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Plötzlich löste er sich von seinem Platz am Fenster, trat auf Cavin zu und streckte ihm eine Hand entgegen, die aus Rauch und Dunkelheit geformt zu sein schien.

»Schlagt ein, Cavin«, sagte er, »und in drei Monaten, von heute an gerechnet, sende ich Euch fünfhundert Männer mit Waffen und Pferden. Ich verlange nichts dafür. Nichts als Eure Freundschaft.«

Cavin zögerte. Der Gedanke, diesen fürchterlichen Schattenkörper berühren zu sollen, erfüllte ihn mit Entsetzen. Aber dann sah er wieder das Gesicht seines toten Vaters vor sich und er dachte an Gwenderon und seinen Verrat und den Frevel, den er darüber hinaus begangen hatte. Mit einer fast zornigen Beckwegung stand er auf und ergriff Lassars Rechte.

Es war ein Gefühl, als würde er brennendes Eis berühren, und Cavin wusste im gleichen Moment, in dem er es tat, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Einen Pakt, der ihn mehr, viel mehr kosten würde, als er jetzt schon ahnte.

Aber auch dieser Gedanke erstickte unter einer neuen Woge von Hass. Er griff fester zu, drückte Lassars Hand mit trotziger Kraft und genoss den Schmerz sogar, den die Berührung verurcksachte.

Er schob den Gedanken beiseite, dass Lassars Lächeln wirkcklich das bedeutete, was er darin zu sehen glaubte.

14

Eine Woche lag er im Fieber, eine weitere etwas ruhiger, in einem normalen, wenngleich noch immer sehr tiefen und von üblen Träumen geplagten Schlaf. Als er erwachte – zum ersten Male wirklich erwachte, nicht für Augenblicke hochschrak und wieder in seinen Dämmerzustand versank, ohne mehr als wirre Bilder und Eindrücke mit hinüber ins Reich der Alpträume zu nehmen –, war es Nacht. Durch den unverschlossenen Eingang seiner Laubhütte konnte er einen kleinen Ausschnitt des Himmels sehen, ein dunkelblaues Band über der gewellten schwarckzen Linie des Waldes, übersät mit zahllosen winzigen Lichtpunkten. Es war warm. Der rote Schein eines fast völlig heruntergebrannten Feuers erhellte die kleine Hütte, und auf seiner unverletzten Schulter lag eine Hand, so schlaff und weich, dass er wusste, dass ihr Besitzer schlief, noch ehe er den Kopf wandte.

So vorsichtig seine Bewegung war, sie war heftig genug, Animah aufzuwecken. Die schwarzhaarige Frau schrak zusammen, zog die Hand zurück und starrte ihn einen Moment lang mit noch leerem Blick an, ehe sie sich in ein Lächeln rettete. Resnec versuchte es zu erwidern, aber nach sechs Tagen und Nächten gehorchten ihm seine Muskeln noch nicht völlig wieder.

»Du … bist wach«, murmelte Animah. Ihr Gesicht war bleich. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen und kündeten von zu vielen Nächten mit zu wenigen Stunden Schlaf.

»Ich muss … eingeschlafen sein«, sagte sie verlegen. »Verckzeih. Wie fühlst du dich?«

Objektiv betrachtet war das eine ziemlich dumme Frage, dachte Resnec. Trotzdem freute sie ihn; vielleicht, weil es zu lange her war, dass sich irgendjemand Sorgen um ihn gemacht hatte. Er versuchte abermals zu lächeln – diesmal gelang es –, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Schale mit Wasser, die neben Animah auf dem Boden stand. Sie beugte sich herab, hob seicknen Kopf mit der Linken ein wenig an und setzte ihm mit der anderen Hand die Schale an die Lippen.

Resnec leerte sie bis zur Neige. Hinterher war sein Durst nicht kleiner, aber seine Lippen und seine Zunge fühlten sich geschmeidiger an und er konnte wenigstens versuchen zu reckden. »Wie lange … habe ich … geschlafen?«, fragte er stockend.

Animah setzte die Schale ab und tupfte ihm mit einem sauberen Tuch über die Lippen, als wäre er ein Säugling, ehe sie antwortete: »Zwölf Tage und Nächte. Du wärst beinahe gestorckben.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf seine geschwollenen Schultern. »Der Pfeil war vergiftet. Guarrs Leute brachten uns eine Salbe. Ohne sie hättest du den ersten Tag nicht überlebt.« Sie zögerte einen ganz kurzen Moment, ehe sie hinzufügte: »Der Arm wird für lange Zeit steif bleiben. Vielleicht für immer.«

Obwohl ihre Worte ihn hätten erschrecken müssen, taten sie es nicht. Alles, was Resnec empfand, war ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit, dass Animah so offen zu ihm war. Seit seiner Trennung von Lassar hatte er eine tiefe Abneigung gegen jede Art von Lügen entwickelt.

»Hast du … die ganze Zeit hier gesessen?«, fragte er.

Animah schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht«, sagte sie, und Resnec spürte, dass dies eine Lüge war. »Wir haben uns abgewechselt. Die meiste Zeit über war einer von Guarrs Raetts hier. Gwenderon«, fügte sie hinzu, und Resnec spürte, dass es eine weitere Lüge war, »war auch ein paar Mal hier und hat sich nach deinem Befinden erkundigt.«

»Wollte er wissen, ob ich schon tot bin?«, fragte Resnec.

»Du bist verbittert«, stellte Animah fest.

»Und ich habe kein Recht dazu, meinst du?«

Animah schwieg. Dann, nach einer Weile, schüttelte sie den Kopf, lächelte und gab sich einen sichtlichen Ruck. »Was reckden wir«, sagte sie mit veränderter, viel energischerer Stimme. »Du bist krank und solltest dich auf nichts anderes konzentrieren als darauf, möglichst rasch wieder gesund zu werden. Und es hilft dir nicht dabei, wenn du finstere Gedanken wälzt.«

Plötzlich glaubte Resnec zu begreifen, dass die Fürsorge, die er in ihrer Stimme und ihrem Blick las, gar nicht ihm selbst galt. Trotz ihres abenteuerlichen Äußeren und ihres manchmal bewusst harten Auftretens war Animah im Grunde eine sehr sanfte Frau, und es war nichts als die gleiche Pflege, die sie auch einem kranken Pferd hätte angedeihen lassen; oder einem von Guarrs Raetts, wäre er verletzt. Sie pflegte einen Kranken, und sie tat es mit aller Aufopferung und Kraft, deren sie fähig war. Es spielte keine Rolle, ob er Resnec hieß oder ein braunes Gesicht mit Knopfaugen hatte. Ein ganz kleines bisschen war er enttäuscht, aber nicht sehr tief und nicht sehr lange. Was hatte er erwartet? Er hatte diesen Männern und Frauen hier mehr angetan, als er in zehn Leben wieder gutmachen konnte.

Und – und dieser Gedanke erschreckte ihn wirklich – wollte er es überhaupt? War er wirklich hier, um Gwenderon und den anderen zu helfen, den Schwarzeichenwald zu beschützen und Cavin zu befreien, oder vielleicht nur, um sich an Lassar zu rächen?

»Du musst Gwenderon verstehen«, sagte Animah plötzlich. »Er hat zu viel verloren. Gib ihm ein wenig Zeit.«

»Ich verstehe Gwenderon«, antwortete Resnec. »Wen ich nicht verstehe, das bist du, Animah. Du und Mannon und die anderen …« Er richtete sich ein wenig auf, obwohl die Bewegung einen dumpfen Schmerz in seiner Schulter auslöste. »Wieso traut ihr mir mit einem Male?«

Die Frage schien Animah zu überraschen, denn es dauerte eine geraume Weile, bis sie antwortete. »Vielleicht weil Guarr dir vertraut.« Sie lächelte, als sie seine Verwirrung bemerkte. »Es mag dir verrückt vorkommen, aber … Guarr würde wissen, wenn du uns belügst. Und du könntest es nicht einmal, wenn du wolltest. Es ist so, wie der Zwerg behauptet, Resnec – Lassars Zauber hat hier keine Macht.«

»Du hast mit den Raetts gesprochen«, vermutete Resnec.

Animah schüttelte den Kopf, nickte und schüttelte gleich darauf abermals den Kopf. »Ich habe es versucht«, sagte sie. »Aber diese Raetts sind ein sonderbares Volk. Die meisten verstehen unsere Sprache mittlerweile recht gut und Guarr spricht sie beinahe perfekt, aber jedes Mal, wenn ich herauszuckbekommen versuche, was geschehen ist, nachdem Faroan dich an sie übergeben hat, scheinen sie alles Gelernte auf der Stelle zu vergessen.« Sie lächelte. »Ich nehme an, auch du willst nicht darüber reden?«

Resnec dachte einen Moment über ihre Frage nach. Wollte er über das reden, was er erlebt hatte? Er wusste es nicht.