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Tim nickte.

Nun hob sich auch noch der Daumen des Sheriffs. »Und bevor sich das Ganze ereignet hat, hatten Sie zufällig zwei alkoholische Getränke zu sich genommen.«

»Ja. Und zwar in Uniform.«

»Keine gute Entscheidung, keine gute… wie sagt man noch… Optik, aber ich würde trotzdem sagen, dass Sie eine irrsinnige Pechsträhne hatten.« Sheriff John trommelte mit den Fingern auf die Tischkante. Der Rubinring am kleinen Finger unterstrich jeden Trommelwirbel mit einem leisen Klicken. »Ihre Geschichte ist zwar zu haarsträubend, um nicht wahr zu sein, aber ich glaube, ich rufe trotzdem bei Ihrer früheren Dienststelle an und lasse sie mir bestätigen. Wenn auch nur, um sie noch mal zu hören und Bauklötze zu staunen.«

Tim grinste. »Ich war Bernadette DiPino unterstellt. Die ist die Polizeichefin von Sarasota. Aber jetzt sollten Sie nach Hause zum Abendessen, sonst reißt Ihre Frau Ihnen den Kopf ab.«

»Ach, das mit Marcy können Sie schon mir überlassen.« Der Sheriff beugte sich über seinen Bauch. Seine Augen funkelten heller denn je. »Wenn Sie jetzt pusten müssten, Mr. Jamieson, was käme dann heraus?«

»Das können Sie gerne testen.«

»Ich glaube, das werde ich bleiben lassen. Weil es wohl nicht nötig ist.« Er lehnte sich zurück, wobei sein Stuhl ein weiteres qualvolles Ächzen von sich gab. »Wieso wollen Sie eigentlich Nachtklopfer in einem miesen kleinen Kaff wie dem hier werden? Man kriegt gerade mal hundert Dollar pro Woche, und während man von Sonntag bis Donnerstag nicht viel zu tun hat, kann es am Freitag- und Samstagabend ganz schön Zoff geben. Der Stripclub in Penley hat zwar letztes Jahr dichtgemacht, aber in der Gegend gibt es gleich mehrere Tanzschuppen und Spelunken.«

»Mein Großvater hat in Hibbing in Minnesota als Nachtklopfer gearbeitet, dem Ort, wo Bob Dylan aufgewachsen ist. Vorher war er bei der State Police. Das war der Grund, weshalb ich schon als Junge Polizist werden wollte. Als ich den Zettel draußen gesehen habe, dachte ich einfach…« Tim zuckte die Achseln. Was hatte er eigentlich gedacht? Mehr oder weniger dasselbe wie in dem Moment, als er den Job in der Recyclinganlage angenommen hatte. Praktisch nichts. Ihm kam in den Sinn, dass er zumindest mental nicht im besten Zustand war.

»Sie wollen also in die Fußstapfen Ihres Opas treten, mhm.« Sheriff John verschränkte die Hände über seinem beachtlichen Bauch und starrte Tim mit diesen hellen, neugierigen Augen in ihren fleischigen Höhlen an. »Halten Sie sich etwa für einen Rentner? Suchen bloß nach irgendwas, um sich die Zeit zu vertreiben? Dafür sind Sie eigentlich noch ein bisschen jung, meinen Sie nicht?«

»Was meine Zeit bei der Polizei angeht, bin ich tatsächlich in Rente. Das ist vorbei. Ein Freund hat mir gesagt, er könnte mir in New York Arbeit bei einer Security-Firma verschaffen, und ich brauchte einen Tapetenwechsel. Aber vielleicht muss ich dafür ja gar nicht bis nach New York.« Was er eigentlich brauchte, war wohl ein innerer Kurswechsel. Das würde der Job als Nachtklopfer zwar eher nicht zustande bringen, aber vielleicht ja doch.

»Geschieden, sagen Sie?«

»Ja.«

»Kinder?«

»Nein. Meine Frau wollte welche, ich nicht. Hatte das Gefühl, nicht bereit dafür zu sein.«

Sheriff John blickte auf das Bewerbungsformular. »Hier steht, dass Sie zweiundvierzig sind. Wenn man da noch nicht bereit ist, heißt das in den meisten Fällen, wenn auch wahrscheinlich nicht in allen, dass man…«

Er beendete den Satz nicht und wartete nach bester Polizistenmanier darauf, dass Tim das Schweigen füllte. Was Tim nicht tat.

»Irgendwann fahren Sie vielleicht wirklich nach New York, Mr. Jamieson, aber momentan lassen Sie sich einfach treiben. Kann man das so sagen?«

Tim dachte nach und stimmte zu.

»Wenn ich Ihnen den Job gebe, woher weiß ich dann, dass Sie in zwei Wochen oder einem Monat nicht plötzlich auf die Idee kommen, sich weitertreiben zu lassen? Schließlich ist DuPray nicht gerade der spannendste Ort auf dem Erdboden oder auch nur in South Cah-lina. Meine Frage lautet also, Sir: Woher weiß ich, dass man sich auf Sie verlassen kann?«

»Ich werde bleiben. Vorausgesetzt natürlich, Sie haben den Eindruck, dass ich meinen Job so mache, wie man ihn machen muss. Sonst können Sie mich gerne rausschmeißen. Und falls ich mich selbst entschließen sollte weiterzuziehen, sage ich Ihnen lange im Voraus Bescheid. Das ist ein Versprechen.«

»Der Job reicht zum Leben nicht aus.«

Tim hob die Schultern. »Falls nötig, suche mir noch was dazu. Sie wollen sicher nicht behaupten, dass ich der Einzige hier wäre, der zwei Jobs haben muss, um über die Runden zu kommen. Außerdem habe ich für den Anfang ein bisschen was auf der hohen Kante.«

Sheriff John blieb eine kleine Weile nachdenklich sitzen, bevor er sich erhob. Für einen derart korpulenten Mann tat er das mit erstaunlicher Gewandtheit. »Kommen Sie morgen Vormittag wieder, dann sehen wir, was wir aus der Sache machen. Gegen zehn würde in etwa passen.«

Womit du mehr als genügend Zeit hast, mit der Polizei von Sarasota zu telefonieren und festzustellen, ob meine Story stimmt, dachte Tim. Und um zu fragen, ob ich noch weitere Flecken auf meiner ehemals weißen Weste habe.

Er stand ebenfalls auf und streckte Sheriff John die Hand hin, die gut und kräftig gedrückt wurde.

»Wo wollen Sie heute übernachten, Mr. Jamieson?«

»In dem Motel da hinten, falls ein Zimmer frei ist.«

»Ach, Norbert hat bestimmt mehr als genügend Zimmer«, sagte der Sheriff. »Und ich glaube, er wird nicht versuchen, Ihnen was von seinem Kraut zu verkaufen. Ich hab nämlich den Eindruck, dass Sie immer noch ein bisschen was von einem Cop an sich haben. Wenn Sie kein Problem mit gebratenem Essen haben, kriegen Sie das bei Bev’s die Straße runter. Die haben bis sieben auf. Mein Lieblingsgericht da ist Leber mit Zwiebeln.«

»Danke. Auch dafür, dass Sie mit mir gesprochen haben.«

»Gern geschehen. Interessante Unterhaltung. Übrigens, wenn Sie im Motel einchecken, teilen Sie Norbert doch mit, Sheriff John hätte gesagt, dass er Ihnen eines von den guten Zimmern geben soll.«

»Mach ich.«

»Aber ich würde an Ihrer Stelle trotzdem nach Wanzen suchen, bevor ich in die Federn gehe.«

Tim grinste. »Den Rat geben Sie mir nicht als Erster.«

7

Zum Abendessen gab es in Bev’s Eatery paniertes Steak mit Cremesoße und grünen Bohnen, gefolgt von Pfirsichpastete. Nicht schlecht. Das Zimmer, das man Tim im DuPray Motel zuwies, war eine andere Sache. Verglichen damit waren die Räume, in denen er bisher auf seiner Wanderung nach Norden übernachtet hatte, geradezu Paläste. Die Klimaanlage im Fenster rasselte geschäftig vor sich hin, ohne die Luft nennenswert abzukühlen. Der rostige Duschkopf tropfte, was sich anscheinend auch nicht abstellen ließ. (Zu guter Letzt legte Tim ein Handtuch darunter, um das regelmäßig wie ein Uhrwerk klopfende Geräusch zu dämpfen.) Der Schirm der Nachttischlampe war an mehreren Stellen angekokelt. Das einzige Bild im Zimmer – eine beunruhigende Komposition, die ein ausschließlich von grinsenden und möglicherweise mordlüsternen Schwarzen bemanntes Segelschiff darstellte – hing schief. Als Tim es gerade rückte, stellte sich der vorherige Zustand sofort wieder ein.

Draußen stand ein Gartensessel. Der Sitz hing durch, und die Beine waren so verrostet wie der defekte Duschkopf, aber er brach nicht zusammen. Tim saß mit ausgestreckten Beinen da, schlug nach den Stechmücken und sah das orangerote Glühen der Sonne durch die Bäume brennen. Bei diesem Anblick fühlte er sich zugleich glücklich und melancholisch. Gegen Viertel nach acht tauchte ein weiterer schier endloser Güterzug auf, der die Straße überquerte und an den Lagerhäusern am Ortsrand vorbeirollte.

»Der verfluchte Georgia Southern kommt aber auch immer zu spät.«