Выбрать главу

»Was…«

Er schaltete das Funkgerät aus, steckte es wieder an den Gürtel und rannte auf den Laden zu. Die Glasscheibe an der Theke war zersplittert, die Registrierkasse stand offen. Einer von den Dobira-Brüdern lag in einer immer größer werdenden Blutlache auf der Seite. Er rang nach Luft, jedes Einatmen endete mit einem Pfeifen. Tim kniete sich neben ihn. »Ich muss Sie auf den Rücken drehen, Mr. Dobira.«

»Bitte nicht… tut weh…«

Das bezweifelte Tim nicht, aber er musste sich die Wunde anschauen. Das Geschoss war oben an der rechten Seite des blauen Zoney-Kittels eingedrungen, der jetzt dunkelrot gefärbt war. Aus Dobiras Mund lief Blut auf seinen Kinnbart, und als er hustete, sprühten feine Tröpfchen auf Tims Gesicht und seine Brille.

Tim griff wieder nach seinem Funkgerät und stellte erleichtert fest, dass Wendy Gullickson ihren Posten nicht verlassen hatte. »Ich brauche einen Rettungswagen, Wendy. So schnell, wie’s der von Dunning hierher schaffen kann. Einer von den Dobira-Brüdern ist verwundet; sieht ganz so aus, wie wenn das Geschoss die Lunge gestreift hat.«

Wendy bestätigte die Meldung, dann setzte sie zu einer Frage an. Tim schnitt ihr wieder das Wort ab, ließ sein Funkgerät auf den Boden fallen und zog sein T-Shirt aus. Er presste es auf das Loch in der Brust des Opfers. »Können Sie das ein paar Sekunden auf die Wunde drücken, Mr. Dobira?«

»Krieg… kaum Luft.«

»Das wundert mich nicht. Drücken Sie es auf die Wunde. Das hilft.«

Dobira presste sich das zusammengeknüllte T-Shirt auf die Brust. Lange würde er dazu nicht in der Lage sein, und der Rettungswagen brauchte bestimmt mindestens zwanzig Minuten. Selbst das wäre ein Wunder.

In Tankstellenshops gab es massenhaft Snacks, aber nur wenig Erste-Hilfe-Material. Immerhin war Vaseline da. Tim griff sich eine Dose und vom nächsten Regal eine Packung Babywindeln. Letztere riss er auf, während er zu dem Mann auf dem Boden zurückrannte. Er entfernte das inzwischen mit Blut getränkte T-Shirt, zog vorsichtig den ebenso durchtränkten blauen Kittel hoch und machte sich daran, das Hemd aufzuknöpfen, das Dobira darunter trug.

»Nein, nein, nein«, stöhnte Dobira. »Tut weh, nicht anfassen, bitte!«

»Geht nicht anders.« Tim hörte ein Motorengeräusch. In den Glasscherben tanzte blaues Blinklicht. Er sah sich nicht um. »Durchhalten, Mr. Dobira!«

Mit gekrümmten Fingern holte er einen Klumpen Vaseline aus der Dose und drückte ihn in die Wunde. Erst schrie Dobira vor Schmerzen auf, dann sah er Tim mit aufgerissenen Augen an. »Krieg jetzt… ein bisschen… besser Luft.«

»Das ist nur eine provisorische Maßnahme, aber wenn Sie besser atmen können, ist Ihre Lunge wahrscheinlich nicht kollabiert.« Zumindest nicht vollständig, dachte Tim.

Sheriff John kam herein und ließ sich neben Tim auf ein Knie sinken. Über seiner Uniformhose trug er eine Pyjamajacke, groß wie ein Zelt. Seine Haare standen in allen Richtungen vom Kopf ab.

»Sie sind aber schnell hergekommen«, sagte Tim.

»Ich war schon wach. Konnte nicht einschlafen, deshalb hab ich mir gerade ein Sandwich gemacht, als Wendy angerufen hat. Sir, sind Sie Gutaale oder Absimil?«

»Absimil, Sir.« Der Mann auf dem Boden atmete immer noch pfeifend, aber seine Stimme hörte sich kräftiger an. Tim nahm eine Einmalwindel und presste sie auf die Wunde, ohne sie aufzufalten.

»Mann, tut das weh«, stöhnte Absimil.

»War das ein Durchschuss, oder steckt das Ding noch drin?«, fragte Sheriff John.

»Weiß nicht, und ich will ihn nicht wieder auf die Seite drehen, um das herauszufinden. Sein Zustand ist relativ stabil, also sollten wir einfach auf den Rettungswagen warten.«

Tims Funkgerät knisterte. Sheriff John nahm es behutsam aus den überall verstreuten Glasscherben. Es war Wendy. »Tim? Bill Wicklow hat diese Typen draußen auf der Deep Meadow Road entdeckt und die Verfolgung aufgenommen.«

»Wendy, hier spricht John. Sag Bill, er soll vorsichtig sein. Die sind bewaffnet.«

»Die sind erledigt, das sind sie.« So schläfrig Wendy vorher auch gewirkt hatte, jetzt war sie hellwach und hörte sich ausgesprochen zufrieden an. »Als sie abhauen wollten, haben sie ihren Wagen in den Graben gesetzt. Der eine hat sich den Arm gebrochen, den anderen hat Bill an den Kuhfänger von seinem Wagen gekettet. Die State Police ist schon unterwegs. Übrigens hatte Tim recht, es war ein Cruze. Wie geht’s Dobira?«

»Der erholt sich wieder«, sagte Sheriff John. Tim war sich da nicht ganz sicher, aber ihm war klar, dass diese Bemerkung nicht nur für Deputy Gullickson, sondern auch für den Verletzten gedacht war.

»Ich hab denen das Geld aus der Kasse gegeben«, krächzte Dobira. »Das hat man uns so beigebracht.« Dennoch hörte er sich beschämt an. Tief beschämt.

»Das war auch richtig so«, sagte Tim.

»Der mit der Waffe hat trotzdem auf mich geschossen. Dann hat der andere die Schublade aufgebrochen. Um die…« Er hustete wieder.

»Nicht weiterreden«, sagte Sheriff John.

»Um die Lotterielose zu klauen«, fuhr Absimil fort. »Die zum Rubbeln. Die müssen wir unbedingt zurückkriegen. Bis man sie verkauft hat, gehören sie…« Ein mattes Husten. »Dem Staat South Carolina.«

»Jetzt aber still, Mr. Dobira«, sagte Sheriff John. »Hören Sie auf, sich Sorgen um diese verdammten Rubbellose zu machen, und sparen Sie sich Ihre Kraft.«

Absimil Dobira schloss die Augen.

15

Am nächsten Tag verzehrte Tim unter dem Vordach des Güterbahnhofs gerade sein Mittagessen, als Sheriff John in seinem Privatwagen angefahren kam. Der Sheriff erklomm die Stufen und warf einen Blick auf die durchhängende Sitzfläche des zweiten Sessels, der zur Verfügung stand. »Meinen Sie, der hält mich aus?«

»Das kommt auf den Versuch an«, sagte Tim.

Sheriff John ließ sich vorsichtig nieder. »Das Krankenhaus meldet, dass Dobira tatsächlich wieder in Ordnung kommt. Sein Bruder ist bei ihm, und der sagt, dass er die beiden Dreckskerle schon gesehen hat. Mehrmals sogar.«

»Die haben die Lage ausbaldowert«, sagte Tim.

»Zweifellos. Ich hab Tag Faraday hingeschickt, damit er die Aussagen von den zwei Brüdern aufnimmt. Tag ist mein bester Mann, was ich Ihnen wahrscheinlich nicht erst sagen muss.«

»Gibson und Burkett sind auch nicht schlecht.«

Sheriff John seufzte. »Mag sein, aber keiner von denen hätte so schnell und so entschieden gehandelt, wie Sie das gestern Nacht getan haben. Und die arme Wendy hätte wahrscheinlich bloß dagestanden und gegafft, wenn sie nicht gleich in Ohnmacht gefallen wäre.«

»Als Disponentin ist sie gut geeignet«, sagte Tim. »Wie für den Job geschaffen. Meiner Meinung nach jedenfalls.«

»Mhm, mhm, und was Bürokram angeht, ist sie top – letztes Jahr hat sie unsere ganzen Akten neu geordnet und alles auf USB-Sticks übertragen–, aber im Einsatz ist sie praktisch nutzlos. Immerhin ist sie unheimlich gern im Team. Wie würde es Ihnen denn gefallen, im Team zu sein, Tim?«

»Ich dachte, ein weiterer Beamter wäre finanziell nicht drin. Hat man Ihnen denn unerwartet mehr Geld bewilligt?«

»Schön wär’s. Aber Bill Wicklow gibt am Jahresende seine Dienstmarke ab. Da dachte ich, ihr beide könntet eure Jobs tauschen. Er geht herum und klopft, Sie ziehen eine Uniform an und dürfen wieder eine Waffe tragen. Mit Bill hab ich schon gesprochen, und der hätte nichts dagegen, Nachtklopfer zu werden, zumindest vorläufig.«

»Kann ich mir das ein bisschen überlegen?«

»Aber klar doch.« Sheriff John erhob sich. »Bis zum Jahresende sind es noch fünf Monate. Wir würden uns freuen, Sie dabeizuhaben.«