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»Du … feiger Hund! Von nichts hast du … Wir hätten einen Sohn bekommen! Nasar und ich! Jetzt ist alles aus, aus und vorbei … Und? Freust du dich? Dass wir nicht … dass wir nie … niemals einen … dass ich jetzt … niemals! Ja, du freust dich! Weil du … Hast du überhaupt jemals jemanden geliebt? Nein, dazu bist du gar nicht imstande, denn dir hat man ja die Seele abgesäbelt, die ist überhaupt nicht mehr vorhanden …«

Plötzlich sah sie klar und deutlich einen Morgen vor sich, Sonnenflecken lagen auf dem Boden, gedämpft klirrte Geschirr, eine Kaffeemaschine brummte, es roch nach Milch. Sie bleckte die Zähne und jagte das Bild fort. Hass zog ihr die Kiefer zusammen, als beiße sie auf eine unreife, harte Stachelbeere.

»Ich habe nie etwas verlangt! Jedenfalls nichts Besonderes! Ich wollte nur in Ruhe gelassen werden … wollte, dass man mich einfach mein Leben leben lässt … Millionen Menschen dürfen ein friedliches Leben führen! Aber irgendein Arsch hat beschlossen, dass ich anders bin, irgendein Wurm … Oder bin ich etwa schon als Monster auf die Welt gekommen? Na?!«

Sie glaubte, die Tränen in ihren Augen würden gleich anfangen zu kochen, derart heiß brannten sie.

»Aber nein! Du musstest mich ja verhaften … unterdrücken, quälen … dich durchsetzen … du gemeine Spinne … du mieser Henker … du Stinker … und Verräter!«

Wie sie auf den letzten Vorwurf kam, wusste sie selbst nicht; das Wort war ihr einfach entschlüpft, aufs Geratewohl. Nun glaubte sie jedoch zu sehen, wie das Gesicht des Inquisitors zitterte. Einen kurzen Moment nur. Von diesem Sieg inspiriert, verzog sie die Lippen zu einem Hohnlächeln. »Das hörst du nicht gern, oder? Die Wahrheit schmeckt bitter, nicht wahr? Die ist nicht süß wie Honig?«

Sie meinte, in einem dunklen, engen Labyrinth gegen etwas gestoßen zu sein — mit dem sie ihn tatsächlich verletzen konnte. Vielleicht sogar töten.

»Du Henker und Verräter. Dafür wirst du noch büßen! Dafür … dass du sie verraten hast!«

Sie hatte keine Ahnung, wovon sie da redete. Aber fraglos befand sie sich auf der Zielgeraden: Der Inquisitor erbleichte. Nie hätte Ywha vermutet, dass er so leichenblass werden konnte.

»Genau! O ja, man wird sich an dich erinnern, denn du bist ein verrückter Sadist, denn dir ist nur noch eine Freude im Leben geblieben, nämlich zu foltern … Sogar die Frauen …« Sie verschluckte sich, fuhr aber dennoch fort. »Diese Frauen, die du in dein Sexodrom schleppst … die quälst du doch auch, nicht wahr? Als ob sie Ratten wären! Anders kommst du nämlich nicht auf deine Kosten!«

Sie musste tatsächlich seine empfindliche Stelle getroffen haben. Jetzt wollte sie ihn ganz erledigen. Der Wunsch war so stark, dass sich plötzlich Worte auf ihre Zunge legten, die sie normalerweise nie im Leben gebraucht hätte.

»Du hast nichts, womit du lieben könntest! Denn man liebt nicht mit dem, was in der Hose steckt … sondern mit der Seele. Aber deine Seele, die ist nackt. Kastriert! Deshalb quälst du diese Frauen … Weil du dich daran erinnerst, wie du es genossen hast, als sie gestorben ist! Du weißt noch, wie süß das damals war, wie …«

Nicht einmal die Augenbraue zog er hoch. Nur seine Pupillen erweiterten sich — und sogleich traf sie sein Schlag. Ihr wurde schwarz vor Augen, ihr Geschrei erstarb, und aus ihrer Nase rann Blut auf den Pullover. Auch auf den Lippen spürte sie die warme Flüssigkeit, auf den Händen …

Sie hatte Angst vor Blut. Allein bei seinem Anblick fiel sie in Ohnmacht — was diesmal allerdings ihre Rettung bedeutete. Schon in der nächsten Minute kam sie wieder zu sich, mit dem Gesicht im Gras liegend. Ihr Kopf fühlte sich an wie ein Fußball, auf den ein Dutzend in Töpfen steckender Füße eingetreten hatte. In ihren Ohren dröhnten die Schreie von der Tribüne wider, der Zorn, der Beifall …

Sie fing an zu weinen. Nicht aus Mitleid mit sich selbst, sondern einfach weil sie den Schmerz nicht zu ertragen vermochte — der sowohl ihrem Körper wie auch ihrer Seele zusetzte.

Dann drang durch den Lärm des imaginierten Stadions das Brummen eines Motorrads. Es verstummte jedoch, um einer besorgten Stimme zu weichen. »Brauchen Sie Hilfe, mein Herr?«

Eine ruhige Stimme antwortete. Eine vollkommen gefühllose Stimme, die jedes Wort klar artikulierte. Trotzdem gelang es Ywha nicht zu verstehen, wovon sie sprachen.

»Sie sollte auf dem Rücken liegen … nicht mit dem Gesicht nach unten … das macht es nur noch schlimmer …«

Abermals eine gelassene Antwort, allerdings mit einem kaum wahrnehmbaren verärgerten Unterton. Oder kam ihr das nur so vor?

»Gut, mein Herr … Hauptsache, es geht ihr wieder besser …«

Das Geräusch des Motors entfernte sich. Das Gras unter ihrem Gesicht war warm und rot. Oder bildete sie sich auch das nur ein?

Ich bin eine Hexe. Hexen müssen böse sein.

Klawdi sah dem Motorrad nach, bis die grüne, vom Wind zu einer Blase geblähte Jacke hinter einer Kurve verschwand.

Dann wartete er, bis der Regen aufhörte. Idiotischerweise zitterten seine Hände. Gleich würde ihm die Zigarette entgleiten …

Er hegte eine zu hohe Meinung von sich. Hielt sich für einen Mann mit Nerven wie Drahtseilen und einer hundertprozentig zuverlässigen Abwehr. Doch es brauchte bloß das erstbeste Mädchen mit dem Finger auf ihn zu zeigen, und schon stand Klawdi Starsh am Straßenrand, neben seinem leicht lädierten Auto, zitterte und rauchte …

Nur dass es sich hier nicht um das »erstbeste Mädchen« handelte. Und ihren Beschuldigungen nichts Zufälliges anhaftete. Leichthin und ohne sich selbst darüber im Klaren zu sein, hatte sie in seiner Seele die schmerzlichste und schwerste Last ausgemacht — um sie in eine Waffe zu verwandeln. Von unglaublicher Stärke!

Nein, sie hatte nicht gewusst, was sie getan hatte. Sie hatte ihn bloß verletzen wollen, was ihr auch vorzüglich gelungen war.

Ihm waren schon reife Hexen untergekommen, initiierte und erfahrene, die in voller Kampfmontur das Gleiche versucht hatten. Damals hatte er nur gelacht und ihre Waffe gegen sie selbst gewandt. Aber jetzt …

Er konnte sich nun nicht länger beherrschen und spuckte aus. Seine Spucke schlug einem gemeinen Löwenzahn die Hälfte seiner weißen Federn ab; verdrossen spuckte er noch einmal, diesmal jedoch daneben, sodass der Löwenzahn mit einer Halbglatze davonkam.

Sicher, sie hatte seinen Schlag mit einer seltenen Tapferkeit eingesteckt. Hemmungslos hatte er auf sie eingedroschen, jede Kontrolle hatte er über sich verloren. Es war sehr lange her, seit er das letzte Mal jemandem mit einer derartigen Gewalt eins übergezogen hatte.

Plötzlich wollte er ins Auto steigen, zu dem gelben Haus fahren und die Wache rufen. Stattdessen ging er jedoch zu Ywha, die am Boden lag, und setzte sich neben sie.

Sie hatte wirklich eine gute Abwehr. Und eine unverwüstliche Konstitution. Das Blut zählte nicht. Das war bloß Nasenbluten und ließ ohnehin schon nach, trocknete an den roten Haaren ein.

Mit einem Mal erinnerte er sich, wie er in seiner Kindheit Stunde um Stunde vor einem Stahlgitter im Zoo gestanden hatte, vor dem Käfig für die Füchse. Der einzige Fuchs, der je in Unfreiheit geboren worden war, ein schmutziges, vergessenes Tier, das man mit allem Möglichen bewarf und neckte. Dieser Fuchs wartete auf ihn, versteckt hinter seinem Bretterhäuschen, und kroch, sobald Klawdi auftauchte, auf dem Bauch durch den ganzen Käfig zu ihm hin; jedes Mal griff die durch das Gitter gezwängte Hand einige Zentimeter vor der spitzen, leidenden Schnauze in die Luft. Wohin war dieses Füchslein verschwunden? Was hatte Klawdi von den kummervollen Zoobesuchen abgebracht?