon fuhr auf, aber es war nicht mehr als ein letztes, kraftloses Aufbegehren. »Aber Ihr habt gesagt –«

»Ich weiß, was ich gesagt habe, mein Freund«, unterbrach ihn Oro. Seine Worte klangen freundlich und sanft wie immer, aber in seiner Stimme war eine Schärfe, die Gwenderon noch niemals darin gehört hatte und die ihn erschreckte. »Ich weiß es nur zu gut«, sagte er. »Aber die Zeiten ändern sich, Gwenderon. Der Angriff auf Hochwalden hat mir die Augen geöffnet.«

»Euch mit Lassar einzulassen?«, keuchte Gwenderon.

»Mich mit ihm zu verbünden«, verbesserte ihn Oro sanft. »Wir können nicht länger so tun, als bliebe die Zeit für uns stehen, Gwenderon. Auch ich liebe Lassar nicht, aber ich habe erkannt, dass Hochwalden nicht länger allein existieren kann. Ich bin ein alter Mann, Gwenderon, und ich bin des Kämpfens müde geworden. Lassar und ich haben ein Abkommen getroffen.«

»Ein Abkommen? Was für ein Abkommen?«, fragte Gwenderon misstrauisch.

Oro wollte antworten, aber Resnec unterbrach ihn. »Verzeiht, mein König«, sagte er. »Aber es wäre besser, die Diskussion auf später zu verschieben. Die Angreifer sind geflohen, aber es könnten sich noch immer versprengte Trupps in den Wäldern herumtreiben, und wir haben nicht viele Krieger bei uns. Ich fürchte um Eure Sicherheit.«

Oro runzelte die Stirn, nickte aber dann und wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln wieder an Gwenderon. »Rescknec hat Recht«, sagte er. »Wir haben Zeit genug zu reden, wenn wir wieder in Hochwalden sind. Und Ihr seid verletzt und braucht dringend Ruhe und die Pflege des Wundschers.«

»Dann reiten wir«, sagte Resnec. »Die Garde wird Euch sicher nach Hochwalden zurückbringen, mein König, Euch und Euren Sohn. Ich bleibe mit meinen Männern hier und kümmere mich um die Verletzten.«

Wieder schien in Gwenderons Gedanken eine Alarmglocke anzuschlagen, aber wieder antwortete Oro so schnell, dass er keine Gelegenheit fand, irgendetwas zu sagen. Es war verrückt, aber es kam ihm fast so vor, als hätte der König nur darauf gewartet, dass Resnec ihm ein Stichwort gab.

»Ihr habt Recht, Resnec«, sagte er. »Lass uns reiten, Cavin. Je eher wir wieder zu Hause sind, desto besser.« Er lächelte. »Wir haben uns viel zu erzählen, glaube ich.«

Gwenderon widersprach nicht mehr, als sich Oro und der Prinz umwandten und zu den wartenden Kriegern zurückgingen.

28

Es verging noch fast eine halbe Stunde, ehe Oro, sein Sohn und der größte Teil der Garde aufbrachen, um zurück zur Festung zu reiten. Gwenderon bekam keine Gelegenheit mehr, mit dem König zu reden; und er wollte es auch gar nicht. Etwas war mit Oro geschehen, etwas, das er sich noch nicht erklären konnte und das ihn beunruhigte.

Es machte sie zu Fremden.

Gwenderon gestand es sich nicht ein, nicht in diesem Mockment, aber es war so: Der König und er waren mehr gewesen als nur ein Herrscher und sein Waffenmeister. Sie waren Freunde geworden in den Jahrzehnten, die sie zusammen verckbracht hatten. Und jetzt war diese Freundschaft erloschen. Das unsichtbare Band, das sie verbunden hatte, war zerrissen. Vielleicht war es Lassars Einfluss, der Oro verändert hatte. Er würde es herausfinden.

Es gab für Gwenderon nichts zu tun. Sein Bein schmerzte jetzt kaum noch, aber er konnte sich trotzdem nur mit Mühe bewegen, und das betäubende Gefühl der Schwere, das sich in seiner Hüfte ausgebreitet hatte, begann langsam in seinen Körckper zu kriechen und ihn müde und schläfrig zu machen. Es kockstete ihn große Mühe, aufzustehen und zu Resnec zurückzuckhumpeln, nachdem der König mit seiner Garde fortgeritten war.

Es war ein sonderbares Gefühl. Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen, nach allem, was geschehen war. Es war seine Aufgabe gewesen, den jungen Prinzen sicher nach Hause und zu seinem Vater zu bringen. Nun war die Aufgabe erfüllt, wenn auch anders, als er geglaubt hatte. Cavin war auf dem Rückweg nach Hochwalden, eskortiert von zwei Dutzend seiner besten Krieger. Und die wenigen Raetts, die das Massaker überstanden hatten, würden sich zehnmal überlegen einen neuen Angriff auf die schwer bewaffneten Reiter zu riskieren.

Und trotzdem hatte er das Gefühl, dass es noch nicht vorbei war. Irgendetwas, eine unhörbare Stimme in seinem Inneren, flüsterte ihm zu, dass Cavin noch nicht in Sicherheit war und die eigentliche Gefahr vielleicht noch auf ihn wartete.

»Ihr seht bedrückt aus, Gwenderon«, sagte Resnec. »Schmerzt Euer Bein?«

Gwenderon sah auf, blickte einen Herzschlag lang in die dunklen Augen seines Gegenübers und schüttelte unmerklich den Kopf.

»Oder verwindet Ihr es immer noch nicht, dass ausgerechnet ich es war, der den Prinzen rettete?«, fügte Resnec spöttisch hinzu.

Gwenderon spürte, wie schon wieder eine Woge heißen Zorns in ihm emporstieg, aber er kämpfte das Gefühl mit aller Macht nieder und wandte sich demonstrativ ab.

Der schmale Waldweg bot einen Anblick des Schreckens. Von dem Dutzend Männer, die zusammen mit Gwenderon aufgebrochen waren, um den Prinzen sicher nach Hochwalden zurückzubringen, lebten noch fünf. Und auch von ihnen war nicht einer ohne Verletzung davongekommen. Auch Norrot, sein treuer Freund und Gefährte zahlloser Kämpfe und Schlachten, war unter den Toten, und als Gwenderon sich genauer umsah, gewahrte er eine schlanke, in einen blutbesudelten braunen Mantel gekleidete Gestalt am Wegesrand.

»Karelian!«, keuchte er. »Ist … ist er tot?«

Hastig schleppte er sich zu dem Waldläufer, drehte ihn ungeschickt mit nur einem Arm auf den Rücken und tastete mit der Hand über sein Gesicht. Karelian stöhnte, öffnete die Augen und murmelte etwas, das Gwenderon nicht verstand. Sein Gesicht war über und über mit Blut besudelt. Aber es war nicht sein Blut, wie Gwenderon nach einem Moment des Schreckens erkannte. Bis auf eine mächtige, blau unterlaufene Beule an der linken Schläfe schien der Waldläufer unverletzt davongekommen zu sein. Gwenderon verspürte ein Gefühl der Erleichterung, das er sich selbst kaum zu erklären vermochte.

»Den Göttern sei Dank«, sagte er. »Er lebt.«

»Noch«, sagte Resnec leise. In seiner Stimme war plötzlich ein neuer, beinahe lauernder Ton, der Gwenderon aufsehen und alarmiert aufstehen ließ.

»Was soll das heißen?«

Resnecs Gesicht blieb unbewegt, aber in seinen Augen erschien ein Blitzen, das Gwenderon nicht gefiel. Seine Hand lag noch immer auf dem Schwertgriff und diesmal war die Geste eindeutig drohend. Und sie sollte es auch sein.

Gwenderon blickte sich erschrocken um. Plötzlich fiel ihm auf, wie still es geworden war, nachdem die Hufschläge in der Ferne verklungen waren. Resnecs Männer standen reglos in einem lockeren, durchbrochenen Halbkreis um Gwenderon und die Hand voll Überlebender herum. Ihre Gesichter waren hinter den heruntergeklappten Visieren ihrer Helme nicht zu erkennen. Aber ebenso wie Resnec selbst hatten sie die Hände auf die Waffen gelegt oder sie bereits gezogen.