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Hortensius blickte zum Glück gerade in die andere Richtung und sah uns nicht. Andernfalls hätte er mich bestimmt erkannt. Mir fiel plötzlich auf, wie auffällig wir uns benahmen, und ich zog Tiro in den tiefen Schatten der überhängenden Äste eines Feigenbaumes. Dort warteten wir eine Weile und beobachteten, wie die Feiernden und ihr Gefolge eintrafen und im Haus verschwanden. Wenn Chrysogonus seine Gäste persönlich begrüßte, tat er das in der Halle; auf der Treppe ließ sich jedenfalls kein blonder Halbgott blicken.

Schließlich wurde der Strom der Gäste dünner, bis er ganz versiegte. Anscheinend waren jetzt alle da, obwohl die Fackelträger steif auf ihrem Platz stehenblieben und die Musiker weiterspielten. Die Szene wurde zunächst unheimlich und leicht unwirklich, dann regelrecht gespenstisch: Auf einer in Mondlicht getauchten, verlassenen Straße versorgten Sklaven in festlicher Kleidung ein unsichtbares Publikum mit Licht und Musik. Der Ehrengast war noch nicht eingetroffen.

Schließlich hörte ich das Getrampel zahlloser Füße. Ich blickte mich in die Richtung um, aus der das Geräusch kam, und sah einen Kasten aus gelber Gaze nahen, hell und flatternd wie von unsichtbaren Wellen getragen. Er schien ohne jeden Antrieb aus eigener Kraft zu schweben, und einen kurzen Moment lang war die Illusion absolut überzeugend, als sei sie allein dazu erdacht worden, mich hier in diesem Moment zu täuschen.

Dann bildeten sich um die gelbe Kiste Wellen der Bewegung. Einen verwirrenden Augenblick lang waren sie nur das, Andeutungen etwas nach wie vor Unsichtbaren; dann nahmen sie plötzlich Gestalt an. Sämtliche Sänftenträger waren Nubier. Ihre Haut war völlig schwarz, dazu trugen sie schwarze Lendenschurze und schwarze Sandalen. Im Schatten waren sie nahezu unsichtbar; als sie in den Schein des aufgehenden Mondes traten, war es, als würden sie jedes Licht verschlucken bis auf einen matten Glanz, der ihre breiten, muskulösen Schultern nachzeichnete. Insgesamt waren es zwölf Träger, sechs auf jeder Seite, weit mehr als notwendig, um eine Sänfte mit einem einzelnen Insassen zu tragen. Ihre vereinte Kraft ließ sie mit unheimlicher Geschmeidigkeit vorwärts gleiten. Hinter ihnen ging ein großes Gefolge aus Sklaven, Dienern, Sekretären, Leibwächtern und Schmarotzern. Es mochte stimmen, daß Sulla, wie Rufus behauptet hatte, es sich neuerdings angewöhnt hatte, das Forum am hellichten Tag alleine zu überqueren, aber nachts bewegte er sich nach wie vor mit all dem Pomp und der Vorsicht durch die Straßen, die einem Diktator der Republik geziemte.

Endlich zeigte sich Chrysogonus persönlich. Als die Prozession näherkam, war einer der Fackelträger ins Haus gerannt. Kurz darauf trat der ganz in Gelb und Gold gewandete Chrysogonus auf den Porticus. Irgendwie hatte ich ihn bei all meinen diversen Aktivitäten nie persönlich zu Gesicht bekommen, sondern nur gehört, welcher Ruf ihm vorauseilte. Er war in der Tat von blendender Schönheit, groß und kräftig gebaut, mit goldenem Haar, einem breiten Kinn und leuchtend blauen Augen. Im flackernden Fackellicht deutete ich die wechselnden Masken seines Mienenspiels: zunächst ängstlich und unsicher wie jeder Gastgeber, der einen verspäteten Ehrengast erwartet, dann plötzlich hart und konzentriert, als würde er all seine Kraft zusammennehmen, und schließlich strahlend charmant, so abrupt und überwältigend, daß es schwer vorstellbar war, daß dies nur ein weiteres aufgesetztes Gesicht war. Er machte eine kurze Handbewegung. Sofort gingen die Musiker, deren Spiel etwas nachgelassen hatte, lauter und mit neuem Elan zur Sache.

Die Sänfte kam zum Stehen, und die Nubier setzten ihre Last ab. Ein Mann mit gezückter Waffe schlug die gelbe Gaze zurück, die den Insassen der Kabine abschirmte. Sulla erhob sich, lächelnd und korpulent, und sein rötliches Gesicht glänzte im Schein der Fackeln. Er trug eine Robe von kunstvoller orientalischer Machart, eine Vorliebe, die er sich während seines Feldzuges gegen Mithridates zugelegt hatte; der Stoff war in verschiedenen Grünschattierungen gefärbt und mit Silber bestickt. Sein Haar, einst blond wie das von Chrysogonus, war dicht und ausgebleicht, blaßgelb wie Hirsebrei.

Chrysogonus trat auf ihn zu, um ihn zu begrüßen, wobei er eine angedeutete Verbeugung machte. Sie umarmten sich, sprachen kurz miteinander, lachten und lächelten. Sie legten sich gegenseitig die Arme um die Schultern und verschwanden im Haus.

Die Sänftenträger wurden entlassen. Die Gefolgsleute sortierten sich zwanglos nach Wichtigkeit und gingen nach dem Herrn ins Haus. Ihnen folgten die noch immer spielenden Musiker und zuletzt die Fackelträger, wobei zwei von ihnen rechts und links neben der Tür stehenblieben und ein schwaches Licht für mögliche Spätankömmlinge spendeten. Aus dem Haus drang gedämpfter Applaus und Jubel. Die Seele des Abends war eingetroffen.

*

Zwei Tage zuvor hatte Rufus mir Chrysogonus’ Villa von außen gezeigt und mich auf jeden Eingang hingewiesen, wobei er mir, so gut er es aus dem Gedächtnis konnte, die Lage der Räume erläutert hatte. An der Nordseite, um die Ecke von dem Portikus und verdeckt durch eine Gruppe von Zypressen auf dem dahinterliegenden Gelände, war eine kleine Haustür in die Mauer eingelassen. Laut Rufus führte sie in eine Speisekammer, die sich an die riesigen Küchen im hinteren Teil des Hauses anschloß. Wir sollten warten, bis Rufus kam, wenn es ihm nicht gelang, Felix und Chrestus selbst aufzuspüren. Andernfalls würde er sie zu uns schicken. Die Dunkelheit schützte uns vor neugierigen Blicken von der Straße, und die Zypressen schirmten uns vor den Sänftenträgern ab, die auf der Freifläche zwischen dem Haus und den Ställen herumlungerten. Das Haus selbst hatte keine Fenster nach Norden, nur einen verlassenen, unbeleuchteten Balkon im oberen Stockwerk.

Ich befürchtete, daß Tiro nervös werden könnte, weil er es nicht gewohnt war, untätig in der Dunkelheit herumzusitzen, aber er schien ganz zufrieden damit, gegen den Baumstamm gelehnt in die Nacht zu starren. Er hatte seit unserem Treffen mit Roscia praktisch kein Wort mit mir gewechselt. Er war viel tiefer verletzt, als er zu erkennen gab. Gelegentlich sah er mich von der Seite an, um seinen Blick jedesmal mit blitzenden Augen sofort wieder abzuwenden.

Es kam mir vor, als warteten wir eine lange Zeit. Die Musik aus dem Haus vermischte sich mit dem Zirpen der Zikaden, und einmal hörte ich eine Stimme etwas vortragen, regelmäßig unterbrochen von Lachsalven und Applaus. Endlich flog die Tür auf. Ich erstarrte im Schatten des Baumes und machte mich bereit loszurennen, aber es war nur eine Sklavin, die einen Eimer mit dreckigem Wasser leerte. Sie schüttete ihn blind in die Dunkelheit, fuhr dann herum und schlug die Tür hinter sich zu. Tiro wischte seine Beine ab, weil ein paar Tropfen auf den Saum seiner Tunika gespritzt waren. Ich griff in meinen Ärmel und spürte den Griff des Messers - desselben Messers, das der stumme Sohn Polias mir auf der Straße zum Haus der Schwäne in die Hand gedrückt hatte, vor langer Zeit, so kam es mir vor, und weit weg.

Ich war fast eingedöst, als die Tür erneut aufging. Ich umklammerte den Knauf des Messers und richtete mich auf. Die Tür quietschte leise in den Angeln und schwang dermaßen verstohlen auf, daß ich wußte, es konnte nur Rufus sein oder aber gedungene Mörder, die gekommen waren, um uns zu töten.

»Gordianus?« flüsterte eine Stimme.

»Komm raus, Rufus. Mach die Tür hinter dir zu.«

Er schloß sie mit derselben übertriebenen Vorsicht und stand blinzelnd wie ein Maulwurf da, trotz des hellen Mondes unfähig, irgend etwas in der Dunkelheit zu erkennen.

»Hast du sie schon gefunden?« fragte ich.

»Sie sind im Haus, ja. Oder es gibt zumindest zwei Sklaven namens Felix und Chrestus, die beide neu im Haus sind; das hat mir jedenfalls eine der Serviererinnen erzählt. Aber ich habe sie nirgends entdecken können. Sie kümmern sich nicht um die Gäste. Sie haben keinen Kontakt zu irgend jemandem außerhalb des Hauses. Chrysogonus hält sie sich als seine persönlichen Arbeitssklaven. Das Mädchen sagt, daß sie das obere Stockwerk praktisch nie verlassen.«