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„Ich stelle mir vor, das war wenig angenehm", meinte der Uhu Schuhu.

„Nicht angenehm?" sagte das kleine Gespenst. „Einfach ekelhaft war es! Es bummste und krachte den ganzen Tag und die halbe Nacht lang. Ich habe ja glücklicherweise keinen empfindlichen Schlaf, mich bringt nichts so leicht aus der Ruhe. Doch damals?! Es war nicht zum Aushalten, sage ich Ihnen! Dieser Kanonendonner in einem fort und das Krachen und Splittern im Mauerwerk, wenn die Kugeln einschlugen! Eine halbe Woche lang habe ich diesen Höllenlärm über mich ergehen lassen, dann bekam ich es satt!"

„Und haben Sie etwas dagegen tun können?" fragte der Uhu Schuhu.

„Gewiß doch! Ich habe mir diesen Torstenson einmal vorgeknöpft. Gleich in der nächsten Nacht bin ich zu ihm hin, in das Generalszelt, und habe ihm meine Meinung gesagt."

„Standen denn keine Wachen vor seinem Zelt?"

„Und ob da Wachen gestanden haben! Ein Leutnant mit zwanzig Mann, oder lassen Sie's fünfundzwanzig gewesen sein. Sie haben mich aufhalten wollen und haben mit ihren Säbeln und Spießen nach mir gestochen, und der Leutnant hat sogar die Pistole gezogen und einen Schuß auf mich abgefeuert. Aber Sie wissen ja: Säbel und Spieße können mich nicht verletzen, und Kugeln fügen mir keinen Schaden zu; das geht alles durch mich hindurch wie durch Rauch und Nebel. Man hat mich nicht hindern können, ich bin in das Generalszelt hineingehuscht."

„Und als Sie drin waren?" fragte der Uhu.

„Da habe ich diesem Torstenson ordentlich eingeheizt. ,Wenn dir dein Leben lieb ist', habe ich ihm gedroht und dabei mit den Armen gefuchtelt und schrecklich herumgefaucht, ,wenn dir dein Leben lieb ist, dann brich die Belagerung auf der Stelle ab und verschwinde mit deinen Soldaten auf Nimmerwiedersehen!'" „Und der Herr General?"

„Der hat dagestanden, barfuß, im spitzenbesetzten Nachthemd, und hat mit den Zähnen geklappert und gräßliche Angst gehabt. Und dann ist er vor mir auf die Knie gefallen und hat um Gnade gebettelt. (Verschone mich!' hat er gerufen, .verschone mich! Ich will alles tun, was du von mir forderst!' Da habe ich ihn beim Kragen gepackt und ein bißchen gebeutelt. ,Das möchte ich aber auch hoffen!' habe ich ihm geantwortet. .Morgen früh rückst du ab von hier! Und laß es dir ja nicht einfallen, jemals wiederzukommen, verstanden? Laß dir das ja nicht einf allen!1"

„Donnerwetter! - Und Torstenson?"

„Torstenson hat pariert. Am nächsten Morgen, dem Morgen des 27. Juli, ist er mit seiner Armee davongezogen. Hals über Kopf sind sie abgerückt, Reiterei, Kanoniere und Fußsoldaten, er selber mit seinem Feldherrnstab vorneweg."

„Und - er ist tatsächlich nie mehr wiedergekommen?" wollte der Uhu wissen.

„Tatsächlich nie mehr", sagte das kleine Gespenst und kicherte.

Reden wir nicht vom Tageslicht

Die Geschichte vom kleinen Gespenst und dem großen schwedischen General Torsten Torstenson war zu Ende. Eine Zeitlang hockten die beiden Freunde schweigend auf ihrem Ast und blickten ins Tal hinab: auf den Fluß, der im Mondlicht schimmerte, und auf die Türme und Dächer des Städtchens Eulenberg mit ihren Wetterfahnen und Schornsteinen, ihren Treppengiebeln und Erkern. Man konnte die wenigen späten Lichter zählen und zusehen, wie sie eins um das andere ausgingen: hier eines - dort das nächste.

Das kleine Gespenst auf Burg Eulenstein stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Schade", sagte es, „daß ich den Fluß und das Städtchen immer nur nachts sehe, wenn der Mond scheint, und niemals bei Tageslicht!"

Der Uhu ließ ein verächtliches Knurren hören.

„Reden wir nicht vom Tageslicht", bat er, „mir tun bei dem bloßen Wort schon die Augen weh! Ich finde, der Mondschein ist hell genug, heller mag ich es gar nicht."

„Und trotzdem!" meinte das kleine Gespenst. Trotzdem möchte ich einmal die Welt bei Tag erleben, ein einziges Mal nur! Bloß um den Unterschied kennenzulernen. Ich könnte mir denken, daß das sehr lehrreich wäre für mich ... Und sehr aufregend ... "

„Pfuh!" entrüstete sich der Uhu. „Wie kommen Sie bloß als vernünftiges kleines Gespenst auf solch ausgefallene Wünsche?! Glauben Sie mir, lieber Freund - ich bin einmal bei Tageslicht unterwegs gewesen und habe für alle Zeiten genug davon!"

Das kleine Gespenst horchte auf.

„Davon weiß ich ja gar nichts, das müssen Sie mir erzählen, Herr Schuhu! Am besten jetzt gleich!"

Der Uhu plusterte sein Gefieder auf, spitzte die Ohren und schüttelte sich. Es schien ihm nicht leicht zu fallen, mit dieser Geschichte herauszurücken.

„Es war", begann er, „in meinen jungen Jahren. Damals unternahm ich von Zeit zu Zeit ausgedehntere Flüge in die Umgebung des Eulensteins, teils um zu jagen und teils aus Neugier. Dabei geschah es mir einmal, daß ich mich in der Zeit irrte - und was meinen Sie: Plötzlich merke ich, daß der Morgen graut! Na, ich kann Ihnen sagen! Zum Eulenstein waren es mindestens sieben Meilen. Ob ich ihn noch erreichte, ehe die Sonne aufging? Ich flog, was die Flügel hergaben, aber die Sonne war schneller. Etwa auf halbem Weg überraschte sie mich. Ich mußte sogleich die Augen schließen, weil ihre grellen Strahlen mich blendeten . . . Wissen Sie, wie es einem zumute ist, wenn man fliegen muß, ohne etwas dabei zu sehen?"

„Ich kann es mir ungefähr denken", sagte das kleine Gespenst.

„O nein!" rief der Uhu Schuhu. „Niemand vermag sich das vorzustellen, der es nicht selbst erlebt hat. Sie dürfen mir glauben, es war entsetzlich. Aber das Allerentsetzlichste kam erst noch!"

An dieser Stelle hielt es der Uhu Schuhu für angezeigt, eine Pause zu machen, erstens um sich zu räuspern und zweitens der größeren Spannung wegen. Das kleine Gespenst rutschte unruhig auf dem Eichenast hin und her.

„Und was war das Entsetzlichste?" fragte es. „Das waren die Krähen", sagte der Uhu Schuhu. „Auf einmal hörte ich ihr Gekrächze. Es mußte ein ganzer Schwärm sein, dreißig bis vierzig von diesen heiseren Schreihälsen. Das Gesindel entdeckt mich und merkt, daß ich blind und hilflos bin.

Da kommt es herbeigeflattert, umschwärmt mich und krächzt mir aus nächster Nähe die Ohren voll mit den scheußlichsten Schimpfworten, die ich je gehört habe. Aber noch nicht genug damit! Eine der Krähen wird übermütig und hackt im Vorbeifliegen mit dem Schnabel nach mir. Ich kann mich nicht wehren, die anderen sehen das - und schon fallen auch sie mit den Schnäbeln und Krallen über mich her, daß ich glaube, im nächsten Augenblick ist es aus mit mir. Es war fürchterlich, lieber Freund, es war höllenmäßig! Wie ich es fertiggebracht habe, trotzdem nach Hause zu finden, das weiß ich selbst nicht. Mehr tot als lebendig bin ich in meiner Höhle angekommen. Hier war ich in Sicherheit vor dem Krähenschwarm, aber fragen Sie nicht, wie ich zugerichtet war! Übel, übel, mein Lieber!"

Der Uhu schlug mit den Flügeln, als gelte es, die Erinnerung an jenen unglückseligen Morgen abzuschütteln.

„Und darum", beschloß er seine Geschichte, „habe ich mir geschworen, in Zukunft immer darauf zu achten, daß ich bei Tagesanbruch zu Hause bin. Wir Nachtgeschöpfe sind für das Tageslicht eben nicht geschaffen. Auch Sie nicht, verehrter Freund, Sie ganz besonders nicht!"