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»Er kommt rüber, sobald mir Heckle und Jeckle grünes Licht geben.«

Zeke tat so, als würde er erschauern. »Diese beiden. Brrr. Gruselig.«

Hendricks äußerte sich nicht zu den Hinterbauärzten. »Jedenfalls sind Sie sich sicher, dass er keinerlei telepathische Fähigkeiten hat?«

Zeke klopfte ihm auf die Schulter. »Definitiv, Doc. Da können Sie sich drauf verlassen.«

14

Während Hendricks und Zeke über Lukes Zukunft diskutierten, war er auf dem Weg zum Mittagessen. Der Aufenthalt im Wassertank hatte ihn nicht nur gepeinigt, sondern auch heißhungrig gemacht. Als Stevie Whipple ihn fragte, wo er gewesen und was passiert sei, schüttelte Luke nur den Kopf. Er wollte nicht über den Tank sprechen. Nicht jetzt, eigentlich nie. So war es wahrscheinlich auch im Krieg. Man wurde eingezogen, man ging hin, aber man wollte nicht über das sprechen, was man gesehen hatte oder was einem dort zugestoßen war.

Mit der Institutsversion von Fettuccine Alfredo gefüllt, machte er einen Mittagsschlaf, und als er aufwachte, fühlte er sich minimal besser. Er hielt Ausschau nach Maureen und erspähte sie im früher menschenleeren Ostflügel. Offenbar erwartete das Institut in Bälde weitere »Gäste«. Er ging zu ihr hinüber und fragte, ob sie Hilfe brauche. »Ich hätte nämlich nichts dagegen, mir ein paar Münzen zu verdienen«, fügte er hinzu.

»Nein, das ist nicht nötig.« Luke kam es vor, als würde sie beinahe stündlich altern. Ihr Gesicht war totenbleich. Er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis jemand ihren Zustand bemerkte und dafür sorgte, dass sie nicht mehr arbeitete. Darüber, was dann aus ihr werden würde, dachte er nicht gern nach. Ob es wohl ein Ruhestandsprogramm für Haushälterinnen gab, die nebenbei Institutsspitzel waren? Das war zu bezweifeln.

Ihr Wäschewagen war zur Hälfte mit frischen Laken gefüllt, auf die Luke seine Botschaft fallen ließ. Geschrieben hatte er sie auf ein Notizblatt, das er aus der Gerätekammer in Raum C4 entwendet hatte, zusammen mit einem billigen Kugelschreiber, der jetzt unter seiner Matratze versteckt war. Auf dem Kugelschreiber prangte der Schriftzug DENNISON RIVER BEND IMMOBILIEN. Als Maureen den gefalteten Zettel sah, legte sie einen Kissenbezug darüber und nickte Luke leicht zu. Er ging wieder seines Weges.

Nachts im Bett flüsterte er Avery eine Menge ins Ohr, bevor er den Kleinen endlich einschlafen ließ. Es gab zwei Strategien, erklärte er ihm, das musste so sein. Er dachte, dass der Avester begriff. Vielleicht hoffte er das auch eher.

Luke blieb lange wach, lauschte Averys leisem Schnarchen und grübelte über seine Flucht nach. Seine Idee kam ihm zugleich absurd und absolut durchführbar vor. Zum einen waren da die verstaubten Überwachungskuppeln und die Tatsache, dass man ihn so oft allein hatte umherstreifen und eine kleine Information nach der anderen sammeln lassen. Und zum anderen waren da die angeblich nicht überwachten Stellen, die Sigsby und ihre Handlanger kannten, und der echte tote Winkel, den sie nicht kannten (hoffte er jedenfalls). Letztlich war es eine ziemlich simple Schlussfolgerung. Er musste es versuchen. Die Alternative waren die Stass-Lichter, die Filme, die Kopfschmerzen und die Wunderkerze, durch die irgendetwas getriggert wurde. Und am Ende von allem wartete das Summen.

Wenn sie keine Tests mehr mit dir machen, hast du vielleicht bloß noch 3 Tage.

15

Am folgenden Nachmittag suchte Trevor Stackhouse das Büro von Mrs. Sigsby auf. Die beugte sich gerade über einen geöffneten Aktenordner, las darin und machte sich Notizen. Ohne aufzublicken, hob sie den Zeigefinger. Er trat zum Fenster, aus dem man auf den Ostflügel des Gebäudes blickte. Den bezeichneten sie als Wohnheim, als wäre das Institut ein College-Campus, der zufällig in den dichten Wäldern im nördlichen Maine lag. Stackhouse sah ein paar Kinder an den Snack- und Getränkeautomaten herumlungern, die gerade erst aufgefüllt worden waren. In diesem Aufenthaltsraum war weder Tabak noch Alkohol erhältlich, schon seit 2005 nicht mehr. Normalerweise war der Ostflügel kaum oder überhaupt nicht belegt, und wenn dort einmal Kinder untergebracht waren, konnten sie sich ihre Zigaretten und Alcopops an den Automaten am anderen Ende des Gebäudes besorgen. Manche probierten das Zeug nur aus, doch eine erstaunliche Anzahl – meist jene, die durch die ebenso plötzliche wie katastrophale Veränderung in ihrem Leben besonders deprimiert und verängstigt waren – wurden schnell abhängig. Mit denen wurde man am leichtesten fertig, weil sie die Wertmünzen nicht einfach nur haben wollten, die brauchten sie. Karl Marx hatte Religion als Opium des Volkes bezeichnet, aber Stackhouse war da anderer Ansicht. Seiner Meinung nach reichten Lucky Strike und Boone’s Farm (besonders beliebt bei den weiblichen Gästen) völlig aus.

»Okay«, sagte Mrs. Sigsby und klappte den Aktendeckel zu. »Ich bin ganz Ohr, Trevor.«

»Team Opal liefert morgen vier weitere an«, sagte Stackhouse. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und sich breitbeinig hingestellt. Wie ein Kapitän auf dem Vorderdeck seines Schiffes, dachte Mrs. Sigsby. Er trug einen seiner üblichen braunen Anzüge, die mitten im Sommer eigentlich eine schreckliche Wahl darstellten, aber für ihn zweifellos zu seinem Image gehörten. »So viele hatten wir seit 2008 nicht mehr an Bord.«

Er wandte sich von dem Blick aus dem Fenster ab, der eigentlich nicht besonders interessant war. Manchmal – oft sogar – hatte er Kinder gründlich satt. Ihm war nicht klar, wie Lehrer ihren Job schafften, zumal sie nicht einmal die Freiheit hatten, frechen Exemplaren eine anständige Ohrfeige zu verpassen und rebellische Burschen wie den inzwischen nach hinten verlegten Nicholas Wilholm mit einem Stromstoß zu bestrafen.

»Früher, lange vor Ihrer und meiner Zeit, waren einmal mehr als hundert Kinder hier«, sagte Mrs. Sigsby. »Es gab sogar eine Warteliste.«

»So, so, es gab eine Warteliste. Gut zu wissen. Aber weshalb haben Sie mich denn nun herbestellt? Team Opal bereitet sich auf seinen Einsatz vor, der aber in mindestens einem Fall recht heikel werden wird. Daher fliege ich heute Abend hin. Es geht um ein Mädchen, das sich in einer streng überwachten Umgebung befindet.«

»In einer Entzugsklinik, meinen Sie.«

»So ist es.« Hochfunktionale TKs schienen in der Gesellschaft relativ gut zurechtzukommen, aber ähnlich hochfunktionale TPs hatten damit Probleme, weshalb sie sich oft dem Alkohol oder Drogen zuwandten. Wahrscheinlich dämpften sie damit den reißenden Strom an Eindrücken, dem sie ausgesetzt waren. »Aber die junge Dame ist es wert. Mit dem kleinen Dixon ist sie nicht ganz zu vergleichen – der ist ein wahres Kraftpaket–, aber beinahe. Sagen Sie mir also, was Ihnen Sorgen bereitet, damit ich mich um meine Arbeit kümmern kann.«

»Es geht nicht um irgendwelche Sorgen, sondern um einen Hinweis. Und stehen Sie nicht da hinter mir rum, das macht mich nervös. Setzen Sie sich neben mich.«

Während er von der anderen Seite des Schreibtischs den Besucherstuhl holte, öffnete Mrs. Sigsby auf ihrem Desktop eine Videodatei und ließ sie laufen. Zu sehen waren die Snackautomaten im Aufenthaltsraum. Das Bild war verschwommen, es schwankte alle zehn Sekunden und wurde gelegentlich durch ein statisches Flimmern unterbrochen. Bei einer dieser Phasen hielt Mrs. Sigsby das Video an.

»Worauf ich Sie als Erstes aufmerksam machen möchte, ist die Qualität der Aufnahme«, sagte sie mit der trockenen Vortragsstimme, die ihm inzwischen so zuwider war. »Die ist absolut unannehmbar. Dasselbe gilt für mindestens die Hälfte aller Überwachungskameras. Die in dem miesen kleinen Supermarkt in Bend ist besser als die meisten von unseren.« Womit sie, wie Stackhouse wusste, Dennison River Bend meinte, und sie hatte recht.

»Ich werde das weitermelden«, sagte er. »Aber uns ist ja beiden klar, dass die Infrastruktur in dem Laden hier beschissen ist. Die letzte richtige Renovierung war vor vierzig Jahren, als es in unserem Land noch anders lief. Wesentlich lockerer. Wie die Dinge heute stehen, haben wir bloß zwei IT-Leute, und einer von denen ist momentan im Urlaub. Die Computerausstattung ist ebenso veraltet wie die Generatoren. Das wissen Sie alles.«