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Er nickte. Er neigte seinen Kopf. Er fixierte uns mit seinen blauen Augen, und man hatte das Gefühl, daß uns ein überlegenes Wesen einen unendlich großen Gefallen erweisen würde, allein indem es unsere Existenz zur Kenntnis nahm. Er hörte sich unsere Petition an, und danach sagte jeder von uns sein Sprüchlein auf mit Ausnahme von Capito, der steif und stumm wie ein Stein im Hintergrund stand. Und dann erhob sich Chrysogonus aus seinem Stuhl, warf die Schultern zurück, strich sich eine goldene Locke aus der Stirn und legte den Finger auf den Mund, als würde er angestrengt nachdenken; und es war einem fast peinlich, ein gewöhnlicher schmutziger Sterblicher zu sein, der es wagte, den Raum mit diesem perfekten Exemplar der menschlichen Rasse zu teilen.

Er erklärte uns, daß wir edle Römer wären, solche Mühen auf uns genommen zu haben, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Er meinte, Begebenheiten wie die, von der wir ihm berichtet hätten, seien sehr, sehr selten, daß es jedoch eine Handvoll beklagens- und bedauernswerter Einzelfälle gäbe, in denen Männer fälschlicherweise geächtet worden seien. Er würde deshalb unsere Petition bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit dem großen Sulla persönlich hinterbringen. In der Zwischenzeit sollten wir uns in Geduld üben; wir würden doch sicherlich verstehen, daß der Diktator einer Republik tausenderlei Sorgen hätte, die ihn von allen Seiten bedrängten, von denen sein Bemühen, die marianische Verschwörung, die in den etruskischen Hügeln wie ein Geschwür eitere, endgültig auszumerzen, nicht die geringste sei. Zehn Köpfe wippten auf und nieder wie Korken auf einer Welle, und meiner war einer von ihnen. Und ich weiß noch, auch wenn ich mich heute deswegen schäme, daß ich froh war, daß man uns nicht bis zu Sulla vorgelassen hatte, denn wenn die Gegenwart seines Stellvertreters schon derartig einschüchternd war, wie hätten wir uns erst zum Narren gemacht, wenn wir mit dem großen Mann selbst verhandelt hätten?

Aber dann räusperte ich mich und fand irgendwie den Mut zu sagen, daß wir, wenn wir schon Sulla nicht persönlich treffen könnten, zumindest darauf beharrten, eine klare Antwort zu bekommen, bevor wir nach Ameria zurückkehrten. Chrysogonus wandte mir seine blauen Augen zu und zog die Brauen nur ein winziges Stück hoch, so wie man einen Sklaven ansieht, der die Unverschämtheit besitzt, ein Gespräch zu unterbrechen wegen irgendeiner Banalität, die er für wichtig hält. Schließlich nickte er und sagte: Selbstverständlich, selbstverständlich< und dann versicherte er, daß er nach seiner Rückkehr nach Rom persönlich einen Stilus zur Hand nehmen, den Namen Sextus Roscius aus den Proskriptionslisten streichen und dafür sorgen würde, daß der Besitz des alten Herrn wiederhergestellt und auf seinen Sohn überschrieben würde. Wir müßten natürlich geduldig sein, weil die Mühlen der Gerechtigkeit in Rom langsam mahlten, jedoch nie gegen den Willen des Volkes.

Dann sah er Capito direkt an, weil ihm klar war, daß jener sich zumindest einen Teil des konfiszierten Besitzes angeeignet hatte, und fragte ihn, ob er mit dieser Rechtsprechung einverstanden sei, selbst wenn sie auf seine

Kosten ginge. Und Capito nickte, lächelte unschuldig wie ein Kind und erklärte, daß in seinem Herzen allein der Geist römischer Gerechtigkeit wohnt, und wenn bewiesen werden könnte, daß sein verstorbener Vetter tatsächlich kein Feind des Staates oder unseres geliebten Sullas gewesen sei, würde er seinen Anteil an dessen Gütern mit Freuden an den rechtmäßigen Erben zurückgeben und ihm nicht einmal die inzwischen vorgenommenen Instandsetzungsarbeiten in Rechnung stellen.«

»Und was geschah dann?«

»Nichts. Sulla und seine Armee erledigten ihren Auftrag in Volaterrae und kehrten nach Rom zurück.«

»Und ihr habt nichts mehr von Chrysogonus gehört?«

»Kein Wort.« Titus zuckte schuldbewußt die Schultern. »Du weißt doch, wie es ist, wie man solche Sachen schleifen läßt - ich bin ein Bauer, kein Politiker. Im Dezember habe ich schließlich einen Brief aufgesetzt, einen weiteren im Februar. Keine Antwort. Vielleicht wäre ja irgend etwas geschehen, wenn Sextus Roscius sich weiter darum gekümmert hätte, aber er zog sich noch mehr zurück als vorher. Er und seine Familie blieben in dem kleinen Haus auf dem Grundstück, und niemand hörte ein Wort von ihnen, als ob sie Gefangene wären oder Capito sie zu seinen Sklaven gemacht hätte. Na ja, wenn ein Mann sich nicht für seine eigenen Rechte stark macht, kann er nicht erwarten, daß seine Nachbarn ihm unter die Arme greifen.«

»Und wie lange ging das so?«

»Bis April. Dann muß irgend etwas zwischen Capito und Sextus vorgefallen sein. Mitten in der Nacht stand Sextus auf einmal mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern vor meiner Tür. Sie waren in einem gewöhnlichen Ochsenkarren unterwegs, trugen ihr Hab und Gut mit eigenen Händen und hatten nicht einmal einen Sklaven, um den Karren zu lenken. Er bat mich, ihn für die Nacht aufzunehmen, was ich natürlieh getan habe. Sie sind vier oder fünf Nächte geblieben. Ich weiß es nicht mehr genau -«

»Drei«, sagte eine leise Stimme. Es war Lucius, der Junge, dessen Anwesenheit ich fast vergessen hatte. Er saß, die Knie an die Brust gezogen, gegen eine niedrige Mauer gelehnt. Ein Lächeln umspielte seinen Mundwinkel, genau wie bei der Erwähnung von Roscius’ Tochter, als ich ihn am frühen Abend getroffen hatte.

»Na gut, dann eben drei«, sagte Titus. »Vermutlich ist es mir nur länger vorgekommen. Sextus Roscius hat seine Schwermut mit in dieses Haus gebracht. Meine Frau hat sich ständig beschwert, daß er uns Unglück bringen würde. Und natürlich ist die junge Roscia...« Er senkte seine Stimme. »Seine ältere Tochter. Nicht eben der beste moralische Einfluß für ein Haus mit jungen Männern.« Er warf einen Blick zu Lucius, der den Mond betrachtete und überzeugend Taubheit simulierte.

»Dann machte er sich auf den Weg nach Rom. Er hat mir erzählt, sein Vater hätte dort eine Patronin, die möglicherweise Einfluß auf Sulla ausüben könnte. Von einem Mordprozeß hat er nichts gesagt. Ich nahm an, er wäre mittlerweile verzweifelt genug, diesem Chrysogonus sein Anliegen noch einmal persönlich vorzutragen.«

»Es wird dich vermutlich nicht überraschen zu erfahren, daß auch Chrysogonus von der Aufteilung von Sextus Roscius’ Gütern profitiert hat.«

»Na, wenn das keine schmutzige Geschichte ist. Und woher weißt du das?«

»Ein Sklave namens Carus hat es mir heute nachmittag erzählt. Er empfängt die Gäste in Capitos Villa.«

»Dann haben die drei von Anfang an unter einer Decke gesteckt - Capito, Magnus und Chrysogonus.«

»Es hat ganz den Anschein. Wer außer Chrysogonus hätte Sextus pater illegal auf die bereits geschlossenen Proskriptionslisten setzen können? Und wer außer Capito und Magnus wollte den alten Herrn tot sehen?«

»Ja, so muß es gewesen sein. Die drei haben die Ermordung des alten Sextus Roscius geplant und die ganze Zeit vorgehabt, ihn auf die Proskriptionslisten zu setzen, um das Land, nachdem der Staat es konfisziert hatte, hinterher aufzukaufen. Und jeder Außenstehende, der möglicherweise versuchen sollte, Klarheit in die Angelegenheit zu bringen, muß sich früher oder später mit Chrysogonus persönlich auseinandersetzen, was bedeutet, er könnte genausogut mit einer Wand reden. Was für eine üble Geschichte, noch schmutziger, als ich dachte. Aber die Krönung ist doch, Sextus Roscius des Mordes an seinem Vater zu beschuldigen - damit sind sie auf jeden Fall zu weit gegangen, selbst wenn ein enger Freund Sullas mitmacht. Das ist absurd, unsagbar grausam! «

Ich betrachtete den Mond. Er war schon fett und weiß; in sechs Tagen, zu den Iden, würde er voll sein, und Sextus Roscius wäre mit seinem Schicksal konfrontiert. Träge wandte ich meinen Kopf und blickte zu dem Fenster, das hell von Capitos Villa herüberleuchtete. Warum waren sie noch immer wach?

Magnus und Glaucia mußten von ihrem Tagesritt genauso müde sein wie ich. Was planten sie jetzt?