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»Ja«, sagte er schließlich. »Es stimmt. Jedes einzelne Wort.«

Caecilia stieß ein eigenartig verzweifeltes Kichern aus. Rufus strich ihr sanft über die faltige Hand.

»Warum hast du Cicero dann nichts davon erzählt? Hast du irgend etwas gegenüber Hortensius erwähnt, als er noch dein Anwalt war?«

»Nein.«

»Aber wie sollen dich diese Männer verteidigen, wenn du ihnen nicht erzählst, was du weißt?«

»Ich habe keinen von beiden gebeten, meinen Fall zu übernehmen. Das hat sie getan.« Er zeigte unhöflich auf Caecilia Metella.

»Willst du damit sagen, daß du gar keinen Anwalt willst?« fuhr Rufus ihn an. »Was glaubst du, wie deine Chancen stünden, wenn du allein gegen einen Ankläger wie Gaius Erucius vor der Rostra erscheinst?«

»Wie stehen meine Chancen denn jetzt? Selbst wenn es mir irgendwie gelingen sollte, ihnen vor Gericht zu entkommen, dann spüren sie mich eben hinterher auf und machen mit mir, was sie wollen, genau wie mit meinem Vater.«

»Nicht unbedingt«, wandte Rufus ein. »Nicht, wenn Cicero die Lügen von Capito und Magnus vor Gericht bloßstellen kann.«

»Aber um das zu tun, müßte er Chrysogonus’ Namen ins Spiel bringen, oder nicht? O ja, man kann keine Flöhe fangen, ohne mit dem Hund zu kämpfen, und das geht nicht, ohne an der Leine seines Herrn zu ziehen. Der Hund könnte beißen, und seinem Herrn wird es gar nicht gefallen, sich von einem kleinen Bauernanwalt bloßstellen zu lassen. Selbst wenn er den Fall gewinnt, wird euer hochgeschätzter Meister Kichererbse mit seinem Kopf auf einem Stock enden. Erzähl mir nicht, daß es einen Advokaten in Rom gibt, der das Risiko eingehen will, Sulla offen ins Gesicht zu spucken. Und wenn es ihn doch gibt, ist er viel zu dumm, um mich erfolgreich zu vertreten.«

Rufus und Tiro waren gleichermaßen empört. Wie konnte Roscius so über Cicero reden, ihren Cicero? Roscius’ Ängste galten ihnen nichts; ihr Glauben an Cicero war unerschütterlich.

Ich hingegen fürchtete, daß Roscius recht hatte. Der Fall war genauso gefährlich, wie er sagte. Mich hatte man bereits bedroht (eine Tatsache, die ich unter Caecilias Dach mit Absicht verschwieg). Wenn Cicero noch nicht dasselbe Schicksal ereilt hatte, dann nur, weil er zu jenem Zeitpunkt mit der Ermittlung an sich nichts zu tun hatte und ein Mann mit weit größerem Einfluß war als ich.

Trotzdem kamen Roscius’ Worte mir irgendwie unaufrichtig vor. Ja, sein Fall war gefährlich, und weiteres Vorgehen beschwor möglicherweise den Zorn der Mächtigen herauf. Aber konnte das für ihn von irgendeiner Bedeutung sein, wo seine einzige Alternative ein grausamer Tod war? Wenn er sich gewehrt und uns die Wahrheit an die Hand gegeben hätte, die seine Unschuld und die Schuld seiner Ankläger beweisen konnte, konnte er nur gewinnen: sein Leben, seinen Frieden, vielleicht sogar die Annullierung der Proskription seines Vaters und die Rückgabe seiner Güter. Konnte er in so tiefe Hoffnungslosigkeit versunken sein, daß er völlig gelähmt war? Kann man einen Menschen so weit demoralisieren, daß er sich nach einer Niederlage und dem Tod sehnt?

»Sextus Roscius«, sagte ich, »hilf mir, es zu verstehen. Kurz nach der Tat hast du vom Tod deines Vaters erfahren. Seine Leiche wurde nach Ameria überführt, wo du mit dem Beerdigungsritual begonnen hast. Dann kamen Soldaten, verkündeten, er sei geächtet worden, so daß sein Tod eine Hinrichtung und kein Mord war, und beschlagnahmten seinen gesamten Besitz. Du wurdest aus deinem Haus vertrieben und hast bei Freunden im Dorf gewohnt. Es gab eine Auktion in Rom; Capito oder noch wahrscheinlicher Chrysogonus hat den Besitz aufgekauft. Wußtest du damals schon, wer deinen Vater ermordet hat?«

»Nein.«

»Aber du mußt doch einen Verdacht gehegt haben.«

»Ja.«

»Also gut. Nachdem Capito sich erst einmal häuslich niedergelassen hatte, bot er dir an, wieder auf dem Gut zu leben, und erlaubte dir, mit deiner Familie eine baufällige Hütte weit entfernt vom Haupthaus zu beziehen. Wie konntest du diese Demütigung hinnehmen?«

»Was hätte ich tun sollen? Gesetz ist Gesetz. Titus Megarus und der Stadtrat waren losgezogen, um Sulla persönlich eine Petition zu meinen Gunsten zu überbringen. Ich konnte nur warten.«

»Aber schließlich hat dich Capito doch ganz von dem Gut vertrieben. Warum hat er das getan?«

»Vermutlich hatte er schließlich genug von mir. Vielleicht hat er sich schuldig gefühlt.«

»Zu diesem Zeitpunkt muß dir doch zweifelsfrei klar gewesen sein, daß Capito selbst in die Ermordung deines Vaters verwickelt war. Hast du ihm gedroht?«

Er wandte den Blick ab. »Wir haben uns nie geprügelt, aber wir hatten heftige Auseinandersetzungen. Ich erklärte ihm, er sei ein Dummkopf, es sich in dem großen Haus so bequem zu machen, weil man es nie zulassen würde, daß er es behielt. Er meinte, ich sei nicht mehr als ein Bettler und sollte ihm lieber für die mir erwiesene Wohltätigkeit die Füße küssen.« Er umklammerte die Lehne seines Stuhls, und seine Knöchel wurden weiß. Er knirschte in einem plötzlichen Wutanfall mit den Zähnen. »Er sagte, ich würde eher sterben, als das Land zurückzubekommen. Er sagte, ich könne froh sein, daß ich noch nicht tot wäre. Es hat so ausgesehen, als hätte er mich rausgeworfen, aber in Wirklichkeit bin ich um mein Leben gerannt. Selbst bei Titus Megarus war ich nicht sicher; ich konnte spüren, wie sie das Haus nach Einbruch der Dunkelheit beobachteten, wie Nachtfalken, die auf ihre Chance lauern. Deswegen bin ich hierher nach Rom gekommen. Aber selbst hier wäre ich auf offener Straße nicht sicher gewesen. Dieser Raum ist der einzige Ort, an dem ich mich nicht bedroht fühle. Und nicht einmal hier lassen sie mich in Frieden! Ich hätte nie geglaubt, daß es so weit kommt, daß sie mich vor Gericht schleifen und mich in einen Sack binden wollen. Siehst du denn nicht, daß alle Macht auf ihrer Seite ist? Wer weiß, mit welchen Lügen dieser Erucius aufwarten wird? Am Ende steht sein Wort gegen Ciceros. Und auf wessen Seite wird sich wohl der Richter schlagen, wenn es darauf hinausläuft, den Diktator zu beleidigen? Ihr könnt gar nichts für mich tun!« Er fing plötzlich an zu weinen.

Caecilia Metella verzog das Gesicht, als habe sie etwas nicht Zuträgliches gegessen. Wortlos erhob sie sich von ihrem Stuhl und strebte zur Tür, die Sklavin mit dem Pfauenfächer folgte ihr auf dem Fuß. Rufus sprang auf, aber ich machte ihm ein Zeichen zu bleiben.

Roscius saß, das Gesicht in den Händen vergraben, da. »Du bist ein seltsamer Mann«, sagte ich schließlich. » Du bist erbarmungswürdig, und ich kann doch kein Mitleid mit dir empfinden. Du hast einen grausamen Tod vor Augen, eine Situation, in der die meisten Menschen jede erdenkliche Lüge Vorbringen würden, um sich zu retten, während du es scheinbar um jeden Preis vermeiden willst, die Wahrheit zu sagen, die dich allein retten könnte. Jetzt, wo sie doch ans Licht gekommen ist, gibst du sie zu und hast keinen Grund mehr zu lügen, und trotzdem... Du läßt mich meinen eigenen Instinkten mißtrauen, Sextus Roscius. Ich bin verwirrt, wie ein Hund, der vor einem Kaninchenbau einen Fuchs wittert.«

Er hob langsam den Kopf. Sein Gesicht war verzerrt vor Haß, Mißtrauen und jener Angst, die stets in seinen Augen lauerte.

Ich schüttelte den Kopf. »Mit dir zu reden erschöpft mich. Ich kriege Kopfschmerzen davon. Ich hoffe nur, daß Ciceros Kopf robuster ist.« Wir standen auf, um zu gehen. Ich wandte mich noch einmal um. »Da ist noch etwas«, sagte ich. »Eigentlich eine Lappalie. Es geht um eine junge Hure namens Elena. Weißt du, wen ich meine?«

»Ja. Natürlich. Sie hat eine Weile in dem Haus gelebt, nachdem Capito es übernommen hat.«