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Corben nickte. »Sie sind Söldner.«

»Mörder«, verbesserte ihn Gwenderon. »Die gefährlichsten und hinterhältigsten Mörder, die Ihr im Umkreis von zehntaucksend Meilen findet.«

»Und die teuersten«, fügte Mannon hinzu. »Lassar muss den Herrschern der Insel gewaltige Zugeständnisse gemacht haben, um sich ihre Hilfe zu erkaufen.« Der Blick seiner dunklen Zwergenaugen blieb einen Moment auf Corbens Gesicht haften und suchte dann den Gwenderons.

»Du weißt, was es bedeuten würde, wenn dieser Mann nicht durch Zufall hier war?«

»Zufall?« Gwenderon gab einen Laut von sich, der sowohl ein Lachen als auch etwas ganz anderes sein konnte. »Wo Lassar die Hände im Spiel hat, gibt es so etwas wie Zufall nicht. Und ob ich es weiß, was es bedeutet – nämlich das, was ich schon seit langem befürchtet habe. Lassar ist den Floh leid und beginnt sich zu kratzen.«

»Aber warum?«, fragte Corben. »Ihr selbst habt gesagt …«

»Ich weiß, was ich gesagt habe«, fiel ihm Gwenderon ungeduldig ins Wort. »Und Lassars plötzlicher Sinneswandel ist mir ebenso unerklärlich wie Euch. Es sei denn …«

»… dass etwas geschehen ist, was Lassar zwingt so zu handeln«, führte Mannon den Satz zu Ende, als Gwenderon nicht weitersprach. »Und das würde auch zu dem Überfall auf Corckbens Karawane passen. Und der Truppenkonzentration im Norden, von der die Späher berichtet haben. Aber was nur?«

Gwenderon starrte sekundenlang an dem Zwerg vorbei ins Leere. Mit einem Male war die Müdigkeit wieder da; er spürte, wie sein Körper jetzt mit Macht den Preis für die durchrittene Nacht verlangte und dass er die Augen nicht mehr lange würde offen halten können.

Aber da war noch etwas. Vielleicht lag es schlichtweg an seiner Erschöpfung, aber vielleicht war es auch mehr. Plötzlich hatte er das Gefühl, nicht nur die kleine Goldmünze in seiner Hand mit zurück ins Lager gebracht zu haben, sondern auch den Keim des Unheils. Vielleicht war es ihm gefolgt wie ein unsichtbarer Schatten, und vielleicht war das, was er für Anzeichen seiner Erschöpfung hielt, nichts als die dumpfe Vorahnung kommenden Unglücks.

Und mit einem Male war er sicher, dass sie die Antwort auf Mannons Frage schneller bekommen würden, als ihnen allen lieb war.

4

»Und bist du sicher, dich nicht getäuscht zu haben?« König Oros Stimme war leise und sie klang auf die gleiche, erschreckende Weise leblos und erschöpft wie am ersten Tag, als Cavin nach Hochwalden zurückgekehrt war. Sein Gesicht war eine Maske der Müdigkeit. Es war eine Müdigkeit, die nichts mit normaler Erschöpfung zu tun hatte, sondern eher die Last der Jahre ausdrückte, die auf den gebeugten Schultern des Königs von Hochwalden lag. Das Einzige, was in seinem Gesicht noch zu leben schien, waren die Augen. Sie funkelten schwarz und wachsam. Der Anblick erschreckte Cavin so sehr wie am ersten Tage.

»Ich bin sicher«, antwortete Cavin. »Es war Faroan, Vater, daran besteht gar kein Zweifel. Aber es war …«

Er brach ab, suchte einen Moment nach den richtigen Worten und rettete sich schließlich in ein eher verlegenes Lächeln.

»Ich habe nie an Geister geglaubt«, fuhr er fort – und diesmal wich er Oros Blick aus, als er sprach. »Aber mir fällt kein besseres Wort dafür ein. Es war unheimlich.«

»Wiederhole, was er gesagt hat«, verlangte Lassar. »Wort für Wort.«

Cavin starrte den hoch gewachsenen Magier mit einer Mickschung aus Widerwillen und eisigem Respekt an, schwieg aber.

Lassar war ihm unheimlich; mehr noch – er flößte ihm Angst ein, einfach dadurch, dass er existierte. Dabei war er im Grunde nicht einmal hier. Lassars Körper, so hatte ihm sein Vater gesagt, hielt sich in Wirklichkeit tausende von Meilen entfernt in seinem Palast auf, und was er sah, war nur sein Schatten. Er verstand das nicht. Aber vielleicht war es gerade das, was Cavin solche Angst einflößte.

In den ganzen vier Wochen, seit er nach Hochwalden zurückgekehrt war, spürte er Furcht, wenn er die Schattengestalt Lassars erblickte. Und daran hatte sich nichts geändert. Sosehr er sich dagegen sträubte, den Gedanken auch nur zu denken – er wusste, was er als Erstes tun würde, wenn er nicht mehr Prinz, sondern König von Hochwalden war.

»Tu es, mein Sohn«, bat Oro, als Cavin auch nach endlosen Sekunden keine Anstalten machte, Lassars Aufforderung nachzukommen. »Es ist wichtig.«

Cavin gehorchte. Auf den greisen Zügen seines Vaters war keine Reaktion zu erkennen, während er die wenigen Wortfetzen wiederholte, die er verstanden hatte. Aber Lassars Schattengesicht verdüsterte sich mit jedem Wort, das er hörte. Als Cavin zu Ende gekommen war, wandte er sich mit einem Ruck an Oro und hob herrisch die Hand. »Sagt es ihm, König!«

Der befehlende Ton in Lassars Stimme versetzte Cavin in Rage. Seine Hände spannten sich um die Sessellehnen, als wolle er sie zerbrechen, und für einen Moment war er dicht davor, Lassar in scharfem Ton daran zu erinnern, dass er trotz allem nichts als ein Gast auf Hochwalden war, ein geduldeter Gast noch dazu, kein gern gesehener.

Aber dann begegnete er dem Blick seines Vaters, und es war etwas darin, was ihn frösteln ließ. »Was sollst du mir sagen?«, fragte er leise.

Oro atmete schwer. Seine Lippen zuckten, und Cavin hatte das Gefühl, als bereite es ihm große Mühe, überhaupt zu reden. Ein schwer zu deutender Ausdruck, wie von Trauer, machte sich in seinem Blick breit, und als er lächelte, wirkte es wie eine Grimasse.

»Lasst uns allein, Lassar«, bat er. »Ich … werde ihm alles erklären, aber ich möchte … mit meinem Sohn allein sein.«

»Selbstverständlich«, sagte Lassar. »Aber ich bitte Euch, sagt ihm die Wahrheit, König Oro. So schwer es Euch auch fallen mag.«

Cavin war der kurzen Unterhaltung mit immer größerer Verckwirrung gefolgt. Jetzt stand er auf und machte einen Schritt auf Lassar zu, blieb aber dann mitten in der Bewegung stehen, als sich die Schattengestalt aufzulösen begann und die Umrisse des Fensters verschwommen durch sie hindurch sichtbar wurden.

Wie Faroan vorhin verblasste Lassar, wurde in Bruchteilen eines Atemzuges zu einem Schemen, dann zu einem kaum noch wahrnehmbaren Hauch und war schließlich vollends verckschwunden.

Cavin schauderte.

Für einen Magier wie Lassar mochte diese Art, von einem Ort zum anderen zu reisen, normal sein. Aber er würde sich niemals daran gewöhnen, einen Mann buchstäblich aus dem Nichts auftauchen und auch wieder dorthin verschwinden zu sehen. Auch das war etwas, was Lassar von Faroan unterschied – ihre Macht mochte gleich gewesen sein, aber Faroan hatte niemals damit geprotzt. Er hatte gewusst, wie unheimlich sie selbst auf die wirkte, denen sie zu Diensten stand. Möglicherckweise war Lassar der mächtigere Zauberer, aber mit Sicherheit war Faroan klüger gewesen.

»Was bedeutet das alles, Vater?«, fragte er.

Oro antwortete auch diesmal nicht sofort, sondern erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl. Cavin sprang rasch hinzu und streckte die Hände aus, um ihn zu stützen, aber Oro schüttelte den Kopf. »Lass nur, Cavin«, sagte er. »Noch bin ich nicht so gebrechlich, dass ich nicht allein gehen kann. Komm mit.«

Er wandte sich um, schlurfte mit kleinen, mühsamen Schritten durch den Thronsaal und trat auf den halbmondförmigen Balkon an der Südseite des Turmes hinaus. Cavin folgte ihm und fasste sich weiter in Geduld, bis sich Oro schwer auf das steinerne Geländer gestützt hatte.

Der Wind war noch immer kalt und der Prinz sah, wie die Böen seinem Vater ins Gesicht schlugen und ihn blinzeln lieckßen. Trotzdem schien er das Gefühl sichtlich zu genießen.