Выбрать главу

Und im gleichen Moment teilte sich das grüne Dunkel hinter ihnen …

29

Zorn stieg in Cavin empor und fegte den letzten Rest klaren Denkens aus seinem Schädel. Mit einem gellenden Schrei riss er sein Schwert hoch, sprang zu seinem Pferd und in den Sattel und preschte auf die beiden einsamen Gestalten zu.

Gwenderon und der Waldläufer fuhren im gleichen Moment herum und begannen zu laufen, aber Cavin holte rasend schnell auf. Als die beiden Rebellen den Rand der Lichtung erreicht hatten, war er nur noch wenige Schritte hinter ihnen.

Und in diesem Moment geschah etwas Sonderbares. Cavin war vollkommen sicher, dass vor einer Sekunde noch die massive Wand des Waldes vor den beiden Männern gewesen war – aber plötzlich gähnte dort, wo eigentlich undurchdringliches Unterholz sein sollte, eine schmale, wie mit einem Lineal umrissene Lücke in der grünen Mauer. Gwenderon und sein Begleiter verdoppelten ihre Anstrengungen, überwanden die letzckten Schritte – und verschwanden. Cavin heulte vor Wut und Enttäuschung auf und jagte hinter ihnen her.

Die Lücke im Unterholz entpuppte sich als Beginn eines Hohlwegs, über dem sich die Äste wie zu einem grünen Kupckpeldach vereinigten. Irgendetwas aber stimmte nicht damit, das spürte er. Die Schatten waren irgendwie falsch und auch die Farben und Umrisse der Bäume schienen ihm nicht in Ordcknung.

Cavin achtete nicht darauf, sondern preschte in unvermindertem Tempo hinter den beiden Flüchtlingen her. Er hatte Gwenderon zu weit gejagt, um ihn jetzt noch im letzten Moment entkommen zu lassen. Er hätte Gwenderon verfolgt, selbst wenn dieser bis in die Hölle geflüchtet wäre.

Für einen Moment umfing ihn Dunkelheit und irgendetwas Fremdes, Körperloses schien wie eine unsichtbare Hand über seinen Körper zu tasten. Sein Pferd wieherte schrill, als es – genau wie sein Reiter – für eine schreckliche Sekunde blind war.

Dann zerriss der Schleier und Cavin sah die beiden Flüchtenden wieder vor sich.

Ihr Vorsprung hatte sich verzehnfacht – und er wuchs weiter! Obwohl Cavins Tier wie rasend ausgriff und der Boden nur so unter seinen Hufen davonzufliegen schien, entfernten sich Gwenderon und der Waldläufer rasend schnell, als gehorche ihre Zeit anderen Gesetzen als denen, die für ihn galten. Innerckhalb weniger Augenblicke vergrößerte sich ihr Vorsprung so weit, dass er sie nur noch als helle, auf und ab hüpfende Punkte weit vor sich erkennen konnte.

Dann fiel ihm die Stille auf. Trotz des rasenden Tempos, in dem er dahinjagte, hörte er nicht den geringsten Laut; nicht einmal die Hufschläge seines eigenen Pferdes.

Ein dumpfes, bedrückendes Gefühl begann sich in Cavin breit zu machen. Der Wald um ihn herum wurde immer düsterer, als wäre hinter der sichtbaren Begrenzung des Weges noch eine zweite, unsichtbare Mauer, die den Weg wie einen Tunnel umschloss.

Und im gleichen Maße, in dem der rasende Zorn in ihm verrauchte, begann Cavin zu begreifen, dass nichts von dem, was er erlebte, Zufall war. Dem rasenden Zorn, der sein Denken vernebelt hatte, folgte eine tiefe, beinahe schmerzhafte Ernüchterung.

Er war mit seinem Heer auf dem Weg ins Herz des Schwarzckeichenwaldes praktisch auf keinen Widerstand gestoßen. Der jämmerliche Haufen, der ihn und seine Garde angegriffen hatte, war der einzige kaum ernst zu nehmende Gegner gewesen, und auch das Lager auf der Lichtung war praktisch verlassen. Die große Schlacht, auf die er gewartet hatte, hatte nicht stattgefunden, weil es niemanden gab, gegen den seine Krieger hätten kämpfen können. Niemanden außer Gwenderon und Karelian und einer Hand voll Krieger, die zurückgeblieben waren, als …

Als hätten sie auf ihn gewartet, dachte Cavin.

Und plötzlich begriff er, dass dieser Weg eine Falle war. Eine Falle, die ganz allein ihm galt. Erschrocken richtete er sich im Sattel auf und wollte den rasenden Galopp seines Pferdes bremsen.

Aber obwohl er mit aller Macht an den dünnen Lederriemen riss, bewegte sich das Zaumzeug des Tieres nicht um einen Millimeter. Das Pferd jagte weiter und schien im Gegenteil noch schneller zu werden und Cavins verzweifelte Schreie wurden von der magischen Stille des Weges aufgesogen. Nicht der geringste Laut drang an sein Ohr. Verzweifelt bäumte er sich im Sattel auf und zerrte noch einmal vergeblich an den Zügeln, die plötzlich hart und unnachgiebig wie Stahl waren.

Plötzlich riss die gespenstische Dunkelheit auf. Der Weg verbreiterte sich zu einer gewaltigen, in helles Mondlicht getauchten Lichtung. Mit einem Male waren auch Karelian und Gwenderon wieder da, nur wenige Schritte vor ihm. Sein Pferd sprang mit einem erleichterten Wiehern an den beiden Männern vorüber, kam aus dem Tritt und fand im letzten Augenckblick sein Gleichgewicht wieder. Cavin kämpfte mit aller Macht darum, nicht aus dem Sattel geschleudert zu werden. Dann riss er das bockende Tier herum, gab ihm abermals die Sporen und sprengte auf Gwenderon zu.

Sein Schwert sirrte wie ein flirrender Blitz auf den Waffenckmeister nieder und riss eine blutige Schramme in seine Schulter.

Gwenderon stürzte hintenüber und rollte sich zur Seite, um nicht unter die Hufe des Pferdes zu geraten. Cavin riss das Tier abermals herum und drang ein zweites Mal auf ihn ein.

Aber diesmal war Gwenderon auf den Angriff vorbereitet. Als Cavins Klinge niedersauste, sprang er nicht zur Seite, sondern tauchte unter dem Hieb hindurch, umklammerte mit der Linken Cavins Handgelenk und riss mit der anderen Hand mit aller Kraft am Zaumzeug seines Pferdes. Das Tier bäumte sich auf.

Der zweifache Ruck war zu viel für Cavin. In hohem Bogen wurde er aus dem Sattel geschleudert, segelte in einem Salto über Gwenderons Rücken hinweg und schlug schwer auf dem Boden auf. Das Schwert entglitt seinen Fingern und für eine halbe Sekunde drohte er das Bewusstsein zu verlieren.

Als sich die schwarzen Schleier vor seinen Augen lichteten, hockte Gwenderon auf seiner Brust und nagelte seine Arme mit den Knien am Boden fest. Er keuchte vor Erschöpfung und die alte Wunde an seiner Seite war wieder aufgebrochen. Sein Gesicht flammte vor Zorn.

Cavin bäumte sich auf, aber Gwenderon war viel zu stark und erfahren für ihn. Mit einem Ruck presste er ihn auf den Boden zurück, schüttelte den Kopf – und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.

»Hört auf, Cavin!«, keuchte er. »Ich flehe Euch an, gebt den Widerstand auf, ehe ich gezwungen bin Euch wirklich wehzucktun!«

»Mörder!«, keuchte Cavin. »Du verdammter feiger Mörder, Gwenderon!« Mit verzweifelter Kraft stemmte er sich gegen Gwenderons Griff, bekam eine Hand frei und versuchte nach dem Gesicht des Waffenmeisters zu schlagen. Gwenderon hielt seinen Arm fest; so spielerisch, wie ein Erwachsener den Hieb eines ungeschickten Kindes auffängt.

»Mörder«, wimmerte Cavin. »Du verdammter Mörder. Du …«

Gwenderon versetzte ihm eine zweite Ohrfeige.

»Was soll das heißen?«, schnappte Gwenderon. »Wieso nennt Ihr mich einen Mörder? Wieso kämpft Ihr gegen uns, Cavin?«

»Du … du hast meinen Vater getötet«, wimmerte Cavin. »Du hast Oro erschlagen, vor meinen Augen, und du hast …«

»Ich habe Euren Vater nicht mehr gesehen, seit ich Hochwalden verließ, um Euch nach Hause zu bringen, Cavin«, unterbrach ihn Gwenderon. Er sprach sehr leise, aber mit einem solchen Ernst, dass Cavin unwillkürlich aufhörte sich zu wehren und ihn sekundenlang wortlos anstarrte.

»König Oro ist tot«, fuhr Gwenderon, noch immer sehr leise und noch immer im gleichen, sonderbar traurigen Ton fort. »Das ist richtig. Aber nicht ich habe ihn erschlagen, Herr. Er starb durch Lassars Hand. Lange bevor Ihr Hochwalden wieder erreichtet, Cavin.«

Eine eisige Hand schien nach Cavins Herz zu greifen und es zusammenzupressen. »Bevor ich …?«, krächzte er.

Gwenderon nickte. Eine Sekunde lang hielt er Cavin noch fest, dann ließ er seine Handgelenke los, trat einen Schritt zurück und bedeutete ihm mit einer Geste aufzustehen. »Ja«, beckstätigte er. »Er war bereits tot, als Ihr nach Hochwalden zurückgekehrt seid. Der Mann, in dessen Begleitung Ihr die Burg erreichtet, war nicht Euer Vater. Es war Lassar.«