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»Und wie ist sie dorthin gekommen?«

Er dachte nach. Zumindest hatte er aufgehört zu weinen. »Magnus und Glaucia haben sie in der Stadt aufgestöbert, glaube ich. Vermutlich hatte sie mein Vater irgendwann vorher gekauft, sie aber noch in der Obhut des Bordellbesitzers gelassen. Nach der Versteigerung hat Magnus sie dann für sich reklamiert.«

»Sie trug ein Kind, wenn ich mich nicht irre.«

Er stutzte. »Ja, du hast recht.«

»Wessen Kind?«

»Wer weiß? Sie war schließlich eine Hure.«

»Natürlich. Und was ist aus ihr geworden?«

»Woher soll ich das wissen?« - »Ich meine, nachdem sie das Baby zur Welt gebracht hat.«

»Woher soll ich das wissen?« wiederholte er wütend. »Was würdest du mit einer Hure und einem neugeborenen Sklavenkind machen, wenn du ein Mann wie Capito wärst? Wahrscheinlich sind beide längst auf einem Sklavenmarkt verkauft worden.«

»Nein«, sagte ich. »Nicht beide. Wenigstens eins von beiden ist tot und neben dem Grab deines Vaters in Ameria beerdigt.«

Von der Schwelle aus beobachtete ich ihn aufmerksam, aber er zeigte keine Reaktion.

Wir gingen schweigend zurück zu Caecilias Wohnräumen. Aus dem Augenwinkel konnte ich beobachten, wie Tiro unruhig mit den Füßen gescharrt hatte und immer nervöser geworden war, je näher unser Aufbruch rückte. Mein Kopf war zu voll mit Gedanken an Sextus Roscius, um mich um ihn zu kümmern, aber als wir jetzt zu Caecilias Flügel des Hauses zurückmarschierten, begann ich mich zu fragen, unter welchem dürftigen Vorwand ich ihn entlassen konnte, damit er sich auf die Suche nach dem Mädchen begeben konnte.

Aber Tiro war mir bereits einen Schritt voraus. Er blieb plötzlich stehen und begann sich suchend abzutasten wie jemand, der etwas verloren hat. »Beim

Herkules«, sagte er. »Ich habe den Stilus und das Täfelchen liegenlassen. Es wird nur einen Augenblick dauern, sie zu holen - es sei denn, ich hatte sie gar nicht bei mir, als du Roscius befragt hast. Dann muß ich sie ganz woanders liegenlassen haben«, fügte er noch hinzu, verzweifelt bemüht um eine Ausrede, seine Abwesenheit in die Länge zu ziehen.

»Du hattest sie bei dir«, sagte Rufus mit einem Hauch Feindseligkeit in der Stimme. »Ich weiß genau, daß du sie in der Hand hattest.«

Ich schüttelte den Kopf. »Da bin ich mir nicht so sicher. Du solltest jedenfalls zurückgehen und nachsehen, ob du sie findest, Tiro. Laß dir Zeit. Es ist ohnehin zu spät für Rufus, heute noch etwas auf dem Forum erledigt zu bekommen, und die Sonne brennt noch immer zu heiß, um unverzüglich zu Ciceros Haus zurückzueilen. Ich denke, Rufus und ich werden unsere Gastgeberin bewegen, sich noch eine Weile mit uns in ihrem Garten zu unterhalten, damit wir uns von dieser Hitze erholen können.«

Doch Caecilia sah sich außerstande, uns Gesellschaft zu leisten; der Eunuch Ahausarus erläuterte uns, daß die Befragung von Sextus Roscius sie erschöpft hatte. Obwohl persönlich indisponiert, lud sie uns ein, uns ihrer Sklaven zu bedienen, die durch den Säulengang huschten, Sitzmöbel aus der Sonne in den Schatten trugen, kalte Getränke servierten und alles für unsere Bequemlichkeit taten. Rufus wirkte lustlos und gereizt. Ich sprach ihn erneut auf die Gesellschaft an, die Chrysogonus am nächsten Abend in seinem Haus geben wollte.

»Wenn es dir ernsthaft unangenehm ist, daran teilzunehmen«, sagte ich, »dann laß es bleiben. Ich dachte nur, daß du mir möglicherweise Zutritt zu dem Haus verschaffen könntest, durch den Sklaveneingang vielleicht. Es gibt da ein paar Details, die ich nur dort in Erfahrung bringen kann. Aber ich habe natürlich kein Recht, dich zu bitten, daß -«

»Nein, nein«, murmelte er, als hätte ich ihn bei einem Tagtraum erwischt. »Ich gehe ja hin. Ich zeig dir das Haus, bevor wir den Palatin wieder hinabsteigen; es ist ganz in der Nähe. Und sei es nur um Ciceros willen, wie du gesagt hast.«

Er rief einen der Diener herbei und verlangte mehr Wein. Mir kam es so vor, als hätte er schon jetzt zuviel, aber als der Wein kam, trank er den Becher in einem Zug leer und bestellte einen weiteren. Ich räusperte mich und runzelte die Stirn. »Ich bin sicher, das Diktum lautet: Mäßigung in allen Dingen, Rufus. Darauf würde zumindest Cicero bestehen.«

»Cicero«, sagte er, als handele es sich dabei um einen Fluch. Dann wiederholte er den Namen noch einmal, als wäre es ein Witz. Er stand von seinem Hocker auf, ging zu einem Diwan und ließ sich auf die Kissen sinken. Eine milde Brise wehte durch den Garten und ließ die vertrockneten Blätter des Papyrus rascheln und den Akanthus seufzen. Rufus schloß die Augen, und sein sanfter Gesichtsausdruck erinnerte mich daran, daß er in Wahrheit noch immer ein Junge war. Ungeachtet seines adligen Standes und seiner weltmännischen Art trug er nach wie vor das Gewand der Minderjährigen mit seinen züchtigen langen Ärmeln, das auch Roscia in eben jenem Moment tragen mußte, wenn Tiro es ihr noch nicht vom Leib gerissen hatte.

»Was glaubst du, was sie jetzt gerade treiben?« fragte Rufus unvermittelt. Er klappte ein Auge auf und sah meinen verdutzten Gesichtsausdruck.

Ich tat so, als verstünde ich nicht, und schüttelte den Kopf.

»Du weißt schon, wen ich meine«, stöhnte Rufus. »Tiro braucht ganz schön lange, um seinen Stilus zu holen, oder nicht? Seinen Stilus!« Er lachte, als habe er den Witz eben erst begriffen. Aber es war ein kurzes und bitteres Lachen.

»Dann weißt du es also«, sagte ich.

»Natürlich weiß ich es. Es ist gleich beim ersten Besuch von Cicero passiert. Und danach jedesmal wieder. Ich fing schon an zu glauben, daß du es nicht bemerkt hättest. Ich hab mich gefragt, was für eine Art Sucher du bist, wenn etwas derart Offensichtliches deiner Aufmerksamkeit entgeht. Es ist wirklich lächerlich, wie offen sie es treiben.«

Er klang eifersüchtig und verbittert. Ich nickte mitfühlend. Roscia war schließlich ein sehr begehrenswertes Mädchen. Ich war selbst ein wenig eifersüchtig auf Tiro.

Ich senkte meine Stimme und versuchte, nicht herablassend, sondern freundlich zu klingen. » Er ist schließlich bloß ein Sklave, der im Leben nicht viel zu erwarten hat.«

»Das ist es ja gerade!« rief Rufus. »Daß ein blöder Sklave es schafft, Befriedigung zu finden, während es mir verwehrt bleibt. Chrysogonus war ebenfalls ein Sklave, und auch er hat gefunden, wonach er suchte, genau wie Sulla in ihm gefunden hat, was er suchte, und in Valeria und all seinen anderen Eroberungen und Ehefrauen. Manchmal kommt es mir so vor, als bestünde die ganze Welt aus Menschen, die sich gegenseitig finden, während ich ausgeschlossen bleibe. Und von allen Menschen auf der ganzen Welt will mich ausgerechnet Sulla - das ist ein Scherz der Götter!« Er schüttelte den Kopf, lachte jedoch nicht. »Sulla will mich und kann mich nicht haben; ich will jemanden, der nicht einmal weiß, daß es mich gibt. Es ist grausam, auf der ganzen Welt nur einen einzigen Menschen zu begehren, der dieses Begehren nicht erwidert! Hast du je jemanden geliebt, der deine Gefühle nicht erwidert hat, Gordianus?«

»Aber sicher. Welchem Mann ist es nicht so gegangen?«

Ein Sklave kam mit einem neuen Becher Wein. Rufus nippte daran, stellte ihn dann auf den Tisch und starrte ihn trübsinnig an. Mir schien Roscia soviel Schmerzen nicht wert, aber ich war auch nicht sechzehn. »So unverfroren offensichtlich«, murmelte er. »Wie lange werden die beiden wohl brauchen?«

»Weiß Caecilia davon?« fragte ich. »Oder Sextus Roscius?«

»Von unseren Turteltäubchen? Ich bin sicher, sie haben keine Ahnung. Caecilia lebt auf einer Art Wolke, und wer weiß, was in Sextus Roscius’ Kopf vor sich geht? Vermutlich würde sogar er sich verpflichtet fühlen, eine gewisse Empörung aufzubringen, wenn er erfährt, daß seine Tochter es mit dem Sklaven eines anderen Mannes treibt.«

Ich wartete einen Moment, weil ich ihn nicht zu rasch mit Fragen überhäufen wollte. Ich dachte an Tiro und die Gefahr, mit der er spielte. Rufus war schließlich jung und frustriert und von vornehmer Geburt, während Tiro ein Sklave war, der im Haus einer bedeutenden Frau das Undenkbare tat. Rufus konnte sein Leben mit einem einzigen Wort für immer vernichten. »Und was ist mit Cicero - weiß Cicero Bescheid?«