Выбрать главу

»Das hat doch überhaupt keinen Sinn, Gwenderon«, sagte er müde. »Seit vier Stunden beharrt jeder von uns auf seinem Standpunkt und –«

»Und ich werde es weitere zweihundert Tage tun, wenn Ihr mich dazu zwingt, Cavin«, fiel ihm Gwenderon ins Wort. »Lassars Angebot stinkt geradezu nach einer Falle. Muss ich ausgerechnet Euch sagen, dass Lassar nicht nur der Herr der Schatten, sondern auch der Herr der Lügen ist? Zum Teufel, Cavin – er hat Euren Vater ermordet, Euch selbst zu seinem Sklaven gemacht und die meisten Eurer und meiner Freunde umbringen lassen. Er hat am heiligen Frieden des Schwarzeichenwaldes gefrevelt und er hat Hochwalden niedergebrannt! Was muss noch geschehen, bis Ihr begreift, dass dieser Mann nicht nur Euer Feind, sondern durch und durch schlecht ist?«

»Niemand ist durch und durch schlecht«, sagte Guarr. Gwenderon fuhr mit einem ärgerlichen Fauchen herum, aber das Raett-Männchen hielt seinem Blick gelassen stand und nickte noch, um seine Worte zu bekräftigen.

»Was verstehst du schon davon, Raett?«, murmelte Gwenderon zornig.

Guarr gab einen schrillen Pfiff von sich; das Gegenstück zu einem menschlichen Lachen. »Genug, Mensch«, antwortete er amüsiert. »Ich bin vielleicht nur ein dummes Tier, aber ich habe lange genug mit Menschen gelebt, um zu wissen, dass Lassar ist wie ihr alle. Er hat Gründe für das, was er tut.«

»Ja«, grollte Gwenderon. »Zum Beispiel den Schwarzeichenwald.«

»Was Guarr sagen will«, sprang Cavin ein, »ist einfach das, dass Lassar niemals etwas ohne Grund tut; und schon erst recht nichts, bei dem er sich keinen Vorteil ausrechnen würde.«

»Habe ich etwa das Gegenteil behauptet?«, fragte Gwenderon gereizt.

»Es wäre dumm von ihm, uns zu hintergehen«, fuhr Cavin fort, Gwenderons Einwurf wohlweislich ignorierend. »Das Kriegsglück war ihm nicht gerade hold im letzten Winter. Seit er Hochwalden niedergebrannt hat, haben sich viele seiner ehemaligen Verbündeten von ihm abgewandt. Lassar steht mit dem Rücken zur Wand.«

»Und diese Wand ist der Schwarzeichenwald«, knurrte Gwenderon. »Ich begreife nicht, dass Ihr auch nur eine Sekunde lang daran denken könnt, Lassar zu helfen, Cavin! Lassars Truppen werden überrannt, sobald die Pässe frei sind, und –«

»Und vorher wird er den Wald niederbrennen«, fiel ihm Cavin ins Wort.

Gwenderon verstummte. Seine Miene schien zu gefrieren und für einen Moment glaubte Cavin beinahe so etwas wie Verachtung in den grauen Augen des Waffenmeisters zu lesen.

»Ist es … das, wovor Ihr Angst habt?«, flüsterte er schließcklich.

Cavin seufzte. »Vielleicht, Gwenderon«, antwortete er. »Vielleicht bin ich auch nur des Kämpfens müde.«

»Ich habe länger gekämpft.«

»Und wie viele deiner Freunde sind gestorben in dieser Zeit?«, fragte Cavin leise. Er seufzte erneut, schüttelte beinahe sanft den Kopf und fuhr fort: »Es geht nicht darum, ob ich Angst habe oder nicht, mein Freund. Es geht überhaupt nicht um dich oder mich. Es geht um den Wald. Du hast Lassars Drohung gehört – seine Macht reicht lange nicht mehr so weit wie noch vor wenigen Monaten, aber er ist noch immer in der Lage, den Schwarzeichenwald niederzubrennen. Und er wird es tun.«

»Soll er es versuchen!«, ereiferte sich Gwenderon. »Soll er kommen, mit seinen Kriegern und seinem Zauber. Wir haben sechs Monate getrotzt, wir werden es auch noch ein paar weitere Wochen tun. Und danach wird es keinen Lassar mehr geben.«

»Und keinen Schwarzeichenwald.«

»Ihr –«

»Genug, Gwenderon«, sagte Cavin, sehr scharf diesmal. »Ihr habt Euren Standpunkt vorgetragen und ich meinen. Vielleicht fragen wir die anderen.« Er wandte sich an Guarr. »Vielleicht sollte ich die Entscheidung ohnehin dir überlassen, mein Freund. Du und dein Volk tragen die Hauptlast in diesem Kampf. Wenn es zur Schlacht kommt, wird es euer Blut sein, das fließt.«

Seltsamerweise antwortete Guarr nicht darauf, sodass Cavin nach einer Weile hinzufügte: »Können wir tun, was Gwenderon vorschlägt, Guarr? Können wir sie aufhalten?«

Guarr schüttelte stumm den Kopf.

»Nicht, wenn Ihr Wert darauf legt, dass es hinterher noch so etwas wie einen Wald gibt«, antwortete Karelian an seiner Stelle.

Gwenderon fuhr auf. »Das ist doch Unsinn!«, fauchte er. »Wir sind unangreifbar, in der Megidda, und –«

»Und?«, unterbrach ihn Cavin zornig. »Was wollt Ihr tun, Gwenderon? Euch in der Festung verkriechen und mit Steinen nach Lassar werfen, sobald er vorbeikommt? Wir sind sicher in der Festung, das mag sein, aber wir sind nicht genug, ihn aufckhalten zu können.«

»Der Preis wäre zu hoch«, stimmte Karelian zu. Er klang sehr traurig.

Gwenderon ballte in hilflosem Zorn die Fäuste, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schüttelte aber dann nur den Kopf und sprang mit einer abrupten Bewegung auf.

»Wo willst du hin?«, fragte Cavin scharf.

Gwenderon schnaubte. »Spielt das eine Rolle?«, fragte er bitter. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr großen Wert auf meine Anwesenheit legt, mein König« – die Art, in der er die letzten beiden Worte aussprach, grenzte an eine Beleidigung –, »oder gar auf meinen Rat. In Wahrheit habt Ihr doch längst entschieden.«

»Und wenn?«, fragte Cavin leise.

»Und wenn?« Gwenderons Antlitz verzog sich zu einem bitteren Lächeln. »Erinnert Ihr Euch an Eure eigenen Worte, Cavin?«, fragte er. »Ihr habt mir verboten, Euch weiter meinen König zu nennen. Entscheidet, wie Ihr wollt. Aber bedenkt, dass der Treueeid, den ich schwor, dem Herren von Hochwalden galt. Nicht einem Mann, der sich selbst zu einem Verbündeten Lassars macht.« Damit fuhr er herum und stürmte mit weit ausgreifenden Schritten davon.

Cavin sah ihm einen Moment stirnrunzelnd nach, dann wandckte er sich zurück und tauschte einen Blick mit Guarr. »Geh und schicke ihm einen deiner Männer nach, Freund«, bat er. »Er ist zornig und erregt. Er könnte Dinge tun, die er später bereut.«

Der Raett erhob sich schweigend und umständlich und folgte Gwenderon, während Cavin reglos sitzen blieb und in die Flammen starrte ohne sie wirklich zu sehen. Ein bitteres Gefühl hatte sich seiner bemächtigt. Ihre Situation kam ihm absurd vor – da saßen sie, nur wenige hundert Schritte von Lassars Armee entfernt, auf Gnade und Ungnade den Männern ausgeliefert, die ihnen schon einmal das Leben geschenkt hatten, und diskucktierten ernsthaft darüber, ob sie sie bekämpfen sollten, ein jämmerlicher Haufen hilfloser Männer und Raetts, deren erster Angriff bereits zu einem Fiasko geworden war. Einen Moment lang fragte er sich allen Ernstes, ob sie alle zusammen verrückt geworden waren, mit bloßen Händen eine Lawine aufhalten zu wollen. Aber er wusste auch, dass Gwenderons Worte nicht nur einer momentanen Erregung entsprangen, wie er Guarr gegencküber behauptet hatte. Im Gegenteil. Er ahnte, dass er einen Freund verloren hatte. Er wusste nur noch nicht, ob er dafür einen neuen Feind bekommen hatte.

»Er hat Recht, nicht?«, fragte Karelian nach einer Weile.

Cavin sah auf. »Womit?«

Karelian lächelte. »Mit seinen letzten Worten. Ihr habt längst entschieden.«

Cavin zögerte einen Moment, dann nickte er, senkte den Blick und starrte wieder in die Flammen. »Ja«, gestand er. »Schon in Hochwalden.« Schon vorher, fügte er in Gedanken hinzu. Schon lange vorher. Seine Entscheidung hatte festgestanden, als er mit Faroan gesprochen hatte. Er hatte es nur noch nicht gewusst. Aber das sprach er nicht laut aus.

»Ihr werdet Lassars Angebot annehmen.«

»Bleibt mir eine Wahl?«

»Viele von uns sind des Kämpfens schon längst überdrüssig geworden«, sagte Karelian, ohne direkt auf seine Frage einzugehen. »Der Boden dieses Landes ist mit zu viel Blut und zu vielen Tränen getränkt worden. Es gab eine Zeit, da war es verboten, ein Tier zu töten unter diesen Bäumen. Jetzt herrscht Krieg, und Menschen und Raetts töten sich gegenseitig. Die meisten von uns würden lieber heute als morgen zu ihren Famicklien und Freunden heimkehren.«