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Dicht hinter dem Prinzen teilte sich das Unterholz, und mehr als zwei Dutzend Krieger traten aus dem Wald und machten Mannons Pläne mit einem Schlag zunichte.

Einen Moment lang starrte er noch aus brennenden Augen zu Cavin und der Söldnertruppe hinüber. Dann kroch er rücklings fünf, sechs Meter weit in den Schutz des Waldes zurück, richtete sich auf und wartete, bis die beiden Männer ihm gefolgt waren, und deutete nach Norden. »Schnell jetzt«, sagte er. »Wir müssen die anderen warnen.«

So rasch sie konnten, liefen sie zum Weg zurück, saßen auf und sprengten zum Lager zurück. Alle Vorsicht war jetzt vergessen. Der Wald flog an ihnen vorbei, aber Mannon trieb sein Pony zu immer größerer Schnelligkeit an. Noch immer hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden, und obwohl der Wald tot und still war wie zuvor und das Donnern ihrer Pferdehufe auch die letzten Spuren von Leben vertrieb, wurde es stärker. Es wuchs mit jedem Meter, den sie sich dem Lager näherten.

17

»Sie sind unterwegs, Herr.«

Die Stimme des Söldners klang so düster, wie sein Gesicht hart war. Er war ein Mann von den nördlichen Eisinseln, seiner Kleidung und dem harten Dialekt nach zu schließen – groß, hager, mit Händen wie aus rauem Holz und grausamen Augen. Hätte Cavin ihn unter anderen Umständen getroffen, hätte er vielleicht Angst vor ihm gehabt. Jetzt befriedigte ihn der Anckblick. Der Mann war wie seine fünfhundert Kameraden ein Subjekt, das, aus reiner Lust am Kämpfen und Töten zu seiner Fahne geeilt war. Für Cavin war er nicht mehr als ein Werkckzeug. Ein perfektes Werkzeug.

»Wie viele sind es?«, fragte er.

Der Mann deutete nach Norden. »Vier, Herr. Zwei Männer, eine von diesen stinkenden Raett-Kreaturen und ein Zwerg.«

»Ein Zwerg?« Cavin runzelte die Stirn und sah den Söldner fragend an. »Ein kleiner schwarzhaariger Kerl mit Vollbart und einer Axt, die fast größer ist als er selbst?«

Der Krieger nickte überrascht. »Ihr kennt ihn?«

»Mannon«, flüsterte Cavin. »Er ist hier. Ich –« Er brach ab, schwieg einen Moment und fuhr dann, lauter und sichtlich erregt, fort: »Ruf deine Leute zusammen. Wir folgen ihnen. Auf der Stelle.«

»Aber das …«, begann der Krieger, wurde aber sofort von Cavin unterbrochen.

»Das entspricht nicht unserem Plan, ich weiß«, sagte der Prinz ungeduldig. »Aber ich will Mannon haben. Er gehört zu denen, die mich verrieten und Schuld am Tod meines Vaters haben. Verfolgt sie. Spürt ihr Lager auf und greift sie an. Es reicht, wenn einer oder zwei von ihnen entkommen, um uns zu ihrem Hauptlager zu führen. Aber ich will diesen Zwerg. Leckbend – hast du das verstanden?«

»Es wird nicht leicht werden, einen Zwergenkrieger lebend einzufangen, Herr«, wandte der Krieger ein. Eine Spur von Furcht klang in seiner Stimme mit. Der Ruf der Zwergenkrieger war nicht nur bis nach Hochwalden gedrungen.

Cavin fuhr auf. »Wozu bezahle ich euch? Bringt mir Mannon und bringt ihn mir lebend. Die anderen gehören euch. Ihr könnt euch teilen, was sie an Waffen und Geld bei sich haben. Und nun geh!«

Der Mann starrte ihn noch einen Moment zweifelnd an, dann drehte er mit einem Ruck sein Pferd herum, sprengte zu seinen Kameraden zurück und begann in seiner Heimatsprache Befehle zu brüllen. Für einen Moment verwandelte sich die geordneckte Formation der Söldner in ein scheinbar unentwirrbares Chackos, dann nahmen die zwei Dutzend Reiter in Zweierreihen hintereinander Aufstellung und verschwanden in scharfem Galopp im Wald.

Irgendetwas geschah mit den Schatten, kurz bevor die Stille des Schwarzeichenwaldes das Geräusch ihrer Hufschläge verckschluckt hatte: Für einen ganz kurzen Moment hatte Cavin den Eindruck, als ob sich Licht und Farben des Busches um eine Winzigkeit ins Düstere hin verschoben; aus Braun wurde Schwarz, aus Grün Dunkelheit, aus Schatten Nacht. Dann war alles wieder normal. Nur die zwei Dutzend Männer waren verckschwunden.

Aber der Gedanke erreichte Cavins Bewusstsein kaum. In seiner Seele war nur noch Platz für Hass.

Mannon, dachte er, und für einen Moment glaubte er das Gesicht des Zwergenkriegers direkt vor sich zu sehen. Du wirst der Erste sein, der für den Verrat bezahlt. Seine Rechte spannte sich um das Schwert, das er im Gürtel trug; so fest, dass es schmerzte.

18

Quer über dem Weg lag ein Toter. Er war nicht nur ermordet, sondern auch noch ausgeplündert worden. »Diese Bestien«, murmelte Mannon. »Diese verdammten …«

Seine Stimme versagte. Er war ein Mann des Zwergenvolkes, und Krieg und Tod waren ihm nicht fremd. Er hatte vor Jahren aufgehört die Schlachten zu zählen, in denen er gefochten hatte. Und trotzdem traf ihn der Anblick des verwüsteten Lagers so hart, als wäre es das erste Mal.

Von dem Dutzend Männer, das sie zurückgelassen hatten, lebte keiner mehr. Die kleine Lichtung hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Menschen und Pferde lagen wirr übereinander, die beiden Wagen waren zerstört und da und dort flackerten Brände.

Es war kein Kampf gewesen, dachte Mannon düster. Nicht in dem Sinn, in dem er das Wort bisher immer benutzt hatte. Die Rebellen hatten keine Chance gehabt. Den Spuren nach zu schließen mussten sie von einer erdrückenden Übermacht überfallen und in wenigen Augenblicken getötet worden sein. Manche der Toten hatten nicht einmal mehr die Zeit gefunden, ihre Waffen zu ziehen.

Mit einem unterdrückten Seufzer richtete sich Mannon auf, griff nach dem Sattelknauf und schwang sich mit einer kraftckvollen Bewegung auf den Rücken des Ponys. Das Tier begann nervös zu tänzeln. Der Geruch des Todes, der wie ein süßlicher Pesthauch über der Lichtung lag, machte es rasend.

»Aber wie ist das möglich?«, murmelte einer seiner beiden Begleiter. »Wie … wie kann das sein, Herr? Wir … wir sind doch sofort … sofort zurückgekehrt.«

»Magie«, sagte Mannon. Er dachte an das Gefühl, das er gehabt hatte, als ob ihn unsichtbare Augen aus dem Dunkel des Waldes heraus anstarrten. Er hatte es gespürt, als sie das Lager verlassen hatten, und es war noch immer da. Sie waren nicht allein. Lassars Magie lag wie eine unsichtbare, erstickende Wolke über der Lichtung.

»Besser wir gehen«, quietschte der Raett. »Bevor sie kommen.«

Mannon drehte sich halb im Sattel herum und sah das riesige, braunpelzige Rattenwesen mit einer Mischung aus Trauer und Resignation an. Mit einem Male erschien ihm die kriegerische Bewaffnung des Raett eher hilflos als lächerlich.

»Ich fürchte, das hat nicht mehr viel Sinn, mein Freund«, sagte er leise. »Sieh dort hinüber.«

Seine Hand wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Der Raett und seine beiden menschlichen Begleiter fuhren herum – und erstarrten.

Der Weg war nicht mehr leer. Wie ein Schatten, der urplötzcklich aus der Nacht auftaucht, war ein Reiter auf dem schmalen Waldpfad erschienen.

Es war ein dunkler, seltsam konturloser Mann auf einem gewaltigen, schwarzen Schlachtross, groß und düster und von einer sonderbaren Aura des Finsteren eingehüllt, als schreckten selbst die Strahlen der Sonne vor der schattenhaften Gestalt zurück.

»Wer ist das, Herr?«, murmelte einer der Krieger. Seine Stimme zitterte vor Angst und selbst Mannon spürte, wie irgendetwas in seiner Seele vor der Anwesenheit dieser Kreatur der Nacht zurückschrak.

»Lassar«, flüsterte er. Seine Hand kroch wie ein kleines leckbendes Wesen zum Sattelgurt und schmiegte sich um den Griff der Streitaxt. Aber er zog die Waffe nicht. Einen Schatten konnte man nicht mit Stahl bekämpfen. Ein dumpfes Gefühl von Resignation machte sich in ihm breit.

»Lassar«, sagte er noch einmal; lauter, so, dass der Herr der Schatten seine Worte hören musste. »Du bist selbst gekommen, um uns zu vernichten.«

Lassar lachte leise und begann auf sie zuzureiten. Mannon sah, dass die Hufe seines Pferdes den morastigen Boden nicht wirklich berührten. Wie sein Reiter war das Tier nur ein Trugckbild. Illusion, mehr nicht. Aber eine Illusion, die töten konnte.