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Er hob den Kopf. Sein tränenüberströmtes Gesicht glänzte im blassen Licht des Radioweckers. »Du bleibst doch bei mir, Bonnie, bitte? Du liebst mich doch, Bonnie?«

»Beruhige dich und versuch zu schlafen. Ich muss um sechs raus.«

»Hast du einen anderen, Bonnie? Ralph Kosherick starrt dich an, ich weiß es. Dem fallen fast die Augen aus dem Kopf, verdammt, der sabbert schon, wenn er dich sieht. Aber du lässt dich nicht von ihm ficken, Bonnie, oder? Bitte sag mir, dass du dich nicht von ihm ficken lässt!«

»Oh Gott, Duke, hör bitte auf damit.«

Sie schloss die Augen und versuchte an etwas anderes zu denken. Wenn Duke zu viel getrunken hatte, schoss er sich jedes Mal auf Ralph ein. Zugegeben, Ralph war smart und vorzeigbar und auf brüderliche Art attraktiv, aber Duke schien in Ralph noch etwas anderes zu sehen, etwas, das er abgrundtief hasste: Bildung, Werte und Hosen, die mit dem Saum gerade so den Spann berührten.

»Ich schwör dir, Bonnie, wenn ich den Kerl dabei erwischen würde, wäre er ein toter Mann.«

»Du bist betrunken, Duke.«

Er schoss in die Höhe. »Betrunken?«, schrie er. »Betrunken?« Er packte ein Kissen und warf es quer durch den Raum. »Ich bin dein Mann, verdammt, ich versuche dir meinen Schmerz zu erklären, und da sagst du mir, ich bin betrunken? Na, entschuldige Mal! Vielleicht sollte ich in dem Fall gar nicht mit dir reden, sondern gleich das machen, was Ralph Kosherick immer mit dir macht?«

»Duke, Liebling, hör jetzt bitte auf zu schreien. Ich muss morgen früh raus und Ray hat Schule.«

»Da scheiß ich drauf!«, kreischte Duke. »Ich muss überhaupt nicht raus. Ich könnte den ganzen Tag im Bett bleiben und es wär völlig egal!«

»Duke…«

Ansatzlos riss er die Decke zurück, warf sich auf sie, zerrte ihr Nachthemd hoch und entblößte ihren runden Bauch und ihre schweren Brüste. »Duke, nein…«, sagte sie und versuchte, ihr Nachthemd festzuhalten, aber Duke drängte sich schon mit Gewalt zwischen ihre Beine.

»Du und dieser verdammte Ralph Kosherick. Du und dieser verdammte… Ralph… Kosherick!«

Zwischen ihren Beine fühlte er sich so weich an wie eine kleine Maus. Er wollte mit den Händen nachhelfen, sich in sie schieben, aber er brachte es nicht fertig. Er stieß mit seinen Hüften, ächzte und stöhnte. Bonnie lag nur geduldig da und wartete darauf, dass er aufgab.

Es dauerte nicht lange. Er brach über ihr zusammen und schluchzte in ihr Ohr. Sein unrasiertes Kinn kratzte sie am Hals, seine Tränen machten ihre Schulter nass.

Sie gab ihm kleine, trockene Küsse und streichelte seine Tolle. Sein Haar war so viel dünner geworden.

Am Mittwoch zu erledigen

Als Ray zwölf gewesen war, hatte er Bonnie ein kleines Ninja-Turtles-Notizbuch geschenkt. Seither hatte Bonnie es immer in ihrer Handtasche. Das Buch hatte nur noch ein paar leere Seiten, bald würde sie Ray sagen, dass sie ein neues brauchte. Mit ihrem roten Tintenschreiber machte sie eine Liste der Dinge, die an diesem Tag erledigt werden mussten.

- Wäsche aus der Reinigung holen

- Ralph an die »Feuchte Augen«-Promotion erinnern

- Susan um 13.30 Uhr zum Mittagessen treffen

- Neue Reifen abholen

- Schweinekoteletts, Eis und Klopapier kaufen

- Mike Paretti wegen Insektiziden anrufen

Sie hatte von Pfizer erfahren, dass es ein neues, wirkungsvolles Mittel gegen Würmer gab, und sie wollte Mike fragen, ob er es schon ausprobiert hatte. Bonnie ekelte sich einerseits vor Maden und Schmeißfliegen und ähnlichen Parasiten, fand sie aber andererseits auch faszinierend. Ein Pathologe mit entomologischem Expertenwissen konnte anhand der im Körper eines Toten gefundenen Parasiten den Todeszeitpunkt, die Todesursache und häufig sogar den Tatort feststellen. Und noch etwas faszinierte Bonnie an Parasiten: die absolute Gleichgültigkeit gegenüber menschlicher Schönheit und menschlichem Leid. Sie interessierten sich für nichts außer ihren Appetit.

Tagesschicht

Ray kam in die Küche und gähnte. Er hatte eine Frisur wie Stan Laurel. Für gut eine halbe Minute starrte er in den geöffneten Kühlschrank. Dann schloss er ihn wieder.

Bonnie hatte ihre Liste abgeschlossen, faltete sie zusammen und schob sie in ihre Aktentasche. »Du bist früh dran.«

»Mmmmh. Muss noch Mathe machen.«

»Dein Vater hat dich heute Nacht aber nicht geweckt, oder?«

»Mich und halb Los Angeles.«

Er nahm das Brot aus dem Korb, schnitt sich drei Scheiben ab und bestrich sie dick mit Erdnussbutter. Dann schnitt er zwei Bananen klein, verteilte sie auf den Broten, legte die Brote zusammen und hockte sich vor den Fernseher. Jeden Morgen aß er das Gleiche. In irgendeinem Männer-Gesundheitsmagazin hatte er gelesen, dass Erdnussbutter und Bananen den Muskelaufbau förderten.

Die Küche war hellgelb gestrichen und hatte hellgelbe Vorhänge. In den Sechzigern hätte man Cornflakes-Werbung darin drehen können. Das Medium Sydney Omarr hatte Bonnie einst gesagt, Gelb würde ihr Glück bringen. Er hatte ihr außerdem prophezeit, dass sie in ihrem Leben dem Tod öfter begegnen würde als andere Menschen in dreizehn Leben. Das war vier Jahre bevor sie »Bonnies-Tatort-Reinigung« gründete. Damals hatte sie ihm nicht geglaubt.

»Dein Vater fängt sich schon wieder«, sagte sie. »Wart’s nur ab.«

»Klar doch«, sagte Ray, der wie gebannt Tom und Jerry verfolgte.

»Er ist eigentlich ein guter Kerl. Das Leben ist im Moment nur… so verwirrend für ihn.«

An die Spüle gelehnt, trank sie ihren koffeinfreien Kaffee. Sie hatte erwartet, dass Ray sich umdrehen und etwas sagen würde, aber das tat er nicht. Also kippte sie den Rest ihres Kaffees weg, spülte den Becher aus, ging zu ihm und gab ihm einen Kuss auf den verstrubbelten Kopf. »Also dann bis um sechs. Ich glaube nicht, dass es später wird. Heute gibt es Koteletts.«

»Okay, Mom.«

Für einige Augenblick verharrte Bonnie schweigend. Dann sagte sie: »Ray?«

Er reagierte nicht. Er wusste, was sie gleich sagen würde, und sie wusste, dass er es wusste.

Sie sagte es trotzdem. »Ich habe dich sehr lieb, Ray. Es wird alles wieder gut.«

Die Einfahrt ihres Hauses war gerade breit genug für ihre zwei Autos. Bonnies Dodge-Pick-up und Dukes elfjähriger Buick Electra. Beim Einzug hatte Bonnie noch geglaubt, dieses Haus sei nur eine vorübergehende Lösung für vielleicht zwei oder drei Jahre. Sie dachte, danach würden sie ein größeres Haus mit mehr Grund kaufen, denn sie wünschte sich einen Pool, in dem man nicht nach zwei Zügen mit dem Kopf an den Beton knallte, und sie wollte es nicht in der Küche riechen, wenn die Nachbarn grillten. Vier oder fünf Orangenbäume wollte sie pflanzen. Sie träumte von einem Whirlpool unter freiem Himmel. Vielleicht sogar mit Aussicht.

Das war inzwischen dreizehn Jahre her. Ray war damals vier gewesen. Längst dachte sie nicht mehr an vier oder fünf Orangenbäume, Whirlpools und schöne Aussichten. Aus dem Küchenfenster hatte sie einen Blick auf einen grau gestrichenen Zaun. Und sie verkaufte immer noch Glamorex-Kosmetika und sie schrubbte immer noch das Blut anderer Leute weg und sie wusste, dass diese Schufterei einen Sinn haben musste. Aber sie wagte es nicht, sich diesen Sinn vorzustellen.