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»Ach, wahrscheinlich hat er hauptsächlich die Wahrheit gesagt, und darum haben Sie ihm geglaubt. Aber das mit Prekile hat nicht gestimmt.«

Mrs. Sigsby runzelte die Stirn. »Was soll…«

»Presque Isle?« Stackhouse trat auf Frieda zu und packte sie am Arm. »Wolltest du das sagen?«

»Das ist das, was Avery gesagt hat. Aber das war gelogen.«

»Wie hast du…«, fing Mrs. Sigsby an, aber Stackhouse hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.

»Wenn das mit Presque Isle gelogen war, was ist dann die Wahrheit?«

Frieda lächelte ihn verschlagen an. »Was kriege ich, wenn ich es sage?«

»Was du nicht kriegst, ist ein Elektroschock«, sagte Mrs. Sigsby. »Einen, der dich um ein Haar umbringt.«

»Wenn Sie das tun, erzähle ich Ihnen zwar etwas, aber das stimmt vielleicht gar nicht. So wie Avery nicht die Wahrheit gesagt hat, als Sie das bei ihm gemacht haben.«

Mrs. Sigsby schlug mit der flachen Hand fest auf den Tisch. »Versuch das bloß nicht bei mir, du freches Ding! Wenn du was zu sagen hast…«

Stackhouse hob wieder die Hand, dann kniete er sich vor Frieda. Angesichts seiner Körpergröße waren sie immer noch nicht auf gleicher Höhe, aber doch beinahe. »Was willst du denn, Frieda? Wieder nach Hause? Das geht nicht, muss ich dir offen sagen.«

Beinahe hätte Frieda gelacht. Ob sie nach Hause wollte? Zu ihrer beknackten Mutter mit ihren beknackten Lovern, die sich dauernd die Klinke in die Hand gaben? Der letzte hatte sie dazu bringen wollen, ihm ihre Brüste zu zeigen, damit er sehen konnte, wie schnell sie sich entwickelte.

»Das will ich auch nicht.«

»Na gut, was dann?«

»Ich will hierbleiben.«

»Das ist eine ziemlich ungewöhnliche Bitte.«

»Aber ich will keine Spritzen kriegen, und ich will, dass man keine Tests mehr mit mir macht. Außerdem will ich nicht in den Hinterbau. Da will ich nie hin. Ich will hier bleiben, und wenn ich groß bin, will ich eine Pflegerin werden wie Gladys und Winona. Oder MTA wie Tony und Evans. Vielleicht kann ich sogar kochen lernen und in der Küche arbeiten wie Mr. Doug.«

Stackhouse warf einen Blick über die Schulter des Mädchens, um festzustellen, ob Mrs. Sigsby ebenso verblüfft war wie er. Das war sie offenbar.

»Tja, sagen wir mal, dass ein… äh… permanenter Aufenthalt arrangiert werden könnte«, sagte er. »Oder besser, dass er arrangiert werden wird, wenn deine Informationen stimmen und wir den Jungen zu fassen bekommen.«

»Ob Sie ihn zu fassen kriegen oder nicht, kann nicht zum Deal gehören, das wär nicht fair. Es ist Ihr Job, ihn zu fassen. Also geht es bloß darum, ob meine Informationen stimmen. Und das tun sie.«

Wieder blickte Stackhouse über Friedas Schulter zu Mrs. Sigsby hinüber. Die nickte leicht.

»Okay«, sagte er. »Abgemacht. Und jetzt raus damit.«

Darauf reagierte sie mit einem verschlagenen Lächeln, das er ihr am liebsten vom Gesicht gewischt hätte. Den Gedanken hatte er nur für einen kurzen Moment, aber durchaus ernsthaft. »Und ich will fünfzig Münzen.«

»Abgelehnt.«

»Dann vierzig.«

»Zwanzig«, sagte Mrs. Sigsby hinter ihr. »Aber nur, wenn deine Informationen stimmen.«

Frieda dachte nach. »Okay. Bloß, wie weiß ich eigentlich, ob Sie Ihre Versprechen halten?«

»Da wirst du uns vertrauen müssen«, sagte Mrs. Sigsby.

Frieda seufzte. »Tja, ist wohl so.«

»Jetzt reicht es mit der Feilscherei«, sagte Stackhouse. »Wenn du was zu sagen hast, dann sag es jetzt.«

»Er ist schon vor Prekile an Land gegangen. Da, wo eine rote Treppe ist.« Sie zögerte, dann verriet sie den Rest. Das, was wirklich wichtig war. »Oben an der Treppe ist ein Bahnhof. Da ist er hin. Zu dem Bahnhof.«

19

Nachdem man Frieda mit ihren Münzen (und der Drohung, alle Versprechen seien hinfällig, wenn sie auch nur ein einziges Wort über das ausplaudere, was im Büro von Mrs. Sigsby besprochen worden sei) in ihr Zimmer zurückgeschickt hatte, rief Stackhouse im Überwachungsraum an. Inzwischen war Andy Fellowes aus dem Dorf eingetroffen und hatte Felicia Richardson abgelöst. Stackhouse erklärte ihm, was er wollte, und fragte, ob das möglich sei, ohne dass jemand darauf aufmerksam werde. Durchaus, sagte Fellowes, aber dafür brauche er ein paar Minuten.

»Brauchen Sie ein paar Minuten weniger«, sagte Stackhouse. Er legte auf, um anschließend mit Rafe Pullman und John Walsh zu sprechen, seinen beiden Security-Leuten, die auf Abruf bereitstanden.

»Sollten Sie nicht lieber einen von den Cops, die wir bezahlen, beauftragen, sich am Bahnhof umzusehen?«, fragte Mrs. Sigsby, als er aufgelegt hatte. Zwei Beamte der Polizei von Dennison River Bend (und damit zwanzig Prozent) waren Zuträger für das Institut. »Ginge das nicht schneller?«

»Schneller schon, aber es wäre gefährlich. Ich will nicht, dass noch mehr Leute von dem ganzen Scheißdreck erfahren, wenn es nicht absolut notwendig ist.«

»Aber wenn er sich in einen Zug geschlichen hat, kann er wer weiß wo sein!«

»Wir wissen doch nicht mal, ob er überhaupt dort war. Womöglich hat das Mädchen uns angeschwindelt.«

»Das glaube ich nicht.«

»Sie haben auch nicht geglaubt, dass Dixon uns angeschwindelt hat.«

Das stimmte – und war äußerst peinlich–, aber sie ließ sich nicht ablenken. Die Situation war viel zu ernst, als dass sie sich anders verhalten sollten. »Schon kapiert, Trevor. Aber wenn er in einer derart kleinen Stadt geblieben wäre, hätte man ihn schon vor Stunden entdeckt!«

»Nicht unbedingt, schließlich ist er clever. Vielleicht hat er sich irgendwo versteckt.«

»Aber dass er den Zug genommen hat, ist am wahrscheinlichsten, und das wissen Sie auch.«

Das Telefon läutete. Beide stürzten sich darauf; Stackhouse obsiegte.

»Ja, Andy. Haben Sie’s geschafft? Gut, schießen Sie los.« Er griff sich einen Notizblock und begann zu kritzeln. Mrs. Sigsby beugte sich über seine Schulter, um zu lesen, was da stand.

4297 um 10

16 um 14.30

77 um 17

Er umkringelte 4297 um 10, erkundigte sich nach dem Fahrtziel und notierte dann Port, Ports, Stur. »Um wie viel Uhr sollte der Zug in Sturbridge eintreffen?«

Er kritzelte 16-17 auf den Block. Mrs. Sigsby starrte bestürzt darauf. Sie wusste, was Trevor dachte: Der Junge hatte sich bestimmt möglichst weit vom Institut entfernen wollen, bevor er den Zug verließ – falls er sich überhaupt hineingeschlichen hatte. Die Endstation war Sturbridge, und selbst wenn der Zug sich verspätet hatte, war er bereits vor über fünf Stunden angekommen.

»Danke, Andy«, sagte Stackhouse. »Sturbridge liegt im Westen von Massachusetts, richtig?«

Er lauschte und nickte.

»Okay, es liegt also an der Autobahn, ist aber sicher kein besonders großer Ort. Vielleicht ist es ein Knotenpunkt. Können Sie rausfinden, ob der Zug oder ein Teil davon von dort aus weiterfährt? Vielleicht mit einer anderen Lok oder so?«

Er lauschte.

»Nein, bloß eine Vermutung. Wenn er sich tatsächlich in diesen Zug geschlichen hat, hat er sich in Sturbridge vielleicht noch nicht sicher gefühlt und wollte noch ein Stück weiter von hier wegkommen. Jedenfalls würde ich das an seiner Stelle tun. Prüfen Sie das nach, und melden Sie sich so bald wie möglich wieder.«

Er legte auf.

»Andy hat die ganzen Informationen auf der Website vom Bahnhof gefunden«, sagte er. »Völlig problemlos. Ist das nicht erstaunlich? Heutzutage steht wirklich alles im Internet.«

»Wir nicht«, sagte sie.