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Erstes Kapitel

Langsam senkte sich der Sonnenball, einer riesigen Feuerkugel gleich, dem Horizonte zu, und übergoß mit einer Flut rötlichen Lichtes die unabsehbar sich ausdehnende Ebene, deren Grenzen mit der Luft sich zu verschmelzen schienen.

    Kein Baum, kein Strauch zeigte sich dem Auge, Gras nur, Prärie- und hartes Büffelgras entsproß sterilem Boden, der oftmals an umfangreichen Stellen, ohne jeden Pflanzenschmuck, kahl und nackt zutage trat, und so den Eindruck trostloser Oede noch verstärkte.

    Wolkenlos spannte sich der Himmel aus, und sein eintöniges Blau erhöhte die Monotonie des Ganzen.

    Kein Laut ließ sich hier vernehmen, das animalische Leben schien erstorben, Schweigen des Todes herrschte überall.

    In der Ausdehnung der Fläche, welche der Blick zu umfassen vermochte, der Einförmigkeit der Bodengestaltung, der tiefen Stille, lag etwas furchtbar Großes.

    Es war die Majestät des Schreckens, die hier auf der Wüste lagerte. Nur das scheidende Tagesgestirn umhüllte in goldigem Schimmer alles mit dem Scheine warmen Lebens.

    Inmitten der Einöde bewegten sich drei Reiter langsam nach Norden zu, kaum vernehmbar war der Pferdehuf auf dem Steppengras, und das Schweigen ringsumher schien seine Wirkung auch auf sie auszuüben, denn wortlos ritten sie einher.

    Zwei von ihnen waren Männer, deren Art die Prairien weiter nördlich und östlich häufig zeigten, wo nach Tausenden von Köpfen zählende Rinderherden, die Sommer und Winter im Freien bleiben, die kühnen, abgehärteten Hirten erfordern, welche sie dem Besitzer bewachen und bewahren. Die Tracht: der breitrandige Hut, der hohe Stiefel, die Art der Bewaffnung, besonders aber die kurzgestielte Peitsche mit der weitreichenden schweren Schnur, die sie im Gürtel trugen, kennzeichneten sie als Cowboys.

    Die von Wind und Wetter gebräunten Gesichter der beiden Männer waren keineswegs vertrauenerweckend, und dürften den ihnen in der Einsamkeit der Wüste begegnenden friedlichen Wanderer wohl um seine Sicherheit besorgt gemacht haben.

    Der eine war von langer Gestalt, und das Gesicht mit dem adlerartigen Profil, aus dem zwei dunkle Augen blitzten, trug einen verwegenen Ausdruck, der durch eine Narbe, die sich von der Stirne bis zur Wange herabzog, bis sie in dem stoppeligen Barte verschwand, keineswegs gemildert ward.

    Die Erscheinung des anderen, eines Burschen, untersetzt, breitschultrig, mit massivem Kopfe und breitem Antlitz, bildete ein durchaus nicht angenehmes Seitenstück zu der seines langen Gefährten; die wilde Kühnheit auf dessen Gesicht war hier durch den Ausdruck roher Grausamkeit ersetzt.

    Bewaffnet waren die unheimlichen Gesellen mit langen Büchsen, die sie vor sich, quer über den Sattel gelegt, trugen, mit Messer und Pistolen im Gürtel.

    Zwischen den beiden rauhen, furchteinflößenden Gestalten ritt ein schlanker Knabe, welcher wohl kaum mehr als sechzehn Jahre zählen mochte. Um ein hübsches, aber sehr bleiches Gesicht hing langes kastanienbraunes Haar, das wellig hernieder fiel auf einen zerfetzten und beschmutzten Hemdkragen.

    Gekleidet war er in eine kurzen Jacke und lange Beinkleider von feinem, dunkelblauem Tuch, die aber, wie das gestickte Hemd, Spuren mühseliger Wanderung zeigten.

    Matt war die Haltung des Knaben, traurig der Ausdruck des blassen Gesichts, und das umflorte Auge richtete sich von Zeit zu Zeit wie fragend nach dem Himmel.

    Schweigend ritten die drei noch eine Weile fort, bis der Lange die Stille mit den Worten unterbrach: "Müssen uns hier ein Nachtlager suchen, Jim, erreichen den Arkansas nicht mehr."

    "Meinetwegen", brummte der andre, wie es schien, übel gelaunt; "denke, sind weit genug in der Steppe."

    Dem Knaben schien bei diesen Worten ein Schauder zu erfassen, und seine Blicke flogen ängstlich von einem seiner Begleiter zum andern.

    Der Lange entgegnete nichts, nur suchte sein Auge umher. Als es auf einem dunklen Punkte haftete, der, einem Erdhaufen gleich, sich unfern erhob, sprengte er dahin, und bald hielt er neben dem Kadaver eines Büffels, der fast zur Hälfte schon von den gefräßigen Prairiewölfen verzehrt war.

    Er pfiff und sein Gefährte galoppierte zu ihm.

    Der Knabe hielt sein Pferd an, und wenn die beiden Cowboys nach ihm hingeblickt hätten, konnten sie gewahren, wie er, die Hände gefaltet, zum Himmel blickte und seine Lippen sich bewegten.

    "Will dir was sagen, Ben", sagte mit rauher, doch unterdrückter Stimme der Jim angeredete Mann, "habe deine Sentimentalität jetzt satt, sind weit genug in der Wüste. Heute abend jage ich ihm eine Kugel durch den Kopf, und die Sache ist abgemacht."

    Der andre blickte einen Augenblick vor sich nieder, richtete dann die dunklen Augen auf seinen Gefährten und entgegnete gedämpften Tones: "Geht mir gegen die Natur, Jim. Ist ein Kind - sage dir, geht mir gegen die Natur. Wär's ein Bursche mit 'ner Büchse in der Hand, wollte ich ihm geschwind hinhelfen - aber, ist ein waffenloses Kind, Jim, schäme mich, sage dir, schäme mich."

    "Hättest dann das Geschäft gar nicht übernehmen sollen."

    "Habe es mir so nicht gedacht - und sind hundert Dollar viel Geld - aber hätt's nicht übernommen, wenn ich gewußt hätte, wie schwer es ist, mit ruhigem Blute ein Kind zu töten. Hat mancher mein Messer gespürt oder meine Kugel, aber waren Männer und ich dabei im Zorn oder in Selbstverteidigung. Sage dir, ist das dort ein Kind."

    "Nun, und was soll nun geschehen? Wollen wir das Bürschchen wieder zurückbringen? He?"

    Der lange Ben dachte einen Augenblick nach und sagte dann: "Will dir was sagen, Fellow, sind hier in einer Einöde - auf hundert Meilen kein Mensch - nicht einmal eine schleichende Rothaut - lassen den Jungen hier - mag's dann gehen wie's will."

    "Unnütze Grausamkeit, eine Kugel ist Barmherzigkeit dagegen."

    "Mag sein, kann's nicht übers Herz bringen. Habe das Kind beten hören -"

    Der andre lachte roh auf, aber Ben fuhr, ohne es zu beachten, fort: "Fiel mir ein, daß ich auf dem Schoße meiner Mutter auch einmal gebetet habe, sage dir, Jim, wollen ihn hier allein lassen -"

    "Na, meinetwegen, wenn das dein weiches Herz beruhigt, mag's sein. Aber sagt dir der Büffel nicht, daß Jäger in der Nähe waren?"

    "Nein. Das Tier ist von der Herde versprengt und von den Coyotes totgehetzt. Hier kommen weder Büffel noch Jäger her."

    "Well, bin einverstanden, lassen den Jungen hier - nur fort aus dieser elenden Steppe."

    Schweigend ritten sie hierauf zurück zu dem ergeben harrenden Knaben, den eben die letzten Strahlen der sinkenden Sonne beschienen.

    "Wollen hier zur Nacht bleiben, Master Paul, sucht euch ein Plätzchen, können heute den Arkansas nicht erreichen."

    Gehorsam stieg der Knabe ab. Ihm folgten hierin die beiden Männer. Die Pferde wurden abgesattelt, angepflockt, und alle drei ließen sich auf wollenen Decken nieder, die sie von den Sätteln genommen hatten, der Knabe etwas abseits von den Gefährten.

    Sie zogen Mundvorrat hervor, bestehend aus gedörrtem Fleisch und Maisbrot. Ben bot dem Knaben Speise, die dieser auch nahm und langsam zu verzehren begann, während Jim aus seiner Satteltasche eine Blechflasche hervorholte, und mit deren stark duftenden Inhalt sein Mahl würzte. Ein gleiches tat auch der Lange.

    Nachdem er einen herzhaften Schluck genommen, bot er sie dem Knaben; dieser wollte sie zurückweisen, aber ein rauhes: "Wird's bald!" veranlaßte ihn, einen Schluck des feurigen Trankes zu nehmen. Hustend gab er dann die Flasche zurück.