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Cavin wollte widersprechen, aber irgendetwas geschah, was er sich selbst nicht erklären konnte: Ein unsichtbarer Sturmckwind schien durch seine Gedanken zu fahren und alles auszulöckschen, bis nur noch Platz für seinen Hass auf Gwenderon war. Es war wie der Griff einer gewaltigen, eisigen Hand, die sein Denken bis zur Hilflosigkeit erstickte und dass er nun wirklich die willenlose Fadenpuppe war, mit der er sich selbst verglichen hatte. Aber selbst dieser Gedanke entschlüpfte ihm, ehe er ihn vollends zu Ende denken konnte.

»Nein«, sagte er entschlossen. Mit einem Male war seine Stimme ganz kalt. Er spürte jetzt nicht einmal mehr Zorn, wenn er an Gwenderon dachte, nur eine tiefe, durch nichts mehr zu ändernde Entschlossenheit. »Gebt den Männern Befehl, sich fertig zu machen. In einer Stunde brechen wir auf.«

Lassar lächelte.

23

Der Wald kam ihm dunkler vor, düsterer und kälter als gewohnt. Der Schwarzeichenwald war niemals freundlich zu den Menschen gewesen, nicht einmal zu denen, die sich seine Beckschützer nannten. Aber er war auch niemals feindlich gewesen, nicht mehr, als es in der Natur üblich war. Jetzt aber schien die jahrtausendealte Gleichgültigkeit des finsteren Blätterdomes einer stummen Ablehnung gewichen zu sein; die Dornen, die den Weg säumten, beschränkten sich nicht mehr darauf, Kleickder und Haut eines Unvorsichtigen aufzureißen, sondern stachen den Eindringlingen entgegen, die tief hängenden Äste peitschten nicht mehr nur die Gesichter derer, die zu nachlässig waren, auf den Weg zu achten, sondern schlugen gezielt wie kratzende Krallen zu, der Boden gab nicht durch puren Zufall unter den Hufen der Pferde nach, wo etwa ein Kaninchenbau oder das Labyrinth der Wühlmäuse seine Festigkeit unterhöhlt hatte, sondern schnappte mit immer neuen Mäulern nach den Fesseln der Tiere, die Dunkelheit zwischen den mannsdicken Stämmen lenkte den Schritt des Wanderers nicht mehr ohne Absicht in die Irre, sondern ballte sich zu hässlichen schwarzen Schatten, hinter denen unvorstellbare Gefahren lauerten. Sie hatten die Gewalt in dieses Reich ewigen Friedens gebracht und der Wald reagierte.

Resnec war nervös – sie alle waren nervös und sie hatten Grund dazu –, aber das war nicht alles. Seit die Späher vor zwei Tagen gemeldet hatten, dass Cavins Söldnerheer die Burg verlassen hatte und sie selbst aufgebrochen waren – ihnen entgegen und einen gewaltigen Bogen schlagend, um nicht unvercksehens mit dem näher kommenden Heer zu kollidieren –, hatte sich der Wald verändert. Es war eine schleichende, fast unckmerkliche Veränderung gewesen, die trotzdem unübersehbar geworden war.

Er versuchte die Vorstellung zu verscheuchen, aber es ging nicht. Die stumme Aggressivität, die aus dem Wald wie ein übler Geruch kam, war bereits in seine Gedanken gekrochen. Außerdem hatte er Angst.

Nervös richtete er sich hinter seiner Deckung auf und spähte durch das dichte Blattwerk zum See hinüber. Eine Stunde war vergangen, seit der Raett lautlos im Unterholz verschwunden war, und Resnecs Unbehagen war während jeder Sekunde dieser Stunde gestiegen. Seine Hand strich über das Schwert, das nutzlos an seiner Seite hing. Nutzlos, weil ein einarmiger Mann nicht sehr viel mit einem Schwert anfangen konnte und er zwar noch beide Arme hatte, der eine aber gefühllos wie ein Stück Holz von seiner Schulter hing. Sie glitt über dieses Schwert, kroch weiter den Gürtel hinauf und strich nervös über sein Kinn, fast ohne sein Zutun, und sank wieder herab, als sich Resnec der Tatsache bewusst wurde, dass er nicht allein war und ihn ein Dutzend menschlicher und die dreifache Anzahl Raett-Augen anstarrten.

Er vertrieb auch diesen Gedanken, richtete sich ein wenig weiter auf und blickte konzentriert zur Burg hinüber. Hochwalden ragte wie ein schwarzer Monolith gegen den Himmel auf. Über der Spitze ihres höchsten Turmes flatterte das rotckweiße Drachenbanner Cavins, selbst über die Entfernung von mehr als einer Meile noch deutlich zu erkennen, und das offen stehende Tor mit der heruntergelassenen Zugbrücke kam ihm vor wie ein aufgerissenes Maul, das nur darauf wartete, dass sie hineinmarschierten. Wenn er jemals eine Falle gesehen hatte, dann war es Hochwalden.

»Er bleibt sehr lange«, murmelte er. Obwohl er geflüstert hatte, kam ihm der Klang seiner eigenen Stimme übermäßig laut vor. Das grüne Halbdunkel des Waldes verschluckte sie nicht, sondern warf sie tausendfach gebrochen zurück; ein unheimliches Flüstern und Wispern, als befänden sie sich in einer gewaltigen Höhle, nicht in einem Wald.

»Weg weit«, antwortete Gionn, dem die Worte gegolten hatten. Der zwei Meter große Raett – Guarrs Bruder – blickte zu Resnec hin und bleckte das Gebiss zu einer Grimasse, die er für ein Lächeln halten mochte, die Resnec aber nur mit Schaudern erfüllte. Trotz seiner Größe war er in der grünbraunen Dämmerung kaum zu erkennen; nicht mehr als ein pelziger Schatten, der sich seiner Umgebung perfekt anpasste. »Fakor vorsichtig«, fuhr der Raett fort. »Wenn Falle, merken.«

»Ich hoffe es«, antwortete Resnec ernst. Wieder suchte sein Blick die Burg. Für einen Moment schien es ihm, als bewege sich der Schatten, zu dem Hochwalden kurz vor Sonnenuntergang geworden war, als verlagere der steinerne Drache, dessen aufgerissenes Maul ihnen höhnisch die Zunge herausstreckte, in einer sehr sachten, aber unendlich mächtigen Bewegung sein Gewicht und erstarrte dann wieder zur Reglosigkeit. Aber das war Unsinn. Lassar war mächtig, aber nicht so mächtig, dass er eine Burg zum Leben erwecken konnte.

Wenigstens versuchte Resnec sich dies einzureden.

Er ließ sich wieder zurücksinken, verlagerte sein Körpergewicht, bis er in eine einigermaßen bequeme Haltung gerutscht war, und lehnte den Kopf gegen einen Baum. Er war müde und gleichzeitig erfüllte ihn eine schon fast schmerzhafte Unruhe. Wenn ihr Plan aufging – ja, wenn er aufging, und keines der zahllosen Wenns, die er enthielt, sich zu ihren Ungunsten entckwickelte –, dann gehörte Hochwalden in wenigen Stunden ihnen, und wenn sich die gleiche Anzahl von Wenns hundert Meilen weiter nördlich ebenso zu ihren Gunsten entschied, dann würde in nicht einmal zwei Tagen König Cavin hier eintreffen, und sie hatten Lassar mit seinen eigenen Waffen geschlagen …

Beinahe fand Resnec die Situation absurd. Er war hierher gekommen, um Hochwalden zu erobern, und jetzt tat er es und wollte damit das genaue Gegenteil dessen, was ihn in diesen Teil der Welt geführt hatte. Und da war eine Stimme in seinen Gedanken, die ihm sagte, dass es unmöglich war. Er und seine Leute waren Fliegen, die versuchten eine Spinne in ihrem eigenen Netz zu fangen. Lächerlich.

»Fakor kommt.« Gionns pfeifende Stimme drang unangenehm schrill in seine Gedanken. Resnec sah auf, drückte die Zweige vor seinem Gesicht mit der Hand auseinander und erkannte einen geduckten, schwarzbraunen Schatten, der sich auf allen vieren dem Waldrand näherte, sehr schnell und mit Beckwegungen, die eher an ein Gleiten und Fließen erinnerten als an ein Kriechen. Der Anblick hatte etwas Bedrückendes, denn Gionns Späher sah nun wirklich aus wie eine ins Absurde vergrößerte Ratte. Während der letzten Tage war Resnec so viel mit den intelligenten Riesennagern zusammen gewesen, dass er manchmal vergaß, dass sie nicht nur etwas sonderbar ausseckhende Menschen waren.

Rings um sie herum entstand Bewegung, denn nicht nur er hatte das Kommen des Spähers bemerkt. Ein, zwei Dutzend Gestalten kamen auf ihn zu – der größte Teil der Krieger, die ihn und Gionn begleiteten. Aber er registrierte auch, dass es ausnahmslos menschliche Gestalten waren. Nicht einer von Gionns Raetts verließ seinen Posten. Ein völlig widersinniges Gefühl von Neid machte sich in Resnec bemerkbar. Es erschien ihm einfach nicht richtig, dass diese halb tierischen Kreaturen über mehr Disziplin verfügen sollten als seine menschlichen Begleiter.