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Priw tanzte wie toll. Seine Füße berührten die glatten Bretter der Tanzfläche gar nicht mehr. Er schien weder Knochen noch Sehnen zu haben, so streckte und bog er sich in jede Richtung. Ein Schatten aus Gummi, dachte Ywha. Ein sehr klarer, präziser Schatten, der seine Bewegungen bis ins letzte i-Tüpfelchen hinein kalkulierte. Als er sie in eine nur ihm bekannte Figur eines nur ihm bekannten Tanzes einband, nahm sie flüchtig den Geruch von Veilchen wahr.

Den Geruch eines fremden Willens. Ein Spinnennetz, das sich in der Luft spannte.

In diesem Moment hakte es bei ihr aus. Nun tanzte auch sie mit einer verdreifachten Wildheit. Das unsichtbare Spinnennetz knisterte elektrisiert und zerriss. Ihre Jeans knisterten ebenfalls. Die Leute im Café schrien verängstigt auf.

Jäh verstummte die Musik. Das wirkte, als habe man einer tanzenden Marionette mit einem einzigen Schnitt der Schere sämtliche Fäden gekappt. Ywha fiel — und erst kurz vor dem Boden fing sie jemand ab.

Die Menschen, die an den Tischen saßen, applaudierten und lachten. Und sie riefen etwas. Auf dem Fußweg vor dem Restaurant hatte sich eine Menge gebildet, die teilweise schon auf den Fahrdamm drängte. Ein Auto hupte empört, da es nicht vorbeikam.

Ihre Füße schmerzten entsetzlich. Ywha blickte auf ihre Turnschuhe: die waren durchgetanzt. Am rechten klaffte die Spitze auf, der linke hatte keine Sohle mehr.

Ywha wollte losweinen, was ihr jedoch nicht gelang. Priw zog sie fort, wobei er sie so an sich presste, dass sie die Dienstmarke unter seinem tropischen Hemd spürte.

Sein Hemd war klatschnass. Er selbst hielt sich auch kaum noch auf den Beinen.

Wie hieß es doch? Versuch nicht, einen Falschspieler auszutricksen, einen Steuerinspektor mit Argumenten zu überzeugen oder einen Tschugeist niederzutanzen.

Auf der Bühne drängten sich Menschen, und der krebsrote Sänger starrte verblüfft auf seine Gitarre. Eine gerissene Saite hatte sich zu einer Spirale aufgerollt.

Priw atmete keuchend. »Du Hexe!«, brachte er zwischen den Zähnen hervor. »Du Hexe, du!«

»Lass mich los!« Sie versuchte, sich seinem Griff zu entreißen. Schwer ließ sie sich auf den nächstbesten Stuhl fallen.

»Du Hexe. Du bist wirklich eine Hexe!«

»Was ist? Hast du nicht bekommen, was du wolltest?« Sie brachte ein böses Hohnlachen zustande. »Hast du genug getanzt? Reicht’s dir?«

»Hexe!« Priw wandte sich der gaffenden Menge zu. »Meine Herrschaften, rufen Sie bitte die Inquisition.«

Er warf Ywha einen triumphierenden Blick zu, vielleicht in der Hoffnung, in ihren Augen Entsetzen und Panik zu entdecken. Verächtlich verzog Ywha die Lippen. In diesem Augenblick legte sich ihr eine schwere Hand auf die Schulter. »Die Inquisition steht zu Ihren Diensten.«

Die Stimme klang wie das Rascheln einer Schlangenhaut in einer ausgetrockneten Regenrinne. Zum ersten Mal schlich sich so etwas wie Verzweiflung in Priws Gesicht.

»Die Inquisition der Stadt Wyshna.« Die Dienstmarke am Revers blitzte kurz auf und verlosch wieder. »Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, junger Mann. Die Hexe ist verhaftet.«

Am ganzen Körper spürte Ywha die Blicke. Angewiderte und verängstigte, hier und da aber auch mitleidige: Die arme Hexe, so jung und schon in den unerbittlichen Händen der Inquisition.

In Priws Augen veränderte sich etwas. Im nächsten Moment begriff Ywha, dass er Klawdi Starsh erkannte hatte.

»Und du, Hexe, sitz hier nicht rum«, meinte der Großinquisitor der Stadt Wyshna seelenruhig. »Du bist verhaftet, steh auf, wir gehen.«

Völlig verkrampft hakte sich Ywha am hingehaltenen Arm unter, wie eine Ertrinkende, die nach einem Strick schnappte, den man ihr hingeworfen hat.

Priw bleckte die Zähne. Die Clownsmaske fiel von seinem Gesicht, die ewig lächelnden Lippen pressten sich aufeinander. »Einen schönen Beschützer hast du dir da geangelt! Mit dem Fußvolk gibst du dich wohl kaum ab, was, Ywha?!« Er japste. »Dann hab ich hier wohl nichts mehr verloren!« Er beugte sich vor, starrte Starsh mitten ins Gesicht. »Mein Inquisitor! Ich würde Ihnen empfehlen, nicht nur die Hexenwerte dieses prachtvollen Mädchens festzustellen, sondern auch, ob sie nicht zufällig geschlechtskrank ist. Irgendwo habe ich gelesen, dass Hauptüberträger entsprechender Krankheiten nicht professionelle Nutten seien, sondern Mädchen mit solch unschuldigen Augen … Wenn ich mich jetzt entschuldigen darf? Leben Sie wohl.« Höflich neigte er den Kopf.

Ywha registrierte, wie die Muskeln des Arms, an dem sie sich festhielt, so hart wurden wie ein Jackettärmel im Frost.

Ihre Füße waren von den Zehen bis zur Ferse wund. Von den alten Turnschuhen war nichts mehr übrig geblieben. Klawdi hatte ein Privattaxi angehalten und Ywha zum Platz des Siegreichen Sturms gebracht. Sie schien Fieber zu haben; zumindest zitterte sie entsprechend.

»Dieses … Schwein. Soll ihm doch … die Zunge … abfallen.«

»Lass das. Das hat er nur gesagt, damit du weinst.«

»Er war wütend. Wenn ich … damals nicht vor ihm weggerannt wäre, dann wäre ich genau das, was er von mir … behauptet hat.«

»Warum hast du dich überhaupt mit ihm eingelassen?«

»Wo sollte ich denn hingehen?!«

Dieses Gespräch führten sie nun schon zum dritten Mal, und Klawdi spürte einen unangemessenen Ärger. Das brachte ihm jedoch nichts. Zugegeben, das, was der Junge über Ywha gesagt hatte, hatte ihn über Gebühr aufgebracht. Ein echter Gentleman hätte diesem Schwatzkopf bestimmt auf der Stelle einen Kinnhaken verpasst …

Klawdi verzog das Gesicht. Das gäbe ein Bild für die Götter! Der Großinquisitor, der sich wegen einer junge Hexe mit einem Tschugeist prügelt. Allerdings hätte er dann auch noch Seine Durchlaucht, den Herzog, zur Vorstellung einladen sollen!

Ohne diese Wut im Bauch hätte er sicher Mitleid und Verständnis für Ywha empfunden. Aber die Wut verlangte ihm einiges ab: Er musste sich zusammenreißen, verschließen, durfte sich äußerlich nichts anmerken lassen. Ywha verstand seine Distanz als Verachtung. Als ob der Zynismus dieses Priw die Beziehung von Klawdi zu seinem Schützling hätte verändern können!

Andererseits war die Geschichte mit Priw in der Tat so einfach nicht. Klaw musste sich gewaltig anstrengen, um zu vergessen, dass Priw ein Tschugeist war; nachdem ihm das endlich gelungen war, setzte er sich selbst an seine Stelle. Unwillkürlich presste er die Lippen aufeinander. Oh, oh …

»Du musst dich ausruhen«, sagte er zu Ywha. »Morgen steht uns ein wichtiger Tag bevor. Man hat drei Hexen aus Odnyza gebracht, die sich zusammengerottet haben. Erinnerst du dich noch, was ich dir über das Grundmotiv gesagt habe? Darüber, worauf es uns ankommt?«

Schweigend starrte Ywha zum dunklen Fenster hinaus. Er wartete ihre Antwort nicht ab, ging in sein Arbeitszimmer und rief Hljur an. Er gab einige Befehle, hörte sich den Bericht seines Stellvertreters an und knirschte mit den Zähnen. Tapfer widerstand er der Versuchung, sich Ywha zu schnappen und auf der Stelle mit ihr in den Palast zu fahren, um sofort mit der Arbeit zu beginnen. Als er ins Zimmer zurückkam, stand sie da wie zuvor.

»Weißt du, was das Zeichen der Pumpe ist?«

Ohne sich umzudrehen, schüttelte Ywha den Kopf.

»Es ist ein Zeichen, das man auf der Kleidung, manchmal auch auf der Haut ausführt. Wenn man es auf die Haut malt, stirbt das Opfer innerhalb von vierundzwanzig Stunden an vollständigem Kraftverlust, Austrocknung und Salzverlust. Es auf die Kleidung aufzubringen ist einfacher und auch praktischer. Dann saugt das Zeichen den Menschen, der sie trägt, in kleinen Portionen aus. Seine Kraft geht auf die Hexe über, die das Zeichen ausgeführt hat.«