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Gesicht und hob meinen Blick zu den blaßgoldenen Wolken am Himmel. Meine Gedanken wanderten zur Dachterasse von Titus Megarus unter den Sternen; zu dem heißen Sonnenschein, der Ciceros Atrium durchflutete; zum Haus der Schwäne und den abgründigen Tiefen in Elektras Augen; zu einem flüchtigen Blick auf Roscias nackte Schenkel, während Tiro sie verzweifelt umklammert hielt und an ihrem Hals stöhnte; zum verunstalteten Leichnam von Sextus Roscius, der all diese verschiedenen Dinge zusammengebracht und mit seinem eigenen Blut und dem seines Vaters wie mit Mörtel verbunden hatte.

Auf einmal spürte ich einen nagenden Hunger und wollte mich auf den Heimweg machen. Ich sah mich um und wußte eine Zeitlang nicht, wo ich war, bis mir klar wurde, daß ich irgendwie am anderen Ende der engen Gasse gelandet war. Ich hatte nicht vorgehabt, hierherzukommen oder überhaupt so weit zu gehen. Vielleicht gibt es einen Gott, dessen leitende Hand so sanft auf der Schulter eines Menschen liegt, daß der sie nicht einmal spürt.

Ich wandte mich heimwärts.

Unterwegs traf ich niemanden, nur hin und wieder hörte ich durch offene Fenster, wie Frauen ihre Familien zum Essen riefen. Die Welt schien friedlich und ruhig, bis ich hinter mir Fußgetrappel hörte.

Viele Füße, die auf die Pflastersteine knallten, vermischt mit schrillen Schreien, die in der schmalen Gasse widerhallten, sowie das Geräusch von Stöcken, die an den schiefen Mauern entlangkratzten. Einen Moment lang wußte ich nicht, woher die Geräusche kamen, so eigenartig klang ihr Echo. Es schien näher und näher zu kommen, mal von vorn, mal von hinten, als sei ich von einem kreischenden Mob umzingelt.

Sulla hat gelogen, dachte ich. Mein Haus auf dem Hügel steht in Flammen. Bethesda ist vergewaltigt und ermordet worden. Und jetzt bin ich dem gedungenen Pöbel in der engen Gasse in die Falle gegangen. Sie werden mich mit ihren Stöcken erschlagen. Sie werden mich in Stücke reißen. Gordianus der Sucher wird vom Antlitz der Erde verschwinden, und niemand wird es je erfahren außer seinen Feinden, die es bald vergessen haben werden.

Der Lärm wurde noch schriller, geradezu ohrenbetäubend. Aber es waren keine Männerstimmen, die ich hörte, sondern lärmende Jungen, die hinter mir kreischten. Im nächsten Augenblick kamen sie lachend, schreiend, sich gegenseitig anrempelnd und Stöcke schwenkend um eine Biegung der schmalen Gasse. Sie jagten einen kleineren, in blaue Lumpen gehüllten

Jungen, der mir direkt in die Arme lief und sich in meine Tunika vergrub, als sei ich ein Turm, in dem er sich verstecken konnte.

Seine Verfolger kamen rutschend zum Stehen, sie knufften sich, lachten und kreischten immer noch und schlugen mit ihren Stöcken gegen die Mauer. »Er gehört uns!« schrie einer der Jungen mit durchdringender Stimme. »Hat keine Familie und keine Zunge!«

»Seine eigene Mutter hat ihn verlassen«, brüllte ein anderer. »Er ist nicht besser als ein Sklave. Gib ihn uns zurück! Wir haben nur Spaß mit ihm gemacht.«

Ich betrachtete das zappelnde Bündel aus Lumpen und Sehnen in meinen Armen. Das Kind erwiderte meinen Blick, angstvoll, zweifelnd und auf einmal überglücklich, als er mich erkannte. Es war der stumme Junge, Eco, der von der Witwe Polia verlassen worden war.

Ich hob den Blick und musterte die kreischende Bande. Irgend etwas Bedrohliches muß in meiner Miene gelegen haben, denn der mir am nächsten stehende Junge wich zurück und wurde blaß, als ich Eco sanft zur Seite schob. Einige der Jungen wirkten ängstlich, andere mürrisch und zu einer Schlägerei bereit.

Ich griff in meine Tunika, in der ich noch immer das Messer mit mir herumtrug, wie jeden Tag, seit es der Junge mir gegeben hatte. Er glaubt, wir bringen Gerechtigkeit, Tiro. Ich zog es hervor. Die Jungen rissen die Augen auf und stolperten übereinander, als sie hastig die Flucht ergriffen. Auf ihrem Rückzug hörte ich sie noch lange lachen, kreischen und mit den Stöcken an den Wänden entlangkratzen.

Eco streckte die Hand aus und griff nach dem Messer. Ich überließ es ihm. Auf der Klinge waren immer noch ein paar Flecken von Mallius Glaucias Blut. Eco sah sie und quiekte zufrieden.

Er sah mich fragend an und tat, als würde er mit dem Messer auf eine imaginäre Person einschlagen. Ich nickte. »Ja«, flüsterte ich, »deine Rache. Ich habe dich mit eigener Hand und deinem Dolch gerächt.« Er starrte auf die Klinge und öffnete die Lippen zu einem Ausdruck des Entzückens.

Mallius Glaucia war einer der Männer gewesen, die seine Mutter vergewaltigt hatten; jetzt war er tot, erstochen mit dem Dolch des stummen Jungen. Was machte es, daß ich Glaucia nie getötet hätte, wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte, nicht einmal für den Jungen? Was machte es, daß Glaucia - der schwerfällige, blutrünstige Koloß Glaucia - im Vergleich zu den

Rosciern nur ein Zwerg unter Riesen war? Oder daß die Roscier nur Kinder auf dem Schoß von Chrysogonus waren? Oder daß Sulla nur ein Fädchen in einem goldenen und blutroten Intrigennetz war, das Familien wie die Meteller seit Jahrhunderten gesponnen hatten, die durch ihre unermüdlichen Verschwörungen mit Recht von sich behaupten konnten, Rom zu dem gemacht zu haben, was es heute war? In ihrer Republik konnte selbst ein stummer Betteljunge sich auf seine römische Würde etwas einbilden, und der Anblick vom Blut eines miesen kleinen Verbrechers auf seiner eigenen Klinge ließ ihn vor Aufregung quieken. Hätte ich ihm Sullas Kopf auf einem Tablett präsentiert, der Junge hätte nicht zufriedener sein können.

Ich griff in meine Börse und hielt ihm ein Geldstück hin, aber er beachtete es gar nicht, sondern umfaßte statt dessen sein Messer mit beiden Händen und tanzte im Kreis. Ich steckte die Münze wieder in meine Börse und wandte mich zum Gehen.

Ich war erst wenige Schritte gegangen, als ich stehenblieb und mich umdrehte. Der Junge stand, den Dolch umklammert, still wie eine Statue und blickte mir mit traurigen Augen nach. So standen wir lange und sahen uns an. Schließlich streckte ich meine Hand aus, und Eco kam angerannt.

Hand in Hand gingen wir durch die enge Gasse, die von Menschen wimmelnde Via Subura und den schmalen Pfad den Hügel hinauf. Als wir das Haus betraten, rief ich Bethesda zu, daß es noch ein hungriges Maul zu stopfen gab.

Nachbemerkung

Leser historischer Romane, die aus Gewohnheit das Nachwort zuerst lesen, sollten wissen, daß Das Lächeln des Cicero auch ein Kriminalroman ist; einige für die Auflösung relevante Punkte werden hier angesprochen, wenn auch nur indirekt. Caveat lector.

Unsere wichtigsten Quellen für das Leben des Sulla sind Plutarchs Biographie, die charakteristischerweise voll ist mit Klatschgeschichten, Skandalen und Hokuspokus - mit anderen Worten: eine amüsante Lektüre -, und Sallusts Bellum Jugurthinum (Der jugurthinische Krieg), der mit Kiplingschem Elan von Sullas afrikanischen Abenteuern berichtet. Außerdem gibt es zahlreiche Hinweise in den Schriften der zeitgenössischen republikanischen Schriftsteller, vor allem bei Cicero, der offenbar nie müde wurde, Sulla als Inbegriff der Lasterhaftigkeit im Kontrast zum

Standartenträger der Tugend (Cicero) darzustellen. Sullas Autobiographie ist verschollen, Ursache manchen Bedauerns. Nach allem, was wir über seinen Charakter wissen, ist es unwahrscheinlich, daß sie so fesselnd wie Caesars Werke oder so unbewußt enthüllend wie die autobiographischen Schriften Ciceros war, aber sie war bestimmt lebendiger und gebildeter als die unserer heutigen politischen Führer.

Was den Prozeß des Sextus Roscius anbetrifft, liegt uns Ciceros Verteidigungsrede vor. Es ist ein langer Text, den ich bis zu einem gewissen Maß komprimieren und bearbeiten mußte, wobei ich mir jedoch, wie ich finde, keine ungebührlichen Freiheiten herausgenommen habe. Historiker sind sich einig, daß Ciceros originale, gesprochene Reden keineswegs exakt mit ihrer schriftlichen Überlieferung übereinstimmen, die Cicero (zusammen mit Tiro) überarbeitet und ausgeschmückt hat, häufig mit politischen Hintergedanken. Es sind beispielsweise erhebliche Zweifel angebracht, ob gewisse satirische Anspielungen auf Sulla, die sich in der schriftlichen Fassung von Pro Sexto Roscio Amerino finden, zu Lebzeiten des Diktators vor der Rostra tatsächlich ausgesprochen wurden. Gewisse rhetorische Schnörkel Ciceros, die ich hier wiedergegeben habe, sind hingegen absolut authentisch; ich hätte es nie gewagt, das melodramatische »Beim Herkules!« zu erfinden, zu dem Cicero in seinen Schriften häufiger greift, als ich ihm das in Das Lächeln des Cicero habe durchgehen lassen.