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»Ganz offensichtlich«, sagte ich, »war die Botschaft als Warnung an dich gemeint, Cicero.«
»Aber wenn er vorhatte, dich und deine Sklavin zu ermorden, warum hat er dann nicht erst das Gemetzel erledigt?
Warum hat er dich nicht einfach im Schlaf ermordet und die Botschaft hinterher geschrieben?«
Ich zuckte die Schultern. »Weil er schon genug Blut zur Verfügung hatte, welches aus Zoticus’ aufgeschlitzter Kehle sprudelte. Weil im Haus alles ruhig war und er keine Angst hatte, daß ich aufwachen würde. Weil er, wenn er die Botschaft bereits geschrieben hatte, für den Fall, daß es irgendwelche unvorhergesehene Komplikationen geben oder wir vor unserem Tod schreien würden, das Haus sofort verlassen konnte. Vielleicht hat er auch auf einen weiteren Mörder gewartet. Ich weiß es nicht, Cicero. Ich kann nicht für einen Toten sprechen. Aber er wollte mich umbringen, dessen bin ich sicher. Und die Warnung war für dich.«
Der Mond war untergegangen. Die dunkelsten Stunden der Nacht waren angebrochen, auch wenn die Dämmerung nicht mehr fern sein konnte. Bethesda befand sich irgendwo in den Sklavenquartieren und schlief fest, wie ich hoffte. Rufus, Tiro und ich saßen inmitten von zischenden Kohlenbecken, während unser Gastgeber grimassierend und sein Kinn reibend auf und ab lief.
Sein Gesicht wirkte abgespannt, und sein Kinn war mit Stoppeln übersät, aber seine Augen blitzten und funkelten alles andere als schläfrig - so hatte er ausgesehen, als Bethesda und ich nach einer mitternächtlichen Flucht durch die halbe Stadt an seine Tür klopften. Erstaunlicherweise war Cicero noch wach und das Haus hell erleuchtet gewesen. Ein Sklave mit verquollenen Augen hatte uns ins Arbeitszimmer geführt, wo Cicero mit einem Bündel Pergamentrollen in den Händen laut lesend auf und ab ging, wobei er gelegentlich an einer Schale dampfender Lauchsuppe nippte - Hortensius’ Geheimrezept, um die Stimme geschmeidiger zu machen.
Er hatte unter Tiros Mithilfe fast den kompletten ersten Entwurf seiner Rede zur Verteidigung von Sextus Roscius fertiggestellt, nachdem er den ganzen Abend ohne Pause daran gearbeitet hatte. Er hatte sie an Tiro und Rufus ausprobiert, als wir blutbespritzt und zitternd vor seiner Tür ankamen.
Bethesda verschwand schnell in der Obhut von Ciceros Haushälterin, die versprach, sich um sie zu kümmern. Cicero bestand darauf, daß ich mich zuallererst wusch und eine frische Toga anlegte. Ich hatte mein Bestes getan, aber im Licht der Lampen in seinem Arbeitszimmer entdeckte ich immer wieder kleine Spritzer getrockneten Bluts an Fingernägeln und Füßen.
»Jetzt liegen also zwei Leichen in deinem Haus«, sagte Cicero und rollte die Augen. »Na gut, ich werde morgen jemand vorbeischicken, der sich darum kümmert. Weitere Kosten! Der Besitzer von Zoticus wird garantiert alles andere als begeistert sein, wenn man ihm einen toten Leibwächter zurückbringt; eine finanzielle Regelung wird gefunden werden müssen. Du bist wie eine Amphore ohne Boden, in die ich ständig Münzen werfe, Gordianus.
»Diese Botschaft«, unterbrach ihn Rufus nachdenklich, »wie lautete sie noch einmal genau?«
Ich schloß die Augen und sah jedes Wort in grellem Rot im flackernden Lampenlicht vor mir. »>Der Dummkopf hat nicht gehorcht. Jetzt ist er tot. Ein klügerer Mann wird Urlaub machen, sind die heiligen Iden des Mai gekommene Außerdem scheint er auch die alte Nachricht mit frischem Blut nachgezogen zu haben.«
»Äußerst sorgfältig«, sagte Cicero.
»Ja, und ein besserer Schreiber als Mallius Glaucia. Seine Buchstaben waren wohlgeformt, und er schien auch nicht nach Vorlage, sondern aus dem Gedächtnis zu arbeiten. Ein Sklave eines höhergestellten Herrn.«
»Man sagt, Chrysogonus hätte Gladiatoren, die lesen und schreiben können«, sagte Rufus.
»Ja, wirklich zu dumm, daß du diesen Rotbart umbringen mußtest«, sagte Cicero vorwurfsvoll. »Sonst hätten wir vielleicht erfahren, wer ihn geschickt hat.«
»Aber er sagte, er käme von dir, Cicero.« - »Du brauchst gar nicht sarkastisch zu werden, Gordianus. Natürlich hab nicht ich ihn geschickt. Du solltest dir selbst einen Leibwächter besorgen, und ich wollte ihn bezahlen, so lautete unsere Verabredung. Um ehrlich zu sein, habe ich die ganze Geschichte vergessen, als du weg warst. Ich habe angefangen, mir Notizen für die Verteidigung zu machen, und gar nicht mehr daran gedacht.«
»Aber er konnte meiner Sklavin ausdrücklich erklären, daß er von dir geschickt war, als er vor meiner Tür stand. Es war eine vorsätzliche List, um mich zu täuschen, was bedeutet, daß wer immer ihn geschickt hat, von unserer Verabredung gewußt haben muß, die wir nur wenige Stunden zuvor getroffen hatten, nämlich daß du einen Leibwächter zum Schutz meines Hauses bezahlen wolltest. Wie kann das sein, Cicero? Die einzigen Menschen, die von diesem Gespräch wußten, waren genau dieselben, die jetzt wieder in diesem Raum versammelt sind.«
Ich starrte Rufus an. Er errötete und schlug die Augen nieder. Enttäuschte Liebe kann in Haß Umschlägen und abgewiesenes Begehren nach Rache verlangen. Die ganze Zeit über war er eine Schlange gewesen, dachte ich, vertraut mit Ciceros Strategie und gleichzeitig Pläne schmiedend, um sie zum Scheitern zu bringen. Man kann nie einem Patrizier trauen, dachte ich, egal wie jung und unschuldig er wirken mochte. Irgendwie war es den Feinden von Sextus Roscius gelungen, sich seiner Motive zu bedienen und sie zu ihren Zwecken zu mißbrauchen. Er war tatsächlich bereit gewesen, mein Leben und das von Sextus Roscius zu opfern, nur um Cicero zu demütigen - das schien unmöglich, wenn man in sein jungenhaftes Gesicht mit der sommersprossigen Nase blickte, aber das ist der Stoff, aus dem man Römer macht.
Ich wollte ihn gerade laut anklagen und sein Geheimnis offenbaren - seine versteckte Leidenschaft für Cicero, seinen Verrat aber welcher Gott auch immer mir in jener Nacht das Leben gerettet hatte, er entschloß sich, auch noch meine Ehre zu retten, und bewahrte mich davor, mich vor einem großzügigen Klienten und seinem wohlgeborenen Bewunderer bloßzustellen.
Tiro machte ein unterdrücktes, würgendes Geräusch, als versuche er erfolglos, sich zu räuspern.
Sofort waren alle Blicke auf ihn gerichtet. In seinem Gesicht stand deutlich die Schuld geschrieben - er blinzelte, errötete und kaute an seinen Lippen.
»Tiro?« Ciceros Stimme klang trotz Lauchsuppe schrill und heiser. Doch sein Gesicht verriet nur milde Bestürzung, als wolle er sich sein Urteil in Erwartung einer ganz einfachen und einleuchtenden Erklärung Vorbehalten.
Rufus sah mich mit feurigem Blick an, als wollte er sagen: Und wie konntest du an mir zweifeln? »Ja, Tiro«, sagte er, verschränkte seine Arme und blickte über seine sommersprossige Nase. »Gibt es irgend etwas, was du uns gerne mitteilen möchtest?« Er wirkte herablassender, als ich ihn mir je hätte vorstellen können. Dieser kalte, unerbittliche Blick - ist er eine Maske, die alle Patrizier bei Bedarf von einem Augenblick zum anderen aufsetzen können, oder ist er ihr einzig wahres Gesicht, wenn alle Masken gefallen sind?
Tiro biß sich auf die Fingerknöchel und begann zu weinen. Und da erkannte ich die Wahrheit.
»Das Mädchen«, flüsterte ich. »Roscia.«
Tiro verbarg sein Gesicht und schluchzte laut.
*
Cicero war außer sich vor Wut. Er rannte im Zimmer auf und ab wie ein Wolf. Es gab Momente, in denen ich glaubte, er würde den armen Tiro, der händeringend und schluchzend dasaß, tatsächlich schlagen. Statt dessen warf er die Arme in die Luft und schrie sich die Lunge aus dem Leib, bis er so heiser war, daß er kaum noch ein Wort herausbrachte.